Weltgewissen
Irgendwie war man immer ein bisschen bei ihm, wenn man ihn in den so bekannten Posen sah: leise, geduldig, etwas geschafft und ein bisschen traurig wie ein altgedienter Lehrer, der eine Sache zum hunderttausendsten Mal erklärt – weil die Schüler es doch endlich begreifen müssten. Und das höfliche, leicht gequälte Lächeln, das am Ende doch Hoffen wider alle Hoffnung ausdrückt. Am Sonntag wird der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan 80 Jahre alt.
Bis heute ist der Ghanaer ein Stück Weltgewissen, eine Art säkularer Papst. Eindrucksvoll zeigt er, dass körperliches und geistiges Alter bei Weitem nicht dasselbe sind. Noch immer ist der Friedensnobelpreisträger ein gefragter Redner und Problemlöser, und noch immer hat er die großen Zukunftsfragen im Blick. Nicht nur die „klassischen“wie Hunger, Kriege, Menschenrechtsverletzungen. Sondern auch die neuen, aufkommenden Fragen: Verfall der demokratischen Diskussionskultur durch die „sozialen Medien“; Vormarsch von künstlicher Intelligenz und digitaler Überwachung; den Kollaps des Multilateralismus. Dabei setzt er, der Altersweise, auf die Jugend und ihre Bereitschaft, Herausforderung anzunehmen, wie er in einem Interview zur Münchner Sicherheitskonferenz erläuterte.
Von 1997 bis Dezember 2006 saß er zehn lange Amtsjahre auf dem heißen Stuhl am East River. 11. September, Afghanistanund Irakkrieg, SudanKonflikt: Zwischen den Klippen von Terrorismus, „Clash of Civilizations“und Völkermord hatte er als UN-Generalsekretär viele Havarien zu erleiden – und blieb doch immer der Hoffnungsträger. „Nie wieder Ruanda“, so beschwor Annan die zerstrittene internationale Gemeinschaft. Er selbst hat 1994 als mitzuständiger UN-Diplomat beim Völkermord in Ostafrika seine bitterste Stunde erlebt. Das Versagen der Vereinten Nationen in Ruanda nahm er auf seine Kappe.
Ein halbes Jahrhundert stand Kofi Annan im Dienst der UN. Einen Monat nach den Terroranschlägen des 11. September erhielt Annan den Friedensnobelpreis zugesprochen: für seinen Einsatz um den Fieden – aber wohl auch für seine Frustrationstoleranz. (KNA)