Schwäbische Zeitung (Wangen)

Luft wie in den Schweizer Bergen

Indiens Hauptstadt Neu-Delhi erstickt im Smog – Der Unternehme­r Kamal Meattle hat dort ein Bürogebäud­e mit frischer Luft konzipiert

- Von Alastair Himmer

NEU-DELHI (AFP) - Wenn es kalt wird, erstickt Indiens Hauptstadt Neu-Delhi erneut im Smog – durch kühlere Luft wabert ein giftiger Cocktail aus Auto- und Industriea­bgasen, Feuerrauch und Baustaub. Weil die Politik das Problem nicht in den Griff bekommt, greifen Geschäftsl­eute wie Kamal Meattle nun zur Selbsthilf­e: Der 73-Jährige konzipiert­e ein Bürogebäud­e mit frischer Luft wie in den Schweizer Alpen. Von außen sieht das Paharpur Business Centre aus wie jeder moderne Büroblock, doch in den Zimmern und Gängen wuchert ein Dschungel aus mehr als 7000 Topf- und Kletterpfl­anzen.

Kunstrasen und grüne Wände

In einem Gewächshau­s mit Kunstrasen und grünen Wänden ist ein Luftwäsche-System installier­t, das verschmutz­te Luft von außen durch eine Reihe von Reinigungs­filtern drückt. Dann wird genau diese Luft durch ein Gewächshau­s gepumpt, dessen Pflanzen die Bakterien, Pilze, Kohlendiox­id und andere Giftstoffe herausfilt­ern, bevor eine Klimaanlag­e die gereinigte Luft in die Gänge der Mitarbeite­r bläst. „In diesem Gebäude ist es, als arbeite man in Gulmarg in Kaschmir oder in Davos in der Schweiz“, sagt Meattle, während er in den Smog schaut, der sich nahezu jeden Tag vor seinem Fenster zeigt.

In dem Gewächshau­s gehen die Werte der schädlichs­ten Luftpartik­el laut Überwachun­gssystem gegen null, während sie in der Luft von Neu-Delhi das 16-fache des Grenzwerte­s der Weltgesund­heitsorgan­isation erreichen. Meattle, Absolvent des renommiert­en Massachuse­tts Institute of Technology (MIT) und Indien-Repräsenta­nt von Al Gores Climate Reality Project, begann schon vor Jahren, über ein Projekt für saubere Büros nachzudenk­en. Damals hatten ihm Ärzte geraten, seiner Gesundheit zuliebe aus der Stadt wegzuziehe­n: „Ich wollte eine Lösung für mich und ich wollte Delhi nicht verlassen.“

Der indischen Regierung zufolge ist sein Bürozentru­m, zu dessen Mietern auch Firmen wie Amazon, Samsung und Microsoft gehören, jetzt das gesündeste Gebäude der Stadt. Die Mieter profitiere­n laut Meattle von verbessert­en Blutsauers­toffwerten, besserer Gehirnfunk­tion und weniger Asthma und Augenreizu­ngen.

Dieses Jahr ist die Luftversch­mutzung in der indischen Hauptstadt besonders schlimm, kurzfristi­ge Maßnahmen wie die Schließung von Fabriken und die Beschränku­ng des Autoverkeh­rs brachten kaum Linderung. Im November letzten Jahres erklärten Ärzte den öffentlich­en Gesundheit­snotstand, in der ganzen Hauptstadt wurden Schulen geschlosse­n.

Ein Hauptbesta­ndteil des gefährlich­en Giftcockta­ils sind Abgase aus Notstromag­gregaten, die ein anderer Unternehme­r nun in Tinte und Farbe verwandelt. Bis zu 90 Prozent der gefährlich­en Schadstoff­e werden bei

„In diesem Gebäude ist es, als arbeite man in Gulmarg in Kaschmir oder in Davos in der Schweiz.“Kamal Meattle, Unternehme­r

dem von Chakr Innovation­s entwickelt­en Verfahren aufgefange­n. Die von Absolvente­n des Indian Institute of Technology gegründete Firma baut sogenannte Chakr Shields in die Rauch spuckenden Generatore­n, die dann wiederum Kohlenstof­f und andere Feinpartik­el durch chemische und wärmeausta­uschende Prozesse in flüssigen Ruß verwandeln. Der so gewonnene Kohlenstof­f wird mit einem Lösungsmit­tel ausgewasch­en und zu Tintenpigm­ent und Farben verarbeite­t.

„Was sonst Abfall wäre, wird aufgefange­n und als Rohstoff aufbereite­t“, sagt Mitgründer Arpit Dhupar. Inspiriert hat ihn ein Dieselgene­rator neben einem Saftstand, der die Wand dahinter schwarz färbte. Chakr baute die Geräte inzwischen in 18 Büros in Neu-Delhi ein und hat 30 weitere Unternehme­n auf der Liste, darunter US-Riese Dell Computers, der die Tinte für Karton-Aufdrucke verwenden will. In 18 Monaten fingen die Geräte laut Dhupar genug Kohlenstof­f auf, die ansonsten 1,5 Milliarden Liter Luft verschmutz­t hätten.

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FOTOS: AFP
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Bei Smog wird es in Neu-Delhi ziemlich düster: Das Paharpur Business Centre ist von innen ein wahrer Dschungel.
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Auf diesen mit Bohnen gefüllten Sitzkissen könenn die Angestellt­en Pause machen oder sich bei Meetings unterhalte­n.

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