Die Macht des Schlüssel-Trainers
Jupp Heynckes fällt trotz des Sieges in Sevilla ein hartes Urteil – und kitzelt seine Stars
SEVILLA - Ein freier Nachmittag. Bitter nötig. Es dürfte nicht viele Gelegenheiten im April geben, um durchzuschnaufen. Erreichen die Bayern nach dem 2:1 im Viertelfinalhinspiel der Champions League das Halbfinale, stehen bis Monatsende sieben Partien auf dem Programm. Fünf englische Wochen am Stück. Crunchtime. Heißt: Kräfte schonen. Also durften die Profis nach der Landung in München nach Hause, das Auslauftraining wurde gestrichen.
Mit dem ersten Erfolg des FC Bayern in Spanien seit dem Halbfinale 2013 beim FC Barcelona (3:0) hat Trainer Jupp Heynckes einen weiteren Erfolg aufgestellt: 12 Siege am Stück sind noch keinem Coach in der Champions League gelungen. Auch deshalb erklangen beim Mitternachtsbankett „Jupp!Jupp!Jupp!“Rufe der mitgereisten Fans und Sponsoren als der 72-Jährige den Saal betrat. Er, der Spanien-Kenner.
Er, der Spanien-Bezwinger. Nach dem Triple 2013 und dem gleichzeitigen Abschied von Heynckes aus München waren sie viermal hintereinander gegen einen Verein der Primera División in der K.o.-Runde der Königsklasse gescheitert. Mit dem 2:1 im Rücken muss das Halbfinale im Rückspiel am Mittwoch dingfest gemacht werden. Die Träume der Bayern allerdings reichen zum 26. Mai, bis nach Kiew, dem Finalort. „Wenn wir die Champions League gewinnen wollen, müssen wir besser spielen“, bemerkte Heynckes. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge verwies in seiner knappen BankettAnsprache auf den Trainer: „Wir sollten ganz seriös, step by step, die Dinge angehen.“So klar und nüchtern wie Jupp. Einen kurzen Ausblick wagte Rummenigge dennoch: „Wie man auch bei dem anderen Spiel in Turin sieht, die Gegner werden nicht einfacher.“Real Madrid hatte Juventus mit 3:0 ronaldisiert.
Vielleicht sieht man sich ja wieder, Bayern und Real, Jupp und Madrid – ein ewiger Klassiker.
Dieses Duell würde perfekt in das Drehbuch der Abschiedstournee von Heynckes passen. Dreimal hat er Teams bisher durch eine Champions-League-Saison gecoacht, immer das Finale erreicht.
Parallelen zu den Triple-Helden von 2013 tauchen am Horizont auf. Dazu sagte Heynckes nur: „Das Tripleteam war ein sehr geschlossenes Team mit großen Spielern. Jetzt haben wir auch eine Reihe von sehr guten Spielern.“Und einen Trainer, der mit stetig wachsender Souveränität souverän durch das letzte Vierteljahr
seiner Trainerlaufbahn gleitet, dabei kompromisslos seinen Weg geht – insbesondere bei Aufstellungen und Rotationsüberlegungen. Arjen Robben setzte er in Sevilla wieder auf die Bank, verordnete James eine Pause. Er schont den einen Spieler hier, den anderen dort. „Ich werde das machen, was ich für richtig halte. Dann hat das auch jeder zu akzeptieren.“Machtwort Heynckes.
Auf wen sollte er auch Rücksicht nehmen? Die kommende Saison? Kann Heynckes egal sein. Er wird ein paar Empfehlungen für die Kaderplanung ausgeben, Tipps bei der Trainersuche. Wobei sein Favorit auf seine Nachfolge (Thomas Tuchel) von den Bossen zu spät ernsthaft kontaktiert wurde. „Uli Hoeneß wusste das schon im Dezember, ich habe ihm das gesagt, er wollte das sicher nicht wahrhaben“, erklärte Heynckes offen und brüskierte damit seinen Männerfreund, der weiter an einem Ja-Wort für eine Vertragsverlängerung baggerte. Erfolglos.
Noch siebeneinhalb Wochen bis Kiew. Man wolle wieder das „Gefühl von 2013“erleben, meinte der von Heynckes stark gemachte Javi Martínez, müsse „aber Schritt für Schritt gehen. Das ist der Schlüssel.“Ist nicht Heynckes der Schlüssel? „Er ist wie ein Vater für uns, hilft uns auch im Leben. Wir sind sehr glücklich, dass er da ist.“Die Spieler sollten Zeit und Gelegenheit nutzen.
„Uli Hoeneß wusste das schon im Dezember, er wollte das sicher nicht wahrhaben.“Jupp Heynckes