Schwäbische Zeitung (Wangen)

Freude und Ärger über Storchenne­ster

Meister Adebar findet Plätze in Neuravensb­urg und auf dem Erba-Kamin

- Von Jan Peter Steppat

In Neuravensb­urg müssen zwei Tiere vom Strommaste­n aus „umziehen“.

NEURAVENSB­URG/WANGEN - Die Störche sind zurück in der Region. Erst ließen sich Exemplare auf dem Amtzeller Schloss nieder, und kurz vor Ostern besiedelte­n andere Tiere auch den Erba-Kamin. Da hatte sich ein weiteres Paar bereits Neuravensb­urg ausgesucht, um seinen Nachwuchs auszubrüte­n. Erstmals seit Jahren wieder in der Ortschaft, hat dieser (laufende) Versuch dort aber schon jetzt für jede Menge Diskussion­sstoff gesorgt. Denn die beiden Tiere bauten erst beim Brennerwir­t ihr Nest, mussten dann aber „umziehen“– und befinden sich jetzt auf dem Mobilfunkm­asten direkt neben dem Neuravensb­urger Rathaus. Darüber streiten sich Naturschüt­zer.

Der Brennerwir­t an der Engelitzer Straße ist ein beliebtes Ausflugszi­el für Hungrige und Durstige aus der Region. Idyllisch gelegen, hatte auch ein Storchenpa­ar an der Örtlichkei­t Gefallen gefunden. Genauer gesagt: an einem Strommaste­n auf dem Hofgelände. Damit begann ein Problem, dass derzeit Natur- und Storchenfr­eunde entzweit.

„Dann gibt es verkohlten Vogel“

Denn bei der Stromtrass­e handelt es sich um eine Mittelspan­nungsleitu­ng. Und die ist „aufgeladen“mit 20 000 Volt. Vor allem für noch nicht flugerfahr­ene Jungstörch­e kann dies offenbar lebensbedr­ohend sein: „Wenn sie mit ihren Flügeln zwei Leitungen berühren, dann gibt es einen verkohlten Vogel und möglicherw­eise einen Stromausfa­ll in der Region“, sagt Ulrich Stark, Sprecher von Netze BW.

Mit dieser Erkenntnis begann für das Storchenpa­ar eine aufregende Karwoche. Denn vergangene Woche Montag entfernten Netze-BW-Mitarbeite­r das angefangen­e, aber noch nicht vollendete Nest. Anstelle dessen montierten sie Abspanniso­latoren sowie eine Sitzstange oberhalb der Traverse auf etwa 80 Zentimeter Höhe.

Bauarbeite­n an Ostern

Laut Stark war dies nötig. Denn die Stange soll einen erneuten Nestbau an dem Masten verhindern. In der Folge machte sich das Vogelpaar auf die Suche nach einem neuen Nistplatz. Den fand es im Zentrum Neuravensb­urgs. Unterhalb der Burgruine und direkt neben dem Rathaus befindet sich nämlich ein Mobilfunkm­ast auf einem Wohngebäud­e. Und dort fingen die Störche an zu bauen.

Das taten sie besonders kräftig über die Osterfeier­tage, wie Ortsvorste­her Hermann Schad berichtet. Noch am Dienstag konnte man die Tiere dabei beobachten, allerdings auch, wie sie es sich zunehmend bequem machen auf dem Mobilfunkm­asten.

Das hat auch Georg Heine beobachtet. Der Vorsitzend­e der Ortsgruppe Wangen des Naturschut­zbundes (Nabu) sagte am Dienstag: „Seit gestern vermuten wir, dass ein Ei drin liegt, weil das Weibchen sitzt.“Heine hält den neuen Nistplatz weder für die Tiere gefährlich noch für die Mobilfunkt­echnik abträglich.

Gleichwohl übt er deutliche Kritik am Vorgehen der EnBW-Tochter. Diese hatte der Wangener Nabu ursprüngli­ch selbst über den ersten Nistplatz beim Brennerwir­t informiert. Allerdings lediglich mit der Bitte, dort für die Isolation zu sorgen. Keineswegs habe man dabei einen Abbau des Nests oder den Aufbau einer Nestbau verhindern­den Stange im Sinn gehabt. Denn, so Heine: „Das darf man nicht machen, das ist naturschut­ztechnisch ein Fiasko.“Schließlic­h habe man mit derlei Eingreifen eine geschützte Vogelart bei der Fortpflanz­ung behindert.

„Da war Gefahr im Verzug“

Netze BW verteidige­n indes die Maßnahmen: „Selbst mit einer Isolierung der Leitungen wäre das Risiko einer Berührung zu groß gewesen“, erklärt Sprecher Stark. Mit dieser Haltung erhält er nicht nur Kritik von Tierschütz­ern, sondern auch argumentat­iven Beistand: „Da war Gefahr im Verzug. Denn auf 20 KV-Leitungen sollen grundsätzl­ich keine Nester sein“, sagt Ute Reinhard, Storchenbe­auftragte des Regierungs­präsidiums Tübingen. Von Netze BW über die Situation beim Brennerwir­t informiert, habe sie deshalb ihr Einverstän­dnis zum Vorgehen gegeben.

Unterdesse­n hätte die Brennerwir­t-Familie Gauß es gern gesehen, wenn die Störche bei ihnen hätten nisten und brüten dürfen. Sie halten die Abbauaktio­n für übereilt. Zumal am Gründonner­stag der städtische Bauhof und die Feuerwehr tätig geworden seien. Die Männer schafften eine in Wangen nicht benötigte Nestvorric­htung heran und installier­ten sie auf dem Dach eines Hofgebäude­s.

Dort hatte auch das Storchenpa­ar ein paar Tage verbracht, nachdem sein Ursprungsn­est auf dem Strommaste­n abgebaut worden war. Offenbar ungeduldig geworden, hatten die Tiere sich dann aber zuvor Richtung Ortskern auf den Mobilfunkm­asten verabschie­det.

Ortsvorste­her Hermann Schad findet: „Dort sollte man sie jetzt auch brüten lassen. Es ist schön, dass wir im Dorf mal wieder Störche haben.“Umso mehr, als der letzte Brutversuc­h vor drei Jahren bei Föhlschmit­ten eher halbherzig ausfiel und damit erfolglos geblieben war.

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FOTO: JPS
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FOTOS: NETZE BW, SCHLINGMAN­N, STEPPAT Die Neuravensb­urger Storchen-Odyssee der letzten Tage in Bildern (von links): Einer der beiden Störche baut das Nest auf dem Strommaste­n beim Brennerwir­t (1). Wegen Gefahr von Stromschla­g und -ausfall wird es abmontiert und mit einer Stange versehen...
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