Leichter Rückgang bei Behandlungsfehlern
Ärztekammer bestätigt 2213 Fälle – Experten fordern Ausbau der Sicherheitskultur
BERLIN (dpa) - Die Zahl der festgestellten Behandlungsfehler in Krankenhäusern und Praxen in Deutschland ist im vergangenen Jahr nach Daten der Ärzte leicht gesunken. Bestätigt wurden 2213 Fälle – nach 2245 Fällen im Jahr 2016, wie die Bundesärztekammer am Dienstag in Berlin mitteilte. Zum Tod von Patienten führten Behandlungsfehler demnach in 62 der nun festgestellten Fälle (2016: 96 Fälle). Die meisten Beschwerden bei den Gutachtern und Schlichtungsstellen der Ärzteschaft betrafen weiterhin Operationen an Knien und Hüftgelenken sowie Eingriffen wegen Brüchen von Unterschenkel und Sprunggelenk.
Wie viele Behandlungsfehler gibt es?
Schätzungen gehen von 40 000 Patientenbeschwerden pro Jahr bei Krankenkassen, Ärzteschaft, Versicherungen und Gerichten aus. Anderen Schätzungen zufolge enden 0,1 Prozent aller Krankenhaus-Behandlungen vermeidbar tödlich, erklärt das Aktionsbündnis Patientensicherheit. Das entspricht 20 000 Todesfällen. Das Wissenschaftliche Institut der AOK hat alle Fehler im Krankenhaus auf knapp 200 000 pro Jahr taxiert.
Was sind die Gründe?
Oft ist mangelnde Absprache in Kliniken für Probleme verantwortlich. Das zeigen Fälle, die medizinisches Personal anonym im Internet meldet, um aus Fehlern zu lernen. So sollte bei einem Patienten eine Hüfte ersetzt werden. „Der Patient liegt bereits in Narkose, als der Pflegekraft im OP auffällt, dass ein unentbehrliches Instrument für die OP fehlt“, so die Fehlermeldung. Der Patient wird aus der Narkose geweckt – das Instrument war zur Reparatur gegeben worden. Eine entsprechende Markierung war aber nicht aufgefallen.
Was sind typische Probleme?
Vor allem falsch diagnostizierte oder gar nicht entdeckte Leiden. In Praxen sind Probleme bei der Diagnostik die häufigste festgestellte Fehlerursache, in Kliniken die zweithäufigste. So kam ein 39-Jähriger mit einer Stichverletzung ins Krankenhaus. Trotz akuter Behandlung sowie Untersuchung des Bauchs mit Bauchspiegelung und Ultraschall wurden Dick- und Dünndarm-Verletzungen zunächst nicht erkannt. Folge: Der Mann musste 18 Folge-Operationen über sich ergehen lassen.
Weswegen beschweren sich Patienten am häufigsten?
Besonders in Zusammenhang mit Knie- und Hüftgelenksarthrosen sowie Unterschenkel- und Sprunggelenkbrüchen. „Patienten merken Beeinträchtigungen der Extremitäten sehr viel schneller als zum Beispiel eine fehlerhafte Medikamentengabe“, erläutert die Geschäftsführerin der norddeutschen Schlichtungsstelle, Kerstin Kols.
Stehen Patienten mit Sorgen wegen möglicher Fehler alleine da?
Lange beklagten Patientenvertreter, Betroffene träfen bei Ärzten oft auf eine Mauer des Schweigens. Das hat sich laut Aktionsbündnis Patientensicherheit gebessert. „Das Thema ist keine Geheimwissenschaft mehr“, sagt Geschäftsführer Hardy Müller. Offenheit, Transparenz, Checklisten bei Operationen, Fehlermelde-Systeme – so soll laut Experten die Sicherheitskultur ausgebaut werden.
Was kann man bei konkretem Fehlerverdacht tun?
Die Ärzteschaft wirbt für ihre Schlichtungsstellen und Gutachter. Die stünden in ihren Beurteilungen nicht auf der Seite verdächtigter Ärzte, kosteten Patienten nichts und handelten mit Verfahren unter eineinhalb Jahren relativ schnell.
Wie könnte geschädigten Patienten schneller geholfen werden?
Durch einen Patienten-Entschädigungsfonds. Vorschläge dazu will die Regierungskoalition prüfen. Patientenvertreter Müller fordert, eine Probephase zu starten. Dass bei einer Fondsentschädigung unabhängig vom Verursacher die Schuldfrage in den Hintergrund rücke, könne die Sicherheitskultur stärken – weil sich niemand in die Ecke gedrängt fühle.