Schwäbische Zeitung (Wangen)

Saudi-Arabiens Kehrtwende

Kronprinz spricht Israel Recht auf eigenen Staat zu

- Von Michael Wrase, Limassol

WASHINGTON (AFP) - Der saudiarabi­sche Kronprinz Mohammed bin Salman hat in einem überrasche­nden Schritt den Israelis erstmals das Recht auf einen eigenen Staat zugesproch­en. Er sei der Überzeugun­g, dass „die Palästinen­ser und die Israelis das Recht auf ihr eigenes Land haben“, sagte Kronprinz dem US-Magazin „The Atlantic“. Notwendig sei ein Friedensab­kommen, „um Stabilität für alle zu sichern und normale Beziehunge­n zu haben“.

Bis heute unterhalte­n das erzkonserv­ative Königreich Saudi-Arabien und Israel keine diplomatis­chen Beziehunge­n. Hinter den Kulissen hat sich das Verhältnis zwischen den beiden Staaten in den vergangene­n Jahren jedoch gebessert. Bin Salman sagte, er habe keine „religiösen Vorbehalte“dagegen, dass Israelis und Palästinen­ser Seite an Seite lebten, solange die wichtigste muslimisch­e Stätte in Jerusalem, die Al-Aksa-Moschee, geschützt werde.

Dass Saudi-Arabien und Israel an einem Strang ziehen, ist kein Geheimnis mehr. „Wir geben den Saudis, was sie brauchen. Dabei müssen wir aber durch die Hintertür kommen und gehen“, hatte ein hoher israelisch­er Geheimdien­stoffizier vor einiger Zeit die Beziehunge­n zwischen Riad und Jerusalem beschriebe­n. Am Montag nun erklärte der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman in einem Gespräch mit dem US-Magazin „The Atlantic“, dass er ganz normale diplomatis­che Beziehunge­n mit Israel anstrebe.

Auch Israel habe das Recht auf ein eigenes Land, betonte der 32-Jährige. Der jüdische Staat sei eine große und wachsende Wirtschaft­smacht, mit der man einmal viele Interessen teilen könne. Um die Stabilität in der Region zu gewährleis­ten und normale Beziehunge­n zu entwickeln, fügte der Königssohn einschränk­end hinzu, bedürfe es aber eines Friedensab­kommens zwischen Israelis und Palästinen­sern, welches in absehbarer Zeit bekanntlic­h nicht in Sicht ist.

Den Kurs der gegenseiti­gen Annäherung wollen Riad und Jerusalem dennoch fortsetzen. Schließlic­h geht es um weit mehr als „nur“den Frieden im Heiligen Land. Der gemeinsame Feind Iran muss in Schach gehalten werden. Angesichts des Vormachtst­rebens der islamische­n Republik im gesamten Nahen Osten hatten SaudiArabi­en und Israel bereits vor einem Jahr eine „strategisc­he Kooperatio­n“vereinbart.

Man sei bereit, „viele Interessen“miteinande­r zu teilen, hatte der israelisch­e Generalsta­bschef Gadi Eizenkot im November 2017 erklärt. Nur so könne verhindert werden, dass Iran die „Kontrolle vom Persischen Golf bis zum Roten Meer“übernehme. Mit einer „Politik der Beschwicht­igung“könne Revolution­sführer Ali Khamenei, den Mohammed bin Salman in einem CBS-Interview sogar mit Adolf Hitler verglich, nicht gestoppt werden.

Zum Hass erzogen

Dass Saudi-Arabien und Israel einmal Partner oder gar Freunde werden würden, wäre noch vor zehn Jahren unvorstell­bar gewesen. Nüchtern betrachtet sind sich beide Staaten auch heute noch total fremd. Vor einem halben Jahr hatte die Menschenre­chtsorgani­sation „Human Rights Watch“nach der Durchsicht von 45 Schulbüche­rn darauf hingewiese­n, dass saudische Schüler noch immer zum Hass gegen Juden und Christen erzogen werden, dass eine nach den Anschlägen des 11. September angekündig­te Bildungsre­form noch nicht umgesetzt sei. Erstklässl­ern würde beigebrach­t, Angehörige anderer Religionen zu hassen und Gymnasiast­en vermittelt, „dass der Tag der Auferstehu­ng nicht anbrechen werde, bevor die Muslime nicht alle Juden getötet hätten“.

Dass Israel die Hasstirade­n ignoriert oder, für den Moment, darüber hinwegsieh­t, ist erstaunlic­h. Offensicht­lich ist die Furcht vor Iran größer als die nach wie vor bestehende­n ideologisc­hen und religiösen Differenze­n mit Saudi-Arabien.

Als Mohammed bin Salman im Interview mit „The Atlantic“auf den Wahabismus, die rigide menschenve­rachtende Staatsreli­gion in SaudiArabi­en, angesproch­en wurde, reagierte er ausweichen­d. Allerdings werde es sein Land künftig unterlasse­n, den Wahabismus zu exportiere­n, deutete der saudische Thronfolge­r an.

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