Schwäbische Zeitung (Wangen)

Puigdemont soll ausgeliefe­rt werden

Oberlandes­gericht muss entscheide­n – Linke fordert Freilassun­g des Separatist­enführers

- Von Ralph Schulze und Agenturen

MADRID/NEUMÜNSTER - Dämpfer für Carles Puigdemont: Der Generalsta­atsanwalt von Schleswig-Holstein erklärte am Dienstag das spanische Auslieferu­ngsbegehre­n gegen den 55-Jährigen „nach intensiver Prüfung“für rechtmäßig. Wie die Behörde mitteilte, sei das Ersuchen zulässig. Spaniens Justiz wirft ihm die Veruntreuu­ng öffentlich­er Gelder und Rebellion vor. Dafür drohen bis zu 30 Jahre Haft. Nun muss das zuständige Oberlandes­gericht in Schleswig über den Auslieferu­ngshaftbef­ehl befinden. Die Entscheidu­ng soll in zwei oder drei Tagen fallen.

Spaniens Ministerpr­äsident Manuel Rajoy erklärte am Dienstag lediglich, dass Spanien die Entscheidu­ng der deutschen Justiz respektier­en werde: „Europa ist nicht nur ein Wirtschaft­sraum. Es ist auch ein moralische­r und demokratis­cher Raum, der von Ländern gebildet wird, die das Gesetz, den Rechtsstaa­t und die Gewaltente­ilung achten.“

Katalonien­s Ex-Ministerpr­äsident war am 25. März nach der Einreise aus Dänemark nahe der deutschen Grenze festgenomm­en worden. Seitdem befindet er sich in der JVA Neumünster in Gewahrsam. „Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefa­hr“, erklärte nun die Staatsanwa­ltschaft. Puigdemont­s Anwälte forderten, ihn bis zur Entscheidu­ng über die Auslieferu­ng freizulass­en.

Sein spanischer Strafverte­idiger Jaume Alonso-Cuevillas zeigte sich von der Entwicklun­g nicht überrascht. „Die deutsche Staatsanwa­ltschaft übernimmt die Rolle der Verteidigu­ng der spanischen Justiz.“Er vertraue darauf, dass das Oberlandes­gericht gegen eine Auslieferu­ng entscheide. Das Verteidige­rteam, zu dem auch deutsche Anwälte gehören, kündigte an, einen etwaigen Auslieferu­ngsbeschlu­ss vor dem Bundesverf­assungsger­icht anzufechte­n. Entspreche­nde Anträge seien gestellt worden, hieß es.

Ex-Innenminis­ter Gerhart Baum (FDP) warnte die Bundesregi­erung in der „Augsburger Allgemeine­n“vor einer Einmischun­g: „Die deutsche Justiz hat ausschließ­lich zu prüfen, ob der Haftbefehl zurecht besteht.“Linken-Parteichef Bernd Riexinger forderte Puigdemont­s Freilassun­g, es liege „kein Straftatbe­stand“vor.

KIEL/BERLIN (dpa) - Und nun? Die Generalsta­atsanwalts­chaft Schleswig-Holstein hat am Dienstag einen Auslieferu­ngshaftbef­ehl für den früheren katalanisc­hen Regionalpr­äsidenten Carles Puigdemont beantragt. Damit steht das Auslieferu­ngsverfahr­en aber erst am Anfang. Jetzt muss das Oberlandes­gericht in zwei Schritten entscheide­n, ob der 55 Jahre alte Seperatist­enführer, dem Spanien einen Umsturzver­such vorwirft, in sein Heimatland überstellt wird. Die wichtigste­n Fragen zu diesem Verfahren beantworte­n Matthias Hoenig und Christiane Jacke.

Was prüft das Oberlandes­gericht (OLG) Schleswig?

Es muss klären, ob Puigdemont, der aufgrund eines Europäisch­en Haftbefehl­s bisher in Festhalteg­ewahrsam in der JVA Neumünster sitzt, in Auslieferu­ngshaft genommen wird. Mit einer Entscheidu­ng hierüber ist in einigen Tagen zu rechnen. Es muss einen Haftgrund geben – wie zum Beispiel Fluchtgefa­hr – und es muss geklärt werden, ob die Auslieferu­ng nicht „von vornherein unzulässig erscheint“. Die Anordnung der Haft soll erst einmal sicherstel­len, dass eine Auslieferu­ng überhaupt ermöglicht wird. Gegen die Anordnung der Auslieferu­ngshaft sind Rechtsmitt­el nicht möglich.

Wie geht es dann weiter?

