Gambier verkauft Drogen an Minderjährigen
Schöffengericht Wangen: Ein Jahr und zwei Monate Haft für 30-jährigen Asylbewerber aus Leutkirch
WANGEN/LEUTKIRCH - Wenn Dealer Rauschgift an Minderjährige abgeben, dann sieht das Gesetz besonders harte Strafen vor. Das war auch jetzt der Fall. Das Schöffengericht des Amtsgerichts Wangen verurteilte einen 30-jährigen Gambier wegen gewerbsmäßiger, unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an einen 15Jährigen zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und zwei Monaten.
2014 kam der Angeklagte über den Senegal, über Mali, Bukasa, Lybien und Italien nach Deutschland. Weil er unerlaubt eingereist war und sich auch unerlaubt im Raum Augsburg aufhielt, wurde er im Oktober 2016 abgeschoben. Doch er kam wieder. Seither wohnt der in Gambia zum Elektriker ausgebildete Mann in einer Leutkircher Flüchtlingsunterkunft.
Wie schon bei der polizeilichen Vernehmung, so räumte der 30-Jährige auch vor Gericht die ihm zur Last gelegte Tat nicht ein. Wortreich in englischer Sprache und übersetzt von einem Ravensburger Dolmetscher ließ er nicht nur einmal wissen, dass er „kein Drogenhändler ist“, sondern nach Deutschland gekommen sei, um hier zu arbeiten. Außerdem kenne er den später als Zeugen auftretenden jungen Mann nicht.
„Ja, ich rauche ab und zu Gras“
Überhaupt, so der Angeklagte weiter, würde er gerne wissen, wo die angebliche Abgabe von Marihuana im September 2017 stattgefunden haben soll. Zur fraglichen Zeit habe er gar nicht in der Unterkunft in Leutkirch, sondern bei seiner damaligen Freundin in Wangen gewohnt. Von wann bis wann diese Beziehung bestand, wie alt die Frau ist und in welchem Zeitraum sie ihrer Beschäftigung nachging, war seinem Erinnerungsvermögen zum größten Teil entschwunden.
Sehr viel besser wusste der Mann, ich welcher Art und Weise man mit ihm „umgesprungen“war. „Die Polizei kam ins Haus, durchsuchte alles, auch meine Hose, fand aber nichts“, sagte er und ließ erneut wissen: „Ich habe in meinem ganzen Leben noch keine Schwierigkeiten gemacht.“Auf die Frage, ob er selber Konsument sei, antwortete er erst im zweiten Anlauf: „Ja, ich rauche ab und zu Gras.“
Der mit dem Fall betraute Polizeibeamte gab das wieder, was die Ermittlungen ergeben hatten: „Der damals 15-Jährige konnte genau Haus und Zimmer benennen, in das er zum Einkauf von Marihuana gegangen war. Vor allem hat er den Angeklagten auf Fotos als seinen Lieferanten eindeutig erkannt.“Er erklärte, zwar keine Betäubungsmittel beim Angeklagten gefunden zu haben, doch in dessen Schrank ein Buch mit herausgerissenen Seiten. Der Verdacht, dass es sich dabei um Einwickelpapier für die Drogen handeln könnte, wurde vom jugendlichen Zeugen bestätigt. Nachdem der Beamte davon gesprochen hatte, dass gegen den Angeklagten ein weiteres Verfahren in gleicher oder ähnlicher Sache „bereits bei der Staatsanwaltschaft vorliegt“, der Angeklagte aber den Besitz des Buchs vehement abstreitet, gab der heute 16Jährige zu Protokoll: „Alle neun Mengen Stoff zu jeweils einem Gramm und für zehn Euro, die ich von dem Angeklagten in dessen Unterkunft bekommen habe, waren immer in Papierschnitzel eingepackt.“
Erinnerungslücken beim Zeugen
Die Tatsache, dass die Aussage des Zeugen Erinnerungslücken aufwies und dieser vom Richter wie vom Oberstaatsanwalt mehrmals auf die in der Vernehmung vom Oktober gemachten Angaben hingewiesen werden musste, erzielte unterschiedliche Ergebnisse. Während das Gericht an die Richtigkeit des einst zeitnahen Einlassens und damit von dem „neunmal und nicht fünfmal Einkaufens allein beim Angeklagten“glaubte, äußerte der Verteidiger Bedenken. Wörtlich sagte er: „Sie wollen es so hinbiegen, dass die Aussage bei der polizeilichen Vernehmung stimmt.“
„Der Zeuge ist nicht unglaubwürdig. Er hat damals die Wahrheit gesagt“, war der Vertreter der Staatsanwaltschaft überzeugt und führte dessen „gewisse Unsicherheiten“auf den mit einer Schulklasse im Zuhörerbereich, dem Richter und den beiden Schöffen sowie dem Angeklagten samt Dolmetscher voll besetzten Saal zurück. Vor allem den Umstand, dass der Zeuge in beiden Fällen „den Angeklagten eindeutig identifiziert hat“und auch „alles andere passt“, war für den Vertreter der Anklage Grund genug, von einem „gewerbsmäßigen Verkauf von Rauschgift an Minderjährige“zu sprechen und vor Augen zu führen: „Der Mann kommt nach Deutschland, um ein faires Asylverfahren zu erhalten und verkauft Drogen.“Der Verteidiger griff in seinem Plädoyer das Thema „Minderjährigkeit“auf und fragte in die Runde: „Wie weiß das der Angeklagte?“Wobei er glaubte, dass man sich hier schnell verschätzen könne. Abschließend sah der Rechtsanwalt den Antrag von einem Jahr und zwei Monaten Haft „weit weg“von seinen eigenen Vorstellungen.
Das Gericht sprach den Angeklagten für schuldig, nannte den Fall „minderschwer“, bestätigte den beantragten Strafrahmen und schloss wegen der schlechten Sozialprognose die Aussetzung der Strafe zur Bewährung aus. In seiner Begründung erklärte der Richter: „Eine Arbeit wurde erst vor kurzem aufgenommen, und der Asylantrag ist abgelehnt. Zudem lebt der Mann in Erwartung einer weiteren Verhandlung.“