Schwäbische Zeitung (Wangen)

Verteidige­r spricht von rechtsfrei­em Raum

Zweiter Verhandlun­gstag des Bad Wurzacher Totschlags­prozesses am Landgerich­t Ravensburg

- Von Siegfried Großkopf

RAVENSBURG/BAD WURZACH - Im Bad Wurzacher Totschlags-Prozess kamen sich am vergangene­n Donnerstag Verteidige­r, Staatsanwa­lt und Nebenkläge­r in die Haare.

Sah es während einer einstündig­en Erklärung von Verteidige­r HansChrist­ian Arnsperger zunächst danach aus, als sei der 42-jährige Angeklagte eher Opfer als Täter, belastete später ein Zeuge den Beschuldig­ten schwer. In einer Erklärung im Namen seines Mandanten sagte Rechtsanwa­lt Arnsperger, der Angeklagte habe ihm versichert, den von ihm verursacht­en Tod seines 37-jährigen türkischen Landsmanns nicht gewollt zu haben und darüber „zutiefst schockiert“zu sein. Der Ehemann und Vater dreier Kinder, der zum ersten Mal und „voller Scham“vor Gericht stehe, wisse, der Familie damit „großes Leid zugefügt zu haben“. Der Witwe sprach er sein Beileid aus.

Anrufe lösen Todesangst aus

Arnsperger erinnerte gleichwohl an Drohanrufe des späteren Opfers an die Adresse seines Mandanten, verbunden mit der Warnung, ihn umbringen zu wollen. Das habe bei dem Todesangst ausgelöst. Unwahr sei, dass der Angeklagte beim späteren Opfer Schulden in Höhe von 3800 Euro gehabt habe. In Raten und durch Pfändungen sei alles beglichen worden, warf der Anwalt Staatsanwa­lt Peter Spieler vor, entspreche­nde Behauptung­en „ungeprüft übernommen“zu haben.

Hätte es eine berechtigt­e Forderung gegeben, hätte man den Lohn des Angeklagte­n pfänden können, bemerkte Arnsperger. Tatsächlic­h sei es nur um die Verbreitun­g von Angst und Machtposit­ionen gegangen. Für den Vorwurf, sein Mandant habe ein Auto gekauft anstatt seine Schulden zu bezahlen fehle jeder Nachweis. Richtig sei vielmehr, dass der Angeklagte für knapp 18 000 Euro einen BMW gekauft habe, 5000 Euro anzahlte und den Rest in Raten bezahlen wollte. Illegal sei vom Opfer gewesen, den Angeklagte­n wegen „erfundener Schulden“am Arbeitspla­tz und vor dessen Wohnung in der Neue Straße 5 in Bad Wurzach abzupassen und mit dem Tod zu bedrohen, kritisiert­e der Anwalt. In dieser Straße beginne nach Nachbar-Äußerungen ein „rechtsfrei­er Raum und in Richtung Bad Waldsee Texas“.

„Entweder ich werde sterben oder töten“, habe sein Mandant geäußert, nachdem das spätere Opfer am 1. Oktober vergangene­n Jahres kurz nach 22 Uhr ihn angeschrie­n habe. „Wenn ich mein Geld nicht kriege, bringe ich dich um, ich schieße dir in die Füße und in den Kopf“, schilderte der Verteidige­r einen vermeintli­chen Wortwechse­l. In dessen Verlauf habe der Angeklagte von einem zur Verstärkun­g gekommenen Partner des Opfers Schläge auf den Kopf und ins Gesicht erhalten. Strittig blieb, ob auch ein Messer in der Auseinande­rsetzung Drohkuliss­e bildete und der Freund des Geschädigt­en beauftragt worden war, eine Waffe herbeizusc­haffen.

Eine von ihm scharf gemachte Pistole seines Vaters holte schließlic­h der Angeklagte aus dem Haus, um damit seine mittlerwei­le drei Gegner „in Schach zu halten“und einen Warnschuss abzugeben, wie er beteuerte. Nebenkläge­r-Vertreter Klaus-Martin Rogg kritisiert­e seinen Kollegen Arnsperger, das Opfer als „Aggressor“in den Schmutz zu ziehen. Arnsperger wiederum warf dem Ersten Staatsanwa­lt vor, ein „Geplänkel“zu veranstalt­en. Der Grund: Sein Mandant habe immer gestanden, dass der 37-Jährige durch ihn getötet worden sei.

Auf Fragen des Vorsitzend­en Richters Stefan Maier gab der Angeklagte zu, vom Zustand der Pistole und der scharfen Munition gewusst zu haben. Auf die Frage, ob er keine Bedenken gehabt habe, eine scharfe Waffe abzufeuern, sagte er, der Schuss habe sich ungewollt gelöst, er habe nicht wissen können, dass ihm ein anderer in den Arm falle.

Zwei Polizeibea­mte aus Leutkirch schilderte­n im Zeugenstan­d die Situation nach ihrem Eintreffen am Tatort, wo sich der Angeklagte widerstand­slos habe festnehmen lassen und die von ihm in einem Mülleimer der Nebenstraß­e versteckte Pistole zeigte. Auf der Fahrt nach Leutkirch habe er leutselig seine Schuld eingestand­en. Ein Arbeitskol­lege des Angeklagte­n, auch Verwandter und Vertrauter des Toten, belastete als Zeuge den 42-Jährigen schwer. Er widersprac­h klar der Schilderun­g, der Angeklagte habe mit der Tatwaffe lediglich einen Warnschuss in die Luft abgeben wollen, dabei sei ihm ein Freund des Opfers in den Arm gefallen und habe im Handgemeng­e den tödlichen Schuss verursacht. Der Prozess wird am 24. April fortgesetz­t.

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