Saudi-Arabiens Kehrtwende
Kronprinz spricht Israel Recht auf eigenen Staat zu
WASHINGTON (AFP) - Der saudiarabische Kronprinz Mohammed bin Salman hat in einem überraschenden Schritt den Israelis erstmals das Recht auf einen eigenen Staat zugesprochen. Er sei der Überzeugung, dass „die Palästinenser und die Israelis das Recht auf ihr eigenes Land haben“, sagte Kronprinz dem US-Magazin „The Atlantic“. Notwendig sei ein Friedensabkommen, „um Stabilität für alle zu sichern und normale Beziehungen zu haben“.
Bis heute unterhalten das erzkonservative Königreich Saudi-Arabien und Israel keine diplomatischen Beziehungen. Hinter den Kulissen hat sich das Verhältnis zwischen den beiden Staaten in den vergangenen Jahren jedoch gebessert. Bin Salman sagte, er habe keine „religiösen Vorbehalte“dagegen, dass Israelis und Palästinenser Seite an Seite lebten, solange die wichtigste muslimische Stätte in Jerusalem, die Al-Aksa-Moschee, geschützt werde.
Dass Saudi-Arabien und Israel an einem Strang ziehen, ist kein Geheimnis mehr. „Wir geben den Saudis, was sie brauchen. Dabei müssen wir aber durch die Hintertür kommen und gehen“, hatte ein hoher israelischer Geheimdienstoffizier vor einiger Zeit die Beziehungen zwischen Riad und Jerusalem beschrieben. Am Montag nun erklärte der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman in einem Gespräch mit dem US-Magazin „The Atlantic“, dass er ganz normale diplomatische Beziehungen mit Israel anstrebe.
Auch Israel habe das Recht auf ein eigenes Land, betonte der 32-Jährige. Der jüdische Staat sei eine große und wachsende Wirtschaftsmacht, mit der man einmal viele Interessen teilen könne. Um die Stabilität in der Region zu gewährleisten und normale Beziehungen zu entwickeln, fügte der Königssohn einschränkend hinzu, bedürfe es aber eines Friedensabkommens zwischen Israelis und Palästinensern, welches in absehbarer Zeit bekanntlich nicht in Sicht ist.
Den Kurs der gegenseitigen Annäherung wollen Riad und Jerusalem dennoch fortsetzen. Schließlich geht es um weit mehr als „nur“den Frieden im Heiligen Land. Der gemeinsame Feind Iran muss in Schach gehalten werden. Angesichts des Vormachtstrebens der islamischen Republik im gesamten Nahen Osten hatten SaudiArabien und Israel bereits vor einem Jahr eine „strategische Kooperation“vereinbart.
Man sei bereit, „viele Interessen“miteinander zu teilen, hatte der israelische Generalstabschef Gadi Eizenkot im November 2017 erklärt. Nur so könne verhindert werden, dass Iran die „Kontrolle vom Persischen Golf bis zum Roten Meer“übernehme. Mit einer „Politik der Beschwichtigung“könne Revolutionsführer Ali Khamenei, den Mohammed bin Salman in einem CBS-Interview sogar mit Adolf Hitler verglich, nicht gestoppt werden.
Zum Hass erzogen
Dass Saudi-Arabien und Israel einmal Partner oder gar Freunde werden würden, wäre noch vor zehn Jahren unvorstellbar gewesen. Nüchtern betrachtet sind sich beide Staaten auch heute noch total fremd. Vor einem halben Jahr hatte die Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“nach der Durchsicht von 45 Schulbüchern darauf hingewiesen, dass saudische Schüler noch immer zum Hass gegen Juden und Christen erzogen werden, dass eine nach den Anschlägen des 11. September angekündigte Bildungsreform noch nicht umgesetzt sei. Erstklässlern würde beigebracht, Angehörige anderer Religionen zu hassen und Gymnasiasten vermittelt, „dass der Tag der Auferstehung nicht anbrechen werde, bevor die Muslime nicht alle Juden getötet hätten“.
Dass Israel die Hasstiraden ignoriert oder, für den Moment, darüber hinwegsieht, ist erstaunlich. Offensichtlich ist die Furcht vor Iran größer als die nach wie vor bestehenden ideologischen und religiösen Differenzen mit Saudi-Arabien.
Als Mohammed bin Salman im Interview mit „The Atlantic“auf den Wahabismus, die rigide menschenverachtende Staatsreligion in SaudiArabien, angesprochen wurde, reagierte er ausweichend. Allerdings werde es sein Land künftig unterlassen, den Wahabismus zu exportieren, deutete der saudische Thronfolger an.