Allgäuer Arzt rettet Flüchtlinge im Mittelmeer
Chirurg Jan Ribbeck unterstützt zwei Hilfsmissionen – Jetzt gehört er auch dem Vorstand der Seenotretter an
MARKT RETTENBACH - Hunderte Männer, Frauen und Kinder, zusammengepfercht in kleinen Booten, die ohne Essen und Trinken das Mittelmeer überqueren – in der Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa. Der Arzt Jan Ribbeck aus Markt Rettenbach (Unterallgäu) kennt diese Bilder. Zweimal nahm er an Rettungsmissionen der Seenotretter Sea Eye teil, um diese Menschen vor dem Ertrinken zu retten. Der 53-Jährige wurde nun in den Vorstand des Vereins gewählt.
300 Mitglieder bei Sea Eye
Sea Eye hat etwas mehr als 300 Mitglieder aus ganz Deutschland, die meisten kommen aus Bayern. Der Verein ist mit zwei Schiffen vor der afrikanischen Küste unterwegs. Nach eigenen Angaben hat Sea Eye seit April 2016 13 248 Menschen vor dem Ertrinken gerettet. „Meine Motivation ist nicht politisch. Menschenleben zu retten ist bei mir beruflich bedingt“, sagt Chirurg Jan Ribbeck.
Ein besonders befriedigendes Gefühl sei es, Kinder und Kleinkinder vor dem Ertrinken zu retten. „Einmal hat eine Mutter ihr Kind vom Schlauchboot auf unser Schiff gegeben, damit es sicher ist“, erzählt Ribbeck. Die Frau sei auf einem Boot mit über 200 anderen Menschen zusammengequetscht gewesen, darunter knapp ein Dutzend Kinder. Die Seenotretter versorgten die Flüchtenden und retteten die Mutter und ihr junges Kind.
„Es ist jedesmal erhebend, wenn man einen Menschen vor dem Ertrinken rettet“, sagt Ribbeck. Die Einsätze selbst folgen einer gewissen Routine. „Wir bekommen von der Leitstelle in Rom Bescheid, wenn irgendwo ein Flüchtlingsboot gesichtet wurde“, sagt Ribbeck. Teilweise treffen er und seine Crewmitglieder auf See auf mehrere Hundert Flüchtlinge. „Wenn wir ankommen, sind die am Sinken. Ihre Boote sind nicht hochseetauglich. Die sind überladen, haben nur einen kleinen Außenbootmotor und einen Benzinkanister dabei.“Die Ehrenamtlichen sichern diese Boote vor dem Untergehen und geben den Menschen Rettungswesten und Wasser. Jan Ribbeck versorgt die Verletzten. „Oft sind ihre Füße verätzt von dem Salzwasser-Benzin-Gemisch, in dem sie stehen“, erzählt er.
Sea Eye transportiert nach eigenen Angaben keine Flüchtlinge und arbeitet nicht mit Schleusern und deren Organisationen zusammen. „Wir haben keinen Anspruch und auch keine Kapazität, diese Menschen auf das Festland zu bringen“, sagt Ribbeck. Die Freiwilligen sind darauf angewiesen, dass große Hilfsorganisationen mit größeren Schiffen die Menschen einsammeln. „Oft müssen wir lange warten, bis die kommen“, sagt Ribbeck. Ein Einsatz dauert bis zu zwölf Stunden.
Als Vorstandsmitglied kümmert sich Jan Ribbeck auch um die Organisation der Rettungsmissionen. Er teilt die Freiwilligen ein, organisiert Vorbereitungstreffen in Malta und verwaltet die Dokumentationen der Missionen. „Oft sitze ich nach meiner Arbeit im Krankenhaus bis Mitternacht und gehe Bewerbungen für Sea Eye durch“, sagt Ribbeck. Unterstützt wird er dabei von seiner Frau. „Ich würde es nicht machen, wenn meine Familie nicht hinter mir stehen würde“, sagt er. Im Sommer bricht Ribbeck zum dritten Mal zu einer Rettungsmission auf.