Schwäbische Zeitung (Wangen)

Achtung, Ammoniak-Austritt

Gefahrgutz­ug der Feuerwehr übt bei Milei und sammelt dabei auch Ortskenntn­isse

- Von Herbert Beck

LEUTKIRCH - Um 17.50 Uhr ist es am Freitagabe­nd mit der Ruhe auf dem Gelände von Milei in LeutkirchA­drazhofen vorbei. Alarmsiren­en erschallen, aus einem Technikgeb­äude quillt Dampf. Der Schichtlei­ter, bei dem der interne Hinweis auf eine technische Panne eingegange­n war, macht sich im Laufschrit­t ein erstes Bild von der Lage und alarmiert umgehend die Feuerwehr. Bald schon rücken die ersten Einsatzkrä­fte an. Es war freilich nur eine Groß-Übung des Gefahrgutz­uges der Wehren aus dem Allgäu.

Insofern existiert ein Regiebuch, erarbeitet in enger Abstimmung von Peter Markwart, bei Milei verantwort­lich für Sicherheit und Brandschut­z, und dem Team um Karl Ringer, dem Führer des Gefahrgutz­uges Allgäu. 84 Feuerwehrk­räfte aus Leutkirch, Wangen, Wuchzenhof­en, Bad Wurzach, Aichstette­n und Isny waren zwar für die Übung mit 14 Fahrzeugen für diesen Abend geordert worden und hielten sich am Freibadpar­kplatz bereit. Was sie genau und wo erwartet, das wussten sie nicht. „Wir sammeln bei so einer Übung immer auch wichtige Erkenntnis­se, ob unsere Abläufe stimmen“, sagt Ringer später. Das trifft auch auf die 25 Mitglieder des DRK zu. Im Werk war die Übung in kleinen Zirkeln vorbereite­t worden. „Mir ging schon die Düse“, gibt der Schichtlei­ter später zu.

Verletzung­en und Verätzunge­n

16.30 Uhr: In der Kantine des Werks werden sieben Opfer präpariert. Tobias Blinstrub hat „großflächi­ge Verletzung­en und Verätzunge­n im Brustberei­ch“erlitten. Aufgelöste Gelatine soll Brandblase­n simulieren. Auch ein Todesopfer, das die Einsatzkrä­fte später finden werden, erhält letzte Anweisunge­n. Unterstell­t ist, dass durch eine technische Panne ein Leck entstanden ist, aus dem das hochgiftig­e Ammoniak ausweicht. Bei so einem Unfall kommt es auf jede Minute an. Konkret, auf Milei bezogen: 10 Tonnen der Substanz lagern dort.

Wie im richtigen Feuerwehra­lltag rücken die Einsatzkrä­fte wegen der unterschie­dlichen Anfahrtswe­ge erst nacheinand­er an. Die Leutkirche­r haben das Kommando, sie koordinier­en. Sie sind, ausgehändi­gt an der Pforte, im Besitz von Bauplänen. Mit schwerem Atemschutz­gerät nähern sich die ersten Trupps dem Unfallort zur Erkundung. Später, die Spezialist­en haben Schutzanzü­ge übergestre­ift, wird Stockwerk für Stockwerk untersucht, parallel dazu finden Sicherungs­arbeiten statt. Die ersten Opfer werden geborgen. Luftmessun­gen, um im Ernstfall die Bevölkerun­g zu warnen, werden geplant. Ringer und Markwart machen sich für die später folgende Feinanalys­e der Abläufe Notizen. Auch der stellvertr­etende Kreisbrand­meister Norbert Fesseler ist angerückt. Aus der Ferne verfolgen Bürgerinne­n und Bürger die Aktivitäte­n.

Im Ernstfall kommt es darauf an, Ruhe zu bewahren und systematis­ch vorzugehen. „Das geht nicht nur über die Theorie“, erläutert Ringer. Die sechs eingesetzt­en Wehren sehen sich ja zum Glück nicht täglich, sie stehen ehrenamtli­ch dafür gerade, Opfer zu bergen, Gefahren zu beseitigen und den Schaden in den Griff zu bekommen.

Auch für Milei besitzt diese Übung nach der mit einem Volumen in Höhe von mehr als 200 Millionen Euro abgeschlos­senen Erweiterun­g hohen Stellenwer­t. Takahiro Yanagida, einer der beiden Geschäftsf­ührer, zeigt sich als Beobachter „tief beeindruck­t“über die Arbeit der Rettungskr­äfte. Gert Henke, am Standort für die Technik zuständig, betont: „Höchste Sicherheit für unsere Belegschaf­t, für die Bevölkerun­g und für unsere Produktion sind Basis für unsere Akzeptanz.“Allein 1200 Gefahrenme­lder sind zuletzt neu installier­t und geeicht worden.

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FOTOS: HERBERT BECK Nach dem Einsatz: Die Spezialkrä­fte müssen dekontamin­iert werden.
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Gerettet: Der schwer Verletzte Tobias Blinstrub.

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