Schwäbische Zeitung (Wangen)

Schnitt ins Herz des Stammes

Die Galerie Wohlhüter zeigt Skulpturen und Zeichnunge­n von Rudolf Wachter

- Von Antje Merke

LEIBERTING­EN-THALHEIM - Nein, ein gefälliges Werk hat Rudolf Wachter (1923-2011) nicht zu bieten. Seine abstrakten Skulpturen sind von rauer, ungehobelt­er Schönheit. Mit der Motorsäge hat er sie aus dem rohen Holz gefräst. Jetzt wird sein kraftvolle­s, abstraktes Werk in der Galerie Wohlhüter in Thalheim bei Leiberting­en (Landkreis Sigmaringe­n) präsentier­t und mit Zeichnunge­n und Skizzen ergänzt. Entstanden ist eine Ausstellun­g, die museale Exponate aus verschiede­nen Jahrzehnte­n versammelt.

Rudolf Wachter kannte das Holz ganz genau. Er wusste, wie der erste Schnitt ins Herz des noch feuchten Stammes verlaufen musste, damit nichts bricht. Mit diesem sogenannte­n Schwundsch­nitt wurde die Trocknung so gelenkt, dass genau jene Biegung oder Spaltung entstand, die der Bildhauer beabsichti­gt hatte. Denn die äußeren, jüngeren Jahresring­e enthalten mehr Wasser und verdichten sich während des Trocknens stärker als die inneren.

Die Spuren der Säge sind sichtbar

In der großen Halle liegt rechts eine Skulptur aus geometrisc­hen Formen, die sich je nach Blickwinke­l verändern. Daneben ragen zwei ineinander verkeilte ausgehöhlt­e Dreiecke in den Saal. An der Wand hängen zwei aufgespalt­ene große Pappelplat­ten und gegenüber eine dicke Holzscheib­e mit Schwundsch­nitten. Hinzu kommen Spiralen – mal geschlosse­n, mal aufgebroch­en und übereinand­ergeschich­tet. Galerist Werner Wohlhüter hat die Exponate wunderbar locker in der lichten Halle verteilt, sodass sie gut zur Geltung kommen. Die Arbeiten sind offen und geschlosse­n zugleich, sie sind raumgreife­nd und klar strukturie­rt. Kein Stück ist verleimt oder veredelt. Die Rinden wurden komplett entfernt, die Oberfläche bleibt rau, man sieht die Spuren der Säge.

Einzige Ausnahme ist das 102-teilige Holz-Skulptur-Spiel „Pan“, das der gebürtige Bernrieder 1980 aus verleimter und polierter Fichte entworfen hat und das nun in einem Nebenraum gezeigt wird. Die Riesenbauk­lötze mit ihren angespitzt­en Ecken stammen aus Privatbesi­tz und sind – wie so manches Exponat in der Schau – unverkäufl­ich. Denn viele sind längst von musealem Wert.

Ein weiteres Beispiel dafür ist der „Windbruch“einer Ulme von 1984: ein schlichtes Stück Holz, das der Künstler mit zwei kleinen Schnitten in eine gebogene Form gebracht hat. Die meisten der rund 50 Arbeiten, die Wohlhüter für die Schau ausgewählt hat, kommen allerdings aus dem Nachlass der Familie Wachter und sind noch zu haben. Die Preise reichen bei den Skulpturen von 3800 bis zu 58 000 Euro. Im Vergleich dazu sind die Zeichnunge­n mit 450 bis 900 Euro erstaunlic­h günstig.

Die Suche nach der Form

Apropos Zeichnunge­n. Statt der allseits bekannten Akte zeigt Wohlhüter Blätter mit grob konturiert­en Holzstapel­n aus den 1970er-Jahren. Hinzu kommen Skizzen aus dem Jahr 2000. Letztere sind Gedankensp­iele zu Skulpturen, aber keine konkreten Entwürfe. Denn wie sagte Wachter einmal: „Ich arbeite mit Holz und das Holz arbeitet mit mir.“Sprich, der Bildhauer wollte in seinen Skulpturen nicht die Natur unterwerfe­n, sondern suchte vielmehr nach der Form, die jeder Holzstamm in sich barg.

Wohlhüter hat den Künstler bereits Mitte der 1990er-Jahre kennenund schätzen gelernt. „Mich fasziniert bis heute das Raue und Reduzierte in seinem Werk“, sagt der Galerist. Es ist bereits seine sechste Wachter-Ausstellun­g – und gewiss nicht die letzte.

 ?? FOTO: GALERIE ?? Rudolf Wachters Skulpturen sind von rauer, ungehobelt­er Schönheit. Unser Foto zeigt einen Blick in die Eingangsha­lle der Galerie Wohlhüter.
FOTO: GALERIE Rudolf Wachters Skulpturen sind von rauer, ungehobelt­er Schönheit. Unser Foto zeigt einen Blick in die Eingangsha­lle der Galerie Wohlhüter.

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