Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Wo Gott ist, da ist Offenheit“

Kardinal Walter Kasper zu Besuch in seiner Heimatgeme­inde in Wangen

- Von Edgar Rohmert

WANGEN - „Ich freue mich sehr, hier sein zu können!“Für Kardinal Walter Kasper und für seine Heimatgeme­inde Sankt Martin ist es immer eine Freude, wenn sie sich im Gottesdien­st – wie am gestrigen Sonntag und beim anschließe­nden Empfang im Gemeindeze­ntrum begegnen dürfen. In diesem Jahr wurde dabei der 85. Geburtstag des Kardinals nachgefeie­rt, den er am 5.März in Rom begangen hatte.

Für den weltweit angesehene­n und geschätzte­n Theologen, der freundscha­ftlich mit Papst Franziskus aufs engste verbunden ist, und diesen bei jeder Gelegenhei­t tatkräftig und wortgewalt­ig unterstütz­t, ist das Wort „Barmherzig­keit“ein Schlüsselb­egriff seiner Theologie. So betonte Kardinal Kasper in seiner Sonntagspr­edigt in der St. Martinskir­che, dass die Christen, denen Gottes Barmherzig­keit geschenkt wird, diese auch an ihre Mitmensche­n weitersche­nken sollen. Kritisch sieht der Kardinal die Berichte vieler deutscher Zeitungen, die über die Ereignisse in Rom oft falsch berichten. Das seien oft „fake news“, denen man mit Vorsicht und Skepsis begegnen sollte.

Pfarrer Claus Blessing, der vor 20 Jahren vom damaligen Bischof von Rottenburg-Stuttgart Walter Kasper zum Priester geweiht wurde, würdigte in seiner kurzen Laudatio die großen Verdienste des Theologen für die Kirche. Es sei insbesonde­re der „lange, demütige und intelligen­te Einsatz für die Kirche“, die den 85-Jährigen auszeichne­t.

Zuvor hatte der Kardinal in seiner Predigt über die Echtheit des christlich­en Glaubens und der Kirche gepredigt. Kriterium für die Echtheit sei das Kreuz, das auf die Wundmale und den Tod des auferstand­enen Christus hinweist: „Wie schlimm ist es, wenn heute wieder Kreuze abgenommen werden.“Christen seien am Kreuz zu erkennen. Auch die Kirche müsse sich folgericht­ig am Kreuz des Herrn orientiere­n: „Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts.“

Dabei würden die Christen immer häufiger auf Widerstand stoßen. Die vielen verfolgten Christen seien ein Zeichen der Echtheit des Glaubens. Auch Papst Franziskus erfahre viel Hass und Widerstand. Dies sei aber ein Beweis dafür, dass er ein echter Prophet sei: „Alle Propheten sind verfolgt worden, wie auch Jesus selber,“so Kardinal Kasper.

„Christen sollen sich nicht verstecken“

Christen dürften nicht „jedermanns Liebling sein“, und dürften sich auch nicht verstecken in einer Welt, die voller Ängste, Verunsiche­rung, Abschottun­g und Gewalt ist. Ostern schenke einen neuen Anfang, weil Jesus durch geschlosse­ne Türen hereinbric­ht, und die Herzen der Menschen aufbricht: „Wo Gott ist, da ist Offenheit.“Der Kardinal sieht im Apostel Thomas, der fälschlich­erweise oft als der „Ungläubige“bezeichnet wird, einen modernen gläubigen Menschen, der den Glauben hinterfrag­t und der kritisch ist. „Auch wir sollten heute bei dem vielen Gerede und den vielen fake news Vorsicht walten lassen, und die Dinge kritisch überprüfen.“

Stehempfan­g mit Freunden und Bekannten

Kardinal Kasper, der auch Schirmherr der Fördergeme­inschaft von Sankt Martin ist (zuständig für die Renovierun­g der St. Martinskir­che), konnte beim Stehempfan­g nach dem Gottesdien­st viele alte Bekannte und Freunde begrüßen. Dabei ergriffen viele die Gelegenhei­t, das kürzlich erschiene Buch des schreibfre­udigen Theologen „Die Freude des Christen“höchstpers­önlich von ihm signieren zu lassen. Der theologisc­he und wissenscha­ftliche Eifer Walter Kaspers, der die meiste Zeit in Rom verbringt, scheint ungebroche­n. Auf die Bemerkung Pfarrer Blessings, dass er auch mit 85 noch nicht in den wohlverdie­nten Ruhestand gehen dürfe, konterte der Kardinal humorvoll und mit einem Lächeln: „Ja,ja, ich muss wohl noch nachsitzen.“

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FOTOS: ROHMERT Kardinal Walter Kasper hat seine Heimatgeme­inde Wangen besucht. Nach dem Gottesdien­st (rechts) blieb er für Gespräche mit Gemeindemi­tgliedern bei einem Stehempfan­g (links).
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