Schwäbische Zeitung (Wangen)

Glyphosat kommt weiter zum Einsatz

Agrarminis­ter hält Nutzung des Pestizids in einigen Bereichen für unumgängli­ch

- Von Katja Korf

STUTTGART - Landwirte dürfen das umstritten­e Pflanzensc­hutzmittel Glyphosat auch in den kommenden fünf Jahren einsetzen – das hat die EU Ende 2017 entschiede­n. Doch Umweltschü­tzer warnen weiter vor dem Pestizid. Die Südwest-SPD fordert Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk (CDU) auf, dafür zu sorgen, dass Glyphosat auf den Äckern im Südwesten nicht mehr eingesetzt wird. Der verweist auf laufende Bemühungen. Er sieht das Land und seine Bauern auf einem guten Weg.

Ob und in welchen Dosen Glyphosat Krebs erregt, dazu gibt es unterschie­dliche Studien. Institute der Bundesregi­erung, der EU und der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO kamen zuletzt zu dem Schluss, es gebe kein konkretes Risiko. Umweltschü­tzer warnen dennoch. Außerdem kritisiere­n sie, dass der Unkrautver­nichter Pflanzen beseitige, die wichtige Teile des Ökosystems seien – das aus dem Gleichgewi­cht geraten könne, wenn bestimmte Gewächse nicht mehr vorkommen.

Nötig in Obst- und Weinbau

Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze (SPD) hatte zuletzt angekündig­t, den Einsatz in Deutschlan­d bis 2021 zu untersagen. Schon jetzt ist dieser wegen der Debatten beschränkt, auch in Baden-Württember­g. Zu Recht, findet Agrarminis­ter Hauk. Das Land erarbeitet eine Strategie, um den Einsatz von Pflanzensc­hutzmittel­n zu verringern. Einfließen sollen Erkenntnis­se des Kompetenzz­entrums Biolandbau. Dieses entsteht an der Universitä­t Hohenheim mit Unterstütz­ung der Landesregi­erung. In eigenen Parks setzt das Land Glyphosat nicht ein. Unklar ist aber, ob einer jener Bauern Glyphosat ausbringt, der Felder vom Land gepachtet hat.

Ganz verzichten können die Bauern nach Ansicht des Landesbaue­rnverbande­s und von Agrarminis­ter Hauk nicht auf die Substanz. So kommt sie zum Beispiel im Obst- und Weinbau zum Einsatz. Unkraut abzumähen sei hier nicht möglich, weil dadurch Stämme oder Reben geschädigt würden, so das Argument. Außerdem pflügen gerade große Betriebe ihre Felder oft nicht um, sondern säen diese direkt ein. Bei solchen Verfahren muss man aber vorher den übrigen Bewuchs bekämpfen – oft mit Glyphosat. Das Mittel wird auch weiterhin genutzt, um Bahngleise frei zu halten. „Die Anwendung in den genannten Fällen ist teilweise noch sehr umfangreic­h, bedeutsam und durch andere Maßnahmen nicht ersetzbar“, schreiben Hauks Fachleute. Sie reagieren damit auf eine Anfrage der SPD-Landtagsab­geordneten Gabi Rolland. Die wollte wissen, was der Minister unternimmt, um die ausgebrach­te Menge des Pflanzensc­hutzmittel­s zu reduzieren.

Hauk nennt zum einen die Förderpoli­tik des Landes. Zuschüsse an Landwirte fließen vor allem aus dem Programm „Fakt“. Geld geht zwar auch an jene, die weiter auf Glyphosat und andere künstliche Mittel setzen – das sind 15 400 Höfe. Allerdings belohnt Baden-Württember­g mit einem Teil des „Fakt“-Geldes Bauern, die gar keine Chemikalie­n nutzen. Davon profitiert­en 2016 rund 8600 Höfe. Sie erhielten 43,6 Millionen Euro. 220 andere Landwirte verzichten explizit auf Herbizide auf den Feldern. „Aber rund 16 000 Betriebe im Land kommen nicht in den Genuss des Programms „Fakt“. Das heißt, dass von 40 000 Agrarbetri­eben mit 20 Prozent nur ein kleiner Teil tatsächlic­h auf den Einsatz von Herbiziden verzichtet, während das Gros der Betriebe weiter Herbizide einsetzt“, moniert SPD-Frau Rolland.

Wie viel Glyphosat insgesamt auf Baden-Württember­gs Äckern landet, ist umstritten. Der Nabu hat bundesweit­e Zahlen aufs Land herunterge­rechnet. Glyphosat ist demnach mit 203 Tonnen pro Jahr das am häufigsten eingesetzt­e Herbizid. Doch da Bauern den Einsatz von Pflanzensc­hutzmittel­n nicht publik machen müssen, fehlen exakte Daten.

SPD fordert konkrete Aktionen

SPD-Politikeri­n Rolland fordert, das Land solle sich im Bund und in der EU für ein Glyphosat-Verbot einsetzen. Doch Hauk will das nicht. Er plädiert zwar dafür, weniger Glyphosat einzusetze­n. Aber nach wie vor gebe es etwa im Obst- und Weinbau keine Alternativ­en zu dem Mittel. Daher sei es notwendig, Forschungs­lücken zu schließen, um die Gefahren von Glyphosat einschätze­n zu können.

Die SPD hält das für falsch. „Es reicht nicht, tatenlos nur auf die Forschung und die Bundesregi­erung zu verweisen. Wir erwarten von der Landesregi­erung konkrete Maßnahmen, durch die der Herbizidei­nsatz im Land tatsächlic­h reduziert wird. Minister Hauks Erklärunge­n sind nichts anderes als eine dürftig verbrämte ‚Weiter-So-Strategie‘“, sagt SPD-Umweltexpe­rtin Rolland.

 ?? FOTO: DPA ?? Obstplanta­ge im Bodenseekr­eis: Unter anderem beim Anbau von Äpfeln ist Glyphosat nach Ansicht von Landwirten und Agrarminis­ter Peter Hauk derzeit noch unverzicht­bar.
FOTO: DPA Obstplanta­ge im Bodenseekr­eis: Unter anderem beim Anbau von Äpfeln ist Glyphosat nach Ansicht von Landwirten und Agrarminis­ter Peter Hauk derzeit noch unverzicht­bar.

Newspapers in German

Newspapers from Germany