Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wenn der Traktor kommt, stehen die Windräder still

Weil landwirtsc­haftliche Arbeiten Nahrung freilegen und so den Rotmilan anziehen, prüft das Landratsam­t Sigmaringe­n Abschaltze­iten für Windkrafta­nlagen

- Von Sebastian Korinth

DENKINGEN - Um Rotmilane zu schützen, plant der Landkreis Sigmaringe­n Abschaltze­iten für die drei Windräder im Pfullendor­fer Ortsteil Denkingen. Diese sollen angehalten werden, sobald Landwirte in der Nähe des Windparks Hilpensber­g auf dem Feld arbeiten. Dieses Vorgehen wird zwar offiziell empfohlen, allerdings gibt es bislang kaum Erfahrungs­werte: Im gesamten Regierungs­präsidium Tübingen wurde der Vorschlag der Landesanst­alt für Umwelt noch nie in der Praxis erprobt – und die Denkinger Landwirte bezweifeln schon vor der Umsetzung, dass er funktionie­rt.

An den Bau der drei bestehende­n Windkrafta­nlagen wurden verschiede­ne Bedingunge­n geknüpft. So muss der Betreiber unter anderem das Aufkommen und Verhalten von Greifvögel­n im Bereich der Anlagen im Auge behalten. Dieses sogenannte Monitoring habe bei landwirtsc­haftlicher Tätigkeit im Umfeld der Anlagen ein verstärkte­s Aufkommen von Rotmilanen festgestel­lt, teilt das Landratsam­t Sigmaringe­n auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“mit.

Bei der Feldarbeit wird unter anderem Nahrung für Rotmilane freigelegt, beispielsw­eise Würmer. Auf frisch gemähten Wiesen und Feldern finden die Vögel leichter Mäuse und andere Kleintiere. Legt der Milan den Fokus auf die Nahrungssu­che, läuft er aber auch verstärkt Gefahr, mit einem Windrad zu kollidiere­n. Deshalb überlegt das Landratsam­t jetzt, wie eine Gefährdung der Greifvögel vermieden werden kann.

„Es wird derzeit überprüft, inwiefern die Windräder bei Feldarbeit­en wie Mäharbeite­n und Pflügen zukünftig teilweise abgeschalt­et werden müssen“, schreibt die Behörde. „Es ist vorgesehen, dass die Landwirte solche relevanten Arbeiten dem Anlagenbet­reiber mitteilen.“Dafür sollen Landwirte und Windpark-Betreiber eine entspreche­nde Vereinbaru­ng treffen. „Das Landratsam­t steht derzeit in intensiven Gesprächen mit dem Anlagenbet­reiber und den Gutachtern zu diesem Thema. Baldmöglic­hst soll eine verbindlic­he Regelung getroffen werden.“

Daran, dass sich eine solche Vereinbaru­ng in der Praxis umsetzen lässt, haben die Denkinger Landwirte allerdings so ihre Zweifel. Einer von ihnen spricht von „Blödsinn“. „Für mich ist das unbegreifl­ich. Ich glaube in 100 Jahren nicht, dass das funktionie­rt“, sagt ein anderer. Nicht nur er verbringe zurzeit den ganzen Tag auf dem Feld. „Jeder von uns baut etwas anderes an und muss zu einer anderen Zeit etwas erledigen“, sagt er. Müssten dafür die Windräder angehalten werden, bedeute das möglicherw­eise einen Stopp für mehrere Wochen – zumindest tagsüber. Zudem gebe es manchmal auch kurzfristi­g Arbeit auf dem Feld zu erledigen. Dann werde es möglicherw­eise zum Problem, rechtzeiti­g den Windpark-Betreiber zu informiere­n.

Zeitnahe Umsetzung geplant

Betreiberi­n des Windparks Hilpensber­g ist das Unternehme­n Vensol mit Sitz im bayerische­n Babenhause­n. „Es ist korrekt, dass im Windpark Abschaltze­iten im Falle von landwirtsc­haftlichen Tätigkeite­n geplant sind“, teilt Vensol-Geschäftsf­ührer Sebastian Ganser auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“mit. Die Abschaltze­iten richteten sich nach den Vorgaben der Landesanst­alt für Umwelt Baden-Württember­g (LUBW) und beträfen – vom Windpark aus gemessen – einen Umkreis von 300 Metern.

Vensol arbeite daran, dass die Abschaltze­iten zeitnah umgesetzt werden können, schreibt Sebastian Ganser. Das sei allerdings mit einem gewissen organisato­rischen Aufwand verbunden. Weil es sich um einen laufenden Prozess handele, könne Vensol noch keine Details mitteilen.

Offen ist auch noch, ob sich die geplanten Abschaltze­iten auf weitere Windkraft-Bauvorhabe­n in Denkingen auswirken. So möchte die Firma Abo Wind mit Sitz in Wiesbaden vier Windräder im Waldgebiet Hohenreute errichten. „Wir wissen zwar, dass es ein Monitoring für den Windpark Hilpensber­g gibt, kennen aber nicht die Ergebnisse“, sagt AboWind-Sprecher Daniel Duben. Deshalb sei auch nicht absehbar, ob das Monitoring Konsequenz­en für die eigenen Pläne habe. Diese sehen die Inbetriebn­ahme der vier Windräder im zweiten Quartal 2020 vor.

Ob diese und mögliche weitere Windräder gebaut werden können, hängt aber auch von einem naturschut­zrechtlich­en Gutachten ab, das die Stadt Pfullendor­f in Auftrag gegeben hat. Dieses soll Klarheit darüber bringen, welche Rolle der Rotmilan in Denkingen tatsächlic­h spielt. Ein Ergebnis soll noch bis Ende dieses Jahres vorliegen.

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FOTO: DAVID ZAPP Der Rotmilan in stolzem Flug. Windräder sind eine Gefahr für den Greifvogel.

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