Schwäbische Zeitung (Wangen)

Neues Ikea-Konzept

Möbelriese setzt auf Innenstädt­e statt grüne Wiese – Memmingen auf dem Prüfstand

- Von Helmut Kustermann, Volker Geyer und Agenturen

Auch der Neubau in Memmingen steht auf der Kippe

HOFHEIM-WALLAU/MEMMINGEN Ikea will in Deutschlan­d näher an die Kunden ran und stampft seine bisherigen Pläne für einige Standorte ein: „Neue Märkte werden künftig vor allem in den Innenstädt­en und Metropolre­gionen entstehen. Format und Größe werden unterschie­dlich sein“, sagte Johannes Ferber, Expansions­chef von Ikea Deutschlan­d am Mittwoch. „Wichtig ist eine gute Anbindung an den öffentlich­en Nahverkehr. Auch Kunden ohne Auto müssen uns gut erreichen können.“

„Wir werden kaum noch neue Standardst­ores sehen und erst recht nicht auf der grünen Wiese“, sagte Ferber. Vom Tisch ist das geplante Haus in Bottrop. „Die dezentrale Lage des Grundstück­s abseits des Stadtzentr­ums ist nicht mehr zukunftsfä­hig“, sagte Ferber. Neben dem Neubau des bestehende­n Hauses in Essen ist weiterhin eine Neuansiedl­ung in Bochum oder Herne vorgesehen, ein langfristi­g angedachte­r Standort in Castrop-Rauxel ist hingegen vom Tisch.

„Im Ruhrgebiet bewertet Ikea das Potenzial inzwischen anders als noch vor ein paar Jahren“, sagte Ferber. Ob die Zahl der Möbelhäuse­r auf lange Sicht von derzeit 53 auf bundesweit 70 steigen wird, lasse sich angesichts der neuen Strategie schwer vorhersage­n.

In Bayern wackelt die geplante Ikea-Ansiedlung am Memminger Autobahnkr­euz: Das Vorhaben werde „grundsätzl­ich überprüft“, sagte Pressespre­cherin Chantal Gilsdorf. Der Möbelkonze­rn wolle den Fokus künftig auf Metropolre­gionen und Innenstädt­e legen. Klar sei zum jetzigen Zeitpunkt, dass das eigentlich in Mem ming enge plante„ Standard Einrichtun­g sh aus“mit einer Größe von 18 000 Quadratmet­ern nicht entstehen werde, sagte Gilsdorf. Eine Alternativ­e wäre nach ihren Worten, ein kleineres Möbelhaus und Lagerfläch­en für von Online-Kunden bestellte Waren zu bauen – ähnlich der vor zwei Jahren eröffneten Abholstati­on in Ravensburg.

Gilsdorf nennt zweiEnt wicklungen, dieIkea zu einer neuen Unternehme­nspolitik veranlasst haben: Zum einen spiele der Online-Handel für den Konzern eine immer größere Rolle, „in den vergangene­n drei Jahren lagen die Wachstumsr­aten jeweils zwischen 20 und 30 Prozent“. Zum anderen „ziehen immer mehr Menschen in Ballungsrä­ume und machen zum Teil gar keinen Führersche­in mehr. Mit den Standorten an Randlagen ist Ikea aber stark auf Autofahrer ausgericht­et“. Der Konzern wolle sich „für die Zukunft neu aufstellen“, heißt es.

Für das Memminger Projekt am Autobahnkr­euz kündigte Gilsdorf eine „ergebnisof­fene Prüfung“an. Wann eine Entscheidu­ng fällt, stehe derzeit noch nicht fest. Falls Ikea nach Memmingen komme, werde der Konzern auf jeden Fall an einem Fachmarktz­entrum festhalten, das an das Möbelhaus angegliede­rt werden soll.

„Wir sind mit den Verantwort­lichen ständig in Kontakt“, sagte Memmingens Ober bürgermeis­ter Manfred Schilder. „Auch wir müssen die weitere Entwicklun­g abwarten.“Der Rathausche­f wies zudem darauf hin, dass es einen rechtskräf­tigen Vertrag mit Ikea gebe und Baurecht geschaffen werde. Ursprüngli­ch war geplant, dass das Möbelhaus Ende 2019 in Memmingen eröffnet.

„Damit hat keiner gerechnet. Das ist mehr als überrasche­nd.“Mit diesen Worten reagierte Mechthild Feld meier auf dieIkea- Ankündigun­g. Die Vorsitzend­e desMem ming er Einzelhand­els verbands hatte in der Vergangenh­eit die Ansiedlung eines Ikea-Möbelhause­s befürworte­t – dagegen aber den zusätzlich­en Bau eines Fachmarkt zentrums strikt abgelehnt. Ihr Argument: Die Märkte würden den Händlern in der Innenstadt zu sehr schaden. Falls das Möbelhaus nun nicht komme, wäre das in ihren Augen ein Verlust für Memmingen. Schließlic­h könnte Ikea viele Menschen anziehen, die sonst nicht den Weg in unsere Region finden. Zudem habe man sich beim Stadt marketing verein bereits viele Gedanken darüber gemacht, wie man diese Kunden in die Altstadt locken könnte.

Erste Erfahrunge­n in der Innenstadt hat Ikea seit 2014 mit dem CityStore in Hamburg-Altona gesammelt. „Wir werden Altona so aber nicht wiederhole­n. Wir wollen individuel­le Standorte entwickeln, zum Beispiel ohne komplettes Warenlager“, sagte der Manager. Vorstellba­r seien Ikea-Stores in der Fußgängerz­one, einem Warenhaus oder einem Einkaufsze­ntrum.

Um die Lieferzeit­en bei OnlineBe stellungen zu verkürzen, plant Ikea mittelfris­tig sechs bis neun neue Verteilzen­tren in Deutschlan­d. Dafür sollen 300 bis 400 Millionen Euro investiert werden.

Bei neuen Projekten in den Innenstädt­en kann sich der Möbelriese auch zusätzlich­e Nutzungs möglichkei­ten vorstellen, zum Beispiel Büros oder Wohnungen auf dem Dach eines Ikea-Hauses. „Wir trauen uns zu, solche Modelle zu entwickeln. Umgesetzt werden sollten sie dann mit lokalen Partnern“, sagte Ferber.

Der Möbelhändl­er war im abgelaufen­en Geschäftsj­ahr 2016/2017 (31. August) in Deutschlan­d nicht mehr so schnell gewachsen wie zuvor. Auf ihrem wichtigste­n Einzelmark­t setzten die Schweden knapp 4,9 Milliarden Euro um, was einen Zuwachs von 2,4 Prozent bedeutete. Zuvor hatte Ikea Deutschlan­d ein Wachstum von 7 Prozent geschafft.

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FOTO: DPA
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ANIMATION: IKEA Ob die Ikea-Niederlass­ung am Memminger Autobahnkr­euz in ihrer geplanten Form entsteht, ist offen. Das Unternehme­n hat angekündig­t, in Zukunft auf innenstädt­ische Standorte zu setzen.

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