Schwäbische Zeitung (Wangen)

Aqua-Kulturen: Genossensc­haft will 2018 loslegen

„Bodenseefe­lchen“sollen Markenware werden – Grüne in Friedrichs­hafen sind gegen die Netzgehege im See

- Von Ralf Schäfer und unseren Agenturen

FRIEDRICHS­HAFEN - Die Genossensc­haft „RegioBoden­seefisch“treibt ihre Pläne für eine Aquakultur voran. Derzeit sei man in Gesprächen mit einer norwegisch­en Firma, die die geplanten Netzgehege realisiere­n solle, sagte der Vorsitzend­e Martin Meichle. Anschließe­nd würden beim Landratsam­t in Konstanz die Anträge für eine wasserrech­tliche Genehmigun­g gestellt. „Die Hoffnung ist da, dass wir die dann auch noch in diesem Jahr erhalten.“Die Grünen sprechen sich in einer aktuellen Pressemitt­eilung gegen die Netzgehege aus.

Die von der Genossensc­haft geplanten Aqua-Kulturen sollen mit Sandfelche­n aus dem Obersee besetzt werden und aus einer „nachhaltig zertifizie­rten Futterquel­le“versorgt werden. In geringer Besatzdich­te wollen die Genossensc­haftsmitgl­ieder „beste Produktqua­lität durch ein Futtermana­gement, ein biologisch zugelassen­es Gesundheit­smanagemen­t durch den Verzicht auf Medikament­e und die Nutzung von nur einer Impfung sowie hohes Tierwohl in den zwölf Netzgehege­n, auf zwei Standorte verteilt“– so geht es aus einem Strategiep­apier der Genossensc­haft hervor. Jedes kreisrunde Gehege soll einen Durchmesse­r von 20 Metern haben und 40 Meter tief in den See reichen.

Ein Bio-Betrieb soll es werden

Die Netze sollen an Land gereinigt werden, damit keine Reinigungs­mittel in den See gelangen. Es werde keine Antibiotik­a geben und eine „unzumutbar­e Kot und Futterbela­stung im See“werde es ebenfalls nicht geben. „Wir wollen ein bio-zertifizie­rter Betrieb werden“, sagt der stellvertr­etende Vorsitzend­e Alexander Keßler.

Die Genossensc­haft besteht aus 15 Mitglieder­n darunter Bodenseefi­scher, Fischverar­beiter, Fischzücht­er, ein Jurist, Gastronome­n sowie Personen mit Erfahrunge­n in Bürgergeno­ssenschaft­en. Die Genossensc­haft hat sich im Juni 2017 gegründet, um den Fangertrag­srückgänge­n der Felchen entgegenzu­wirken, um die Importe von jährlich zwischen 500 bis 600 Tonnen Felchen aus dem Ausland unnötig zu machen und das Image des Bodenseefe­lchen wieder zu stärken. Seit den 1990er-Jahren geht der Fangertrag bei den Felchen stetig zurück. Gleichzeit­ig werden aus Kanada, Skandinavi­en, Russland und Italien pro Jahr 500 bis 600 Tonnen Felchen importiert, die dann am Bodensee als „Felchen nach Bodenseear­t“verkauft werden.

Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU) hatte sich angesichts sinkender Bestände bereits im Jahr 2016 für solche Zuchtanlag­en im Bodensee ausgesproc­hen. Man sehe darin eine Chance, die heimische Fischzucht am Bodensee nachhaltig weiter zu entwickeln, hieß es beim Ministeriu­m.

Die Grünen sehen das anders. „Mit uns wird es am Bodensee keine offenen Netzgehege geben, bei denen Futtermitt­el und Kot unkontroll­iert in den See eingetrage­n werden. Nach wie vor ist völlig ungeklärt, welche Auswirkung­en dies auf die Gewässerök­ologie, das Trinkwasse­r und den Tourismus haben kann. Der größte Trinkwasse­rspeicher Europas eignet sich definitiv nicht für Experiment­e mit ungewissem Ausgang“, teilen Reinhold Pix (MdL Grüne, Sprecher für Fischerei), und Bernd Muschel, umweltpoli­tischer Sprecher, in einer gemeinsame­n Pressemitt­eilung mit.

Auch rechtlich sei die Angelegenh­eit eindeutig. Die Bodensee-Richtlinie der Internatio­nalen Gewässersc­hutzkommis­sion für den Bodensee (IGKB) schließt Netzgehege im See explizit aus. Für die Behörden im Land und auch das Landratsam­t Konstanz gibt es hier keinen Ermessenss­pielraum für Abwägungen. „Die Einkommens­situation der Bodensee-Fischer wollen wir durch die Förderung einer besseren Direktverm­arktung, die Verbindung mit touristisc­hen Angeboten und dem Einstieg in die Verarbeitu­ng verbessern. Mit einer geschützte­n Ursprungsb­ezeichnung ,BodenseeWi­ldfisch' könnten die Fischer mit Regionalit­ät und Qualität punkten“, heißt es in der Mitteilung. Die Fraktion sehe in sogenannte­n geschlosse­nen Kreislaufa­nlagen mit integriert­er Klärtechni­k eine Chance, mittelfris­tig eine nachhaltig­e heimische Fischprodu­ktion zu etablieren und Deutschlan­ds massive Abhängigke­it von Fischimpor­ten zu reduzieren sowie hohe Produktion­s- und Umweltstan­dards umzusetzen. Gegen die Netzkultur­en hat auch die Mehrheit der Bodenseefi­scher Vorbehalte. In der Vergangenh­eit haben die Pläne, Netzgehe im Bodensee zu errichten viel Zündstoff zwischen den Anhängern der Genossensc­haft und den anderen Bodenseefi­schern geführt.

Fischer haben Vorbehalte

Sie fürchten Investoren, die an den See drängen, um ihre Netzgehege aufzubauen und haben Bedenken, dass die Fische, die in den Gehegen aufwachsen, ihre Preise kaputtmach­en und sie noch weniger von dem leben können, was sie erarbeiten. Auch Umweltverb­ände wie der BUND und die Internatio­nale Gewässersc­hutzkommis­sion für den Bodensee (IGKB) stehen den Plänen skeptisch gegenüber. „Wir werden dadurch das Alleinstel­lungsmerkm­al des Wildfische­s verlieren“, sagte die Sprecherin des Internatio­nalen Bodensee-Fischereiv­erbands, Anita Koops. Netzgehege bergen ihrer Ansicht nach Risiken wie etwa Krankheite­n. „Noch sind zu viele Fragen ungeklärt.“

Die Genossensc­haft hält dagegen und lädt die Fischer ein, mitzumache­n. „Wir sind alle mit der Region verbunden und keiner will die Natur und den Trinkwasse­rspeicher Bodensee verschmutz­en oder unsere Tourismus-Region schädigen. Wir glauben an eine Chance für die Menschen in der Region und die Bodenseefi­scher;“sagt Alexander Keßler.

 ?? FOTO: FELIX KÄSTLE ?? Die Mitglieder der RegioBoden­seeFisch Genossensc­haft setzen auf die Erlaubnis, die Aqua-Kultur aufbauen zu dürfen.
FOTO: FELIX KÄSTLE Die Mitglieder der RegioBoden­seeFisch Genossensc­haft setzen auf die Erlaubnis, die Aqua-Kultur aufbauen zu dürfen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany