Bamberski sieht Selbstjustiz bestätigt
Fall Kalinka: Vater ist froh über die Entscheidung des Menschengerichtshofs
STRASSBURG/LINDAU(dpa) - André Bamberski sieht sich in seiner Selbstjustiz bestätigt, nachdem der Menschengerichtshof die Gefängnisstrafe gegen den Lindauer Arzt Dieter Krombach bestätigt hat. Der Vater von Kalinka sagte nach dem Urteil zur Deutschen Presse-Agentur: „Heute bin ich zufrieden.“
Dass Krombach im Gefängnis sitzt, liegt an einem spektakulären Fall von Selbstjustiz. Bamberski ließ den Arzt im Jahr 2009 aus Scheidegg nach Frankreich verschleppen. Komplizen luden ihn gefesselt, geknebelt und verletzt im elsässischen Mulhouse ab. Dort wurde er festgenommen, denn in Frankreich ermittelten die Behörden weiter gegen ihn.
Für Kalinkas leiblichen Vater ist es eine späte Genugtuung, dass Krombach nun im Gefängnis bleibt. Über viele Jahre sei er psychisch aufgewühlt gewesen, sagte der 80-Jährige zur dpa. Die Straßburger Richter hätten sich viel zu viel Zeit mit ihrer Entscheidung gelassen.
Bamberski rechtfertigt die Entführung bis heute
Krombachs Klage war bereits 2014 in Straßburg eingegangen. Er sah durch seine Verurteilung in Frankreich sein Recht verletzt, wegen derselben Strafsache nicht zweimal vor Gericht gestellt zu werden. Dieser Argumentation folgten die Straßburger Richter aber nicht. Deutschland und Frankreich hätten unabhängig voneinander gegen ihn ermittelt, sagten die Richter. Das sei durch den entsprechenden Artikel in einem Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht verboten. Kalinkas Vater hat fast sein halbes Leben lang dafür gekämpft, dass Krombach bestraft wird — mit allen Mitteln. Für die Entführung wurde er zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. Der 80-Jährige steht aber bis heute zu der Aktion: „Alle juristischen Verfahren waren blockiert“, sagte er. „Ich konnte sonst überhaupt nichts mehr machen.“
Knapp 36 Jahre ist es her, dass Kalinka unter mysteriösen Umständen starb. Die 14-jährige Französin wurde tot im Haus ihres Stiefvaters in Lindau gefunden. Wie berichtet, wies der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am Donnerstag eine Klage des heute 82 Jahre alten Stiefvaters der Toten gegen seine Verurteilung in Frankreich zurück. Damit bleibt der Lindauer in französischer Haft.
Der Entscheidung war ein jahrzehntelanges deutsch-französisches Justizdrama vorausgegangen. Nach Kalinkas Tod 1982 gab es zunächst keinen Schuldigen, der dingfest gemacht wurde. Bei der Obduktion ihrer Leiche wurden Genitalverletzungen festgestellt. Außerdem wies Kalinkas Körper Injektionsspuren auf. Aber die deutsche Justiz stellte ihre Ermittlungen gegen den Stiefvater aus Mangel an Beweisen bald ein. Krombach blieb auf freiem Fuß.
2011 wurde er nach der Entführung von einem Pariser Gericht wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu 15 Jahren Haft verurteilt. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der Arzt seine Stieftochter vergewaltigen wollte und ihr Beruhigungsmittel sowie eine tödliche Spritze verabreichte. Krombach selbst hatte immer seine Unschuld beteuert.
Gegen ihn sprach in den Augen der Richter allerdings auch eine Verurteilung wegen einer anderen Sexualstraftat: Ein Gericht in Kempten hatte 1997 zwei Jahre Haft auf Bewährung gegen den Mediziner verhängt, weil er in seiner Praxis eine 16-Jährige mit Schlafmitteln ruhig gestellt und vergewaltigt hatte – sein Sperma überführte ihn.