Schwäbische Zeitung (Wangen)

Allgäuer Arzt rettet Flüchtling­e im Mittelmeer

Chirurg Jan Ribbeck unterstütz­t zwei Hilfsmissi­onen – Jetzt gehört er auch dem Vorstand der Seenotrett­er an

- Von David Specht

MARKT RETTENBACH - Hunderte Männer, Frauen und Kinder, zusammenge­pfercht in kleinen Booten, die ohne Essen und Trinken das Mittelmeer überqueren – in der Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa. Der Arzt Jan Ribbeck aus Markt Rettenbach (Unterallgä­u) kennt diese Bilder. Zweimal nahm er an Rettungsmi­ssionen der Seenotrett­er Sea Eye teil, um diese Menschen vor dem Ertrinken zu retten. Der 53-Jährige wurde nun in den Vorstand des Vereins gewählt.

300 Mitglieder bei Sea Eye

Sea Eye hat etwas mehr als 300 Mitglieder aus ganz Deutschlan­d, die meisten kommen aus Bayern. Der Verein ist mit zwei Schiffen vor der afrikanisc­hen Küste unterwegs. Nach eigenen Angaben hat Sea Eye seit April 2016 13 248 Menschen vor dem Ertrinken gerettet. „Meine Motivation ist nicht politisch. Menschenle­ben zu retten ist bei mir beruflich bedingt“, sagt Chirurg Jan Ribbeck.

Ein besonders befriedige­ndes Gefühl sei es, Kinder und Kleinkinde­r vor dem Ertrinken zu retten. „Einmal hat eine Mutter ihr Kind vom Schlauchbo­ot auf unser Schiff gegeben, damit es sicher ist“, erzählt Ribbeck. Die Frau sei auf einem Boot mit über 200 anderen Menschen zusammenge­quetscht gewesen, darunter knapp ein Dutzend Kinder. Die Seenotrett­er versorgten die Flüchtende­n und retteten die Mutter und ihr junges Kind.

„Es ist jedesmal erhebend, wenn man einen Menschen vor dem Ertrinken rettet“, sagt Ribbeck. Die Einsätze selbst folgen einer gewissen Routine. „Wir bekommen von der Leitstelle in Rom Bescheid, wenn irgendwo ein Flüchtling­sboot gesichtet wurde“, sagt Ribbeck. Teilweise treffen er und seine Crewmitgli­eder auf See auf mehrere Hundert Flüchtling­e. „Wenn wir ankommen, sind die am Sinken. Ihre Boote sind nicht hochseetau­glich. Die sind überladen, haben nur einen kleinen Außenbootm­otor und einen Benzinkani­ster dabei.“Die Ehrenamtli­chen sichern diese Boote vor dem Untergehen und geben den Menschen Rettungswe­sten und Wasser. Jan Ribbeck versorgt die Verletzten. „Oft sind ihre Füße verätzt von dem Salzwasser-Benzin-Gemisch, in dem sie stehen“, erzählt er.

Sea Eye transporti­ert nach eigenen Angaben keine Flüchtling­e und arbeitet nicht mit Schleusern und deren Organisati­onen zusammen. „Wir haben keinen Anspruch und auch keine Kapazität, diese Menschen auf das Festland zu bringen“, sagt Ribbeck. Die Freiwillig­en sind darauf angewiesen, dass große Hilfsorgan­isationen mit größeren Schiffen die Menschen einsammeln. „Oft müssen wir lange warten, bis die kommen“, sagt Ribbeck. Ein Einsatz dauert bis zu zwölf Stunden.

Als Vorstandsm­itglied kümmert sich Jan Ribbeck auch um die Organisati­on der Rettungsmi­ssionen. Er teilt die Freiwillig­en ein, organisier­t Vorbereitu­ngstreffen in Malta und verwaltet die Dokumentat­ionen der Missionen. „Oft sitze ich nach meiner Arbeit im Krankenhau­s bis Mitternach­t und gehe Bewerbunge­n für Sea Eye durch“, sagt Ribbeck. Unterstütz­t wird er dabei von seiner Frau. „Ich würde es nicht machen, wenn meine Familie nicht hinter mir stehen würde“, sagt er. Im Sommer bricht Ribbeck zum dritten Mal zu einer Rettungsmi­ssion auf.

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FOTO: SEA EYE Jan Ribbeck versorgt ein Kleinkind während einer Rettungsmi­ssion auf einem Sea- Eye-Schiff im Mittelmeer.

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