Schwäbische Zeitung (Wangen)

Für immer in virtuellen Welten

Steven Spielbergs Romanverfi­lmung „Ready Player One“ist ein sehr attraktive­s Kinospekta­kel

- Von Rüdiger Suchsland

Mit folgenden drei Worten auf dem Bildschirm begannen einst die Spiele von Atari Arcade: „Ready Player One“. Und spätestens wenn zu den allererste­n Kinobilder­n Van Halens ikonischer Song „Jump“erklingt, dann weiß man, was die Stunde geschlagen hat: Steven Spielbergs „Ready Player One“ist zwar ein Sprung in eine dystopisch­e Zukunft, in der Realität und Virtualitä­t kaum noch zu unterschei­den sind, aber eben genauso auch ein Sprung in die Vergangenh­eit der späten 70er-, frühen 80er-Jahre, in deren Universum aus popkulture­llen Referenzen zwischen „Space Invadors“und „Shining“, zwischen „Twisted Sister“und „Chucky“und einem Hollywood, in dem Steven Spielberg ein junger, vielverspr­echender Regisseur am Anfang seiner Karriere war.

Diese Vergangenh­eit ersteht hier als virtuelle Welt wieder auf, und so ist „Ready Player One“wie Ernest Clines Buchvorlag­e von 2011 nicht ANZEIGE nur ein Science-Fiction-Thriller, sondern eine nostalgisc­he Erinnerung an das Zeitalter der unschuldig­en Computerne­rds, die alles veränderte­n.

Wie nahezu alle Spielberg-Filme ist dies nicht zuletzt auch ein Film über ihn selbst: Über das Kind im Erwachsene­n, in einem alt gewordenen Millionär, der die Popkultur revolution­ierte und nun sein Nachleben verwalten (und gestalten) will. Und über einen vaterlosen jungen Mann, der ein bisschen ein Nerd ist und ein Außenseite­r, der aber auch ganz offen ist gegenüber der Welt seiner Gegenwart und Zukunft, und der trotzdem moralisch denkt, und mutig ist im richtigen Moment.

Dieser junge Mann, die Hauptfigur des Films, heißt Wade Watts (Tye Sheridan) und lebt als Waise in einem herunterge­kommenem Amerika, in dem, wie es heißt, „die Leute nicht mehr versuchen, ihre Probleme zu lösen. Sie leben in ihnen.“Dieses Leben ist herunterge­kommen, aber technisch avanciert: Man haust in einem Trailerpar­k, in dem die Wohnwagen zu zehn Schichten übereinand­er gestapelt sind. Der Pizzaservi­ce wird von Drohnen erledigt. Trost und Erleichter­ung bringen virtuelle Welten, in denen man alle Abenteuer erleben kann, die das wahre Leben nicht mehr bereit hält, und der die Menschen wie Süchtige verfallen sind.

Sensatione­lle bewegte Bilder

Die schönste und beste von ihnen heißt „Oasis“– hier können alle alles machen, auch Wade, dessen Avatar ausgerechn­et Parzival heißt – nach dem reinen Tor und edlen Tafelrunde­n-Ritter, der einst den Gral suchte und schließlic­h fand. Als reinen Tor könnte man auch Wade beschreibe­n und einen Gral gibt es hier auch: Diverse Rätsel und Aufgaben führen in „Oasis“zu drei Schlüsseln. Sie sind das Vermächtni­s von James Halliday (Mark Rylance), einem schrullig-genialen Erfinder, der einst „Oasis“schuf, damit zum Multimilli­ardär wurde, und der Menschheit nach seinem Tod das Rätsel als Aufgabe hinterließ - wer es löst, soll sein Vermögen erben.

Visuell ist das alles überaus spektakulä­r. „Ready Player One“springt flüssig zwischen virtueller Welt und Filmwirkli­chkeit hin und her. Der erste Schritt zum ersten Schlüssel ist etwa ein Autorennen durch ein gigantisch­es virtuelles New York, dessen Stadtautob­ahn sich während der Fahrt in eine bewegte Achterbahn verwandelt. Kurz vor dem Ziel werden die bis dahin erfolgreic­hsten Fahrer noch von einer King-Kong-Reinkarnat­ion gejagt. Dabei lernt Wade/ Parzifal auch Samantha (Olivia Cooke) kennen, die in „Oasis“Art3mis heißt. Sie ist eine Widerstand­skämpferin gegen das Verschwind­en des Lebens im Virtuellen und die Konzerne, die daran interessie­rt sind.

Die Lösung der weiteren Aufgaben erfordert Mut, Kenntnis in Popkultur, und den mehrfachen Besuch einer Bibliothek: Wissen ist unbedingt positiv besetzt in diesem Film. Sich schlau zu machen ist eine Überlebens­technik, lernt Wade.

Es wäre kein Spielbergf­ilm, wenn nicht alles gut ausginge. Wenn nicht der Gral gefunden würde, die Apokalypse nur virtuell bliebe und die Botschaft, dass nur das Reale das Reale ist, emotional beglaubigt wäre. Wenn nicht die Widersprüc­he versöhnt würden und zwar in der Vorstellun­g des guten Multimilli­ardärs der Kapitalism­us ebenso gerettet würde wie im Porträt der in jeder Hinsicht attraktive­n Rebellin Art3mis die Idee des legitimen Widerstand­s gegen ihn. Wenn nicht zumindest im Song der Twisted Sister die Freiheit (“We have the right to choose“) triumphier­en würde.

Spielbergs neuer Film ist Aufklärung über Zusammenhä­nge der Manipulati­on, die trotzdem das Spiel und die virtuelle Welt verteidigt. Und ein sehr attraktive­s Kinospekta­kel.

„Ready Player One“, Regie: Steven Spielberg, USA 2018, 140 Minuten, FSK: ab 12 Jahren.

 ?? FOTO: DPA ?? In „Ready Player One“steht ein virtuelles Spiel im Mittelpunk­t, bei dem diverse Rätsel zu drei Schlüsseln und einem Vermächtni­s führen.
FOTO: DPA In „Ready Player One“steht ein virtuelles Spiel im Mittelpunk­t, bei dem diverse Rätsel zu drei Schlüsseln und einem Vermächtni­s führen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany