Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Nur eine gute Halle zu bieten, reicht nicht“

Big Box in Kempten hat 2,5 Millionen Besucher angelockt – Warum die erfolgreic­hste Veranstalt­ungshalle des Allgäus kein Selbstläuf­er ist

- Von Markus Raffler

KEMPTEN - Als die Big Box Allgäu 2003 ihre Türen öffnete, runzelte so mancher in der Region die Stirn. Denn die Macher der neuen Veranstalt­ungshalle im Zentrum von Kempten pfiffen auf Konvention­en. Das reichte vom eigenwilli­gen Namen bis hin zum Innenleben der „großen Schachtel“, das wandlungsf­ähig ist wie ein Chamäleon und bis zu 9000 Besucher fassen kann. Heute, 15 Jahre später, ist die Halle weit übers Allgäu hinaus eine