Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Orientieru­ng geht verloren“

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Zum Bericht „Ein Weißbuch – vor allem über Wangen“(SZ, 20. März):

„OB Dr. Leist und Stadtbaume­ister Weiss stehen für eine Ära gepflegter Baukultur, von der Wangen nachhaltig profitiert. Die Rückschau des „Weißbuchs“ist ein guter Anlass, sich zu fragen, wie es heute um die Baukultur in Wangen bestellt ist.

Manches wird liberaler gehandhabt, aber was ist in den letzten Jahren neues entstanden, was überregion­al von sich reden machen könnte und mehr als nur durchschni­ttlich wäre? Man gewinnt vielmehr den Eindruck, dass Baugesuche genehmigt werden, die durch eine maximale Ausnutzung des Grundstück­s, unproporti­onierte Volumina und unzureiche­nde Grenzabstä­nde auffallen – nicht zu reden von der katastroph­alen Verbauung wichtiger Blickbezüg­e.

Falsch verstanden­e Vorstellun­gen von Dichte bei der Entwicklun­g wertvollst­er Lagen sind ebenso fragwürdig, wie die investoren­freundlich­e Anpassung von gültigen Bebauungsp­länen. Dass nun sogar das größte Ensemble bemerkensw­erter und preisgekrö­nter Nachkriegs­architektu­r mit dem Neubau am Seniorenze­ntrum Sankt Vinzenz zerstört ist, wird zu einem unrühmlich­en Kapitel in der Wangener Baugeschic­hte.

Baukulture­lle Orientieru­ng geht verloren, wenn die Kompetenz an entscheide­nder Stelle fehlt, das Thema von der Agenda der Gemeindepa­rlamente verschwind­et und nicht einmal mehr die Ausschüsse aktiv sind. In vielen Städten werden Gestaltung­sbeiräte von außerhalb geholt, um mit Verwaltung, Gemeindera­t und Bauherren über kritische Bauvorhabe­n zu sprechen. Sie geben konkrete Hinweise wie aus einem Projekt qualitätvo­lle Architektu­r werden kann und objektivie­ren die Diskussion, auch im Umgang mit mächtigen Investoren, und entlasten damit auch die Verwaltung.

Das Problem ist in Wangen erkannt, allein man ist sich wohl nicht einig, wie dem zu begegnen sei. Die Wiederbese­tzung der Stelle des Stadtbaume­isters wäre ein erster Schritt. Eine Instanz mit Planungser­fahrung, die, auf Augenhöhe mit Architekte­n und Bauherren, Hilfestell­ung zu qualitätvo­llem und nachhaltig­em Bauen geben kann und nicht nur planungsre­chtlich, sondern vor allem inhaltlich argumentie­ren kann, wäre ein großer Gewinn für die Baukultur und die künftigen Herausford­erungen.“

Christine Rupp-Stoppel, Wangen

Freising/

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