„Erfahren, wie pfiffig die Allgäuer waren“
Ausstellung der Leutkircher Heimatpflege will nachdenklich machen und weckt Erinnerungen
LEUTKIRCH - Ein originelles und ganz offensichtlich interessantes Thema hat die Heimatpflege Leutkirch für ihre Jahresausstellung 2018 gewählt: Um „Alte Tugenden“geht es bis Mitte August, ums „Selbermachen, Reparieren, Wiederverwenden“, wie der Untertitel verdeutlicht.
Fähigkeiten also, die durchaus ihren Reiz haben zu Zeiten von Überfluss und Wegwerfmentalität. Das Museum im Bock war jedenfalls am Freitagabend bei der Ausstellungseröffnung komplett gefüllt, die Exponate weckten Erinnerungen und boten Gesprächsstoff in Fülle.
Michael Waizenegger, Vorsitzender der Heimatpflege Leutkirch, zeigte sich beeindruckt von der Kreativität der Menschen früherer Zeiten. „Da wurde genagelt, geschmiedet, genäht und gelötet, um den Dingen ihre Funktion zu erhalten“, sagte Waizenegger in seiner Begrüßung.
„Alte Tugenden“
Um diese „alten Tugenden“auch jungen Menschen von heute nahezubringen, plane die Heimatpflege ein Begleitprogramm, zu dem etwa spezielle Führungen für Kinder gehörten. Erstmals sollen zudem auch Neubürger gezielt ins Museum im Bock eingeladen werden, kündigte Waizenegger an.
Kindheitserinnerungen weckt die Ausstellung auch bei Bürgermeisterin Christina Schnitzler, wie sie am Freitagabend bekannte. Etwa an „geflickte Hosen, umgearbeitete Kleider oder Unterhosen, die zu Schuhputzlappen wurden (Motto: „Feinripp für den Hochglanz“). Was heute in Form von do it yourself, upcycling oder Repaircafés als innovativ gepriesen werde, sei früher selbstverständlich gewesen und oft – „Not macht erfinderisch“– aus dem Mangel geboren.
Der nachhaltigen Stadt Leutkirch stehe eine solche Rückbesinnung gut an, lobte die Bürgermeisterin und sprach der Heimatpflege und den Leihgebern „ein großes Dankeschön“namens der Stadtverwaltung aus.
Für Manfred Thierer, zusammen mit seiner Frau Claudia Initiator, Organisator und Kurator der Ausstellung, sind es nicht zuletzt die Geschichten hinter den Objekten, die den Reiz der Schau ausmachen. Das Schühchen etwa, das im Zwischenboden eines oberschwäbischen Schlosses gefunden wurde – auf der einen Seite feinstes Leder, auf der anderen grob geflickt. Was mochte es erlebt haben? Wer hatte es wohl getragen?
Der Blick auf den genüg- und sorgsamen Umgang mit den Dingen des täglichen Lebens mache auch vergangene gesellschaftliche Strukturen deutlich. Er zeige die Kunst des Improvisierens, wenn etwa die Betonröhre zum Bildstöckle wird oder Kriegsgerät zu Gebrauchsgegenständen im Haushalt. Kaffeekannen aus Köpfen von Panzerfäusten, ein feines Anzügle aus Fallschirmseide, ein Karussell aus Konservendosen, eine Monstranz, aus Holz geschnitzt: „Wir erfahren, wie pfiffig die Allgäuer waren“, sagte Thierer.
Moderne Wegwerfgesellschaft
Gleichzeitig wolle die Ausstellung Anstöße geben zum Selbermachen, Bewahren und Reparieren und zu Respekt und Achtsamkeit gegenüber den Dingen des täglichen Lebens. Ein Berg ausrangierter Elektronikgeräte, aufgetürmt im Museum, und der Hinweis auf 90 Millionen ausgemusterte Handys, die deutschlandweit in Schubladen schlummern, spiegeln die moderne Wegwerfgesellschaft. Thierers Absicht: „Wir wollen mit der Ausstellung einen kleinen Beitrag zum Umdenken leisten.“Dem Bewahren und Wiederverwenden verpflichtet fühlt sich eindeutig auch die Band Getstuffed aus Kißlegg. Mit Temperament und punktgenauem Rhythmus bearbeiteten die Sechs ihre recycelten Fässer, Töpfe und Eimer, trommelten, ließen die Kronkorken an den Gummistiefeln scheppern und boten exzellenten A-cappella-Gesang. Eine gelungene und passende Umrahmung der Ausstellungseröffnung.
Zu sehen ist die Ausstellung im Museum im Bock bis 19. August. Öffnungszeiten: Mittwoch 14 bis 17 Uhr, Sonn- und Feiertage 10 bis 12 und 14 bis 17 Uhr.