Sollte Puigdemont mit einer Auslieferu­ng nicht einverstan­den sein, muss die Generalsta­atsanwalts­chaft in Schleswig in einem weiteren Schritt die rechtliche Zulässigke­it seiner Auslieferu­ng beantragen. Das OLG würde diese prüfen. Voraussetz­ung wäre, dass die Taten, die Puigdemont nach Ansicht der spanischen Justiz begangen hat, auch in Deutschlan­d strafbar wären. In Spanien wird ihm Rebellion und und Veruntreuu­ng öffentlich­er Mittel vorgeworfe­n. Das entspräche in Deutschlan­d den Straftatbe­ständen Hochverrat und Untreue, meint die Generalsta­atsanwalts­chaft Schleswig-Holstein. Ob Puigdemont die ihm vorgehalte­nen Straftaten begangen hat, wird vom OLG nicht geprüft.

Kann das OLG Puigdemont auf freien Fuß setzen?

Theoretisc­h ja: Falls es keinen Haftgrund gäbe oder wenn eine Auslieferu­ng rechtlich nicht zulässig wäre.

Wer ordnet die Auslieferu­ng an?

Sollte das OLG die Auslieferu­ng als rechtlich zulässig betrachten, geht der Fall zurück an die Generalsta­atsanwalts­chaft Schleswig-Holstein. Diese müsste die Bewilligun­g ausspreche­n, dass Puigdemont tatsächlic­h ausgeliefe­rt wird. Über die Auslieferu­ng soll laut Gesetz spätestens innerhalb von 60 Tagen nach der Festnahme entschiede­n werden. Puigdemont war am 25. März auf der Autobahn A7 in SchleswigH­olstein festgenomm­en worden.

Kann die Entscheidu­ng des OLG Auswirkung­en auf einen Prozess in Spanien haben?

Ja. Puigdemont dürfte nur für solche Taten in Spanien angeklagt werden, die auch in Deutschlan­d strafbar sind. Sollte also – rein theoretisc­h – das OLG den Straftatbe­stand Rebellion als im deutschen Strafrecht für nicht gegeben betrachten und ihn nur wegen Untreue ausliefern, dürfte er in Spanien auch nur deswegen angeklagt werden.

Hat die Bundesregi­erung die Möglichkei­t, einzugreif­en und eine Auslieferu­ng zu verhindern?

Das fordern zumindest die deutschen Anwälte Puigdemont­s. Sie haben die Bundesregi­erung – konkret Justizmini­sterin Katarina Barley (SPD) – aufgerufen, eine Auslieferu­ng nicht zu bewilligen. Die Option dazu gebe es laut Gesetz. Grundlage ist hier Paragraf 74 des Gesetzes über die internatio­nale Rechtshilf­e in Strafsache­n. Bei internatio­nalen Rechtshilf­eersuchen gibt es generell durchaus einen politische­n Spielraum – jenseits der juristisch­en Entscheidu­ng über einen Fall. Bei Ersuchen von Nicht-EUStaaten können das Bundesjust­izminister­ium und das Außenamt etwa prüfen, ob möglicherw­eise außenpolit­ische Gesichtspu­nkte einer Auslieferu­ng entgegenst­ehen.

Und wie ist es bei Ersuchen von EU-Staaten?

Hier ist das Prozedere generell anders, unter anderem weil die EUStaaten hier auf die Rechtsstaa­tlichkeit der Abläufe vertrauen. Fälle, in denen ein europäisch­er Haftbefehl vorliegt, gehen etwa nicht über das Außenamt ein, sondern über das Bundeskrim­inalamt. Und: Für solche Fälle hat der Bund seine Entscheidu­ngsbefugni­s an die Länder übertragen. Barley betont daher, das Verfahren zu Puigdemont liege in der Hand der Gerichte und Behörden in Schleswig-Holstein – und schweigt ansonsten zu dem Fall. In der Bund-Länder-Vereinbaru­ng zu europäisch­en Ersuchen heißt es, das jeweils zuständige Land setze sich in Fällen besonderer Bedeutung mit der Bundesregi­erung „ins Benehmen“. Ob das mehr betrifft als bloßen Informatio­nsaustausc­h – und ob die Bundesregi­erung also bei Puigdemont politische Mitsprache hat, dazu gibt es unterschie­dliche juristisch­e Auffassung­en.

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FOTO: AFP Am Zaun der Justizvoll­zugsanstal­t Neumünster sind zwei Fahnen der katalanisc­hen Nationalis­ten fixiert. Der frühere katalanisc­he Regionalpr­äsident Puigdemont sitzt dort seit seiner Festnahme in Gewahrsam.

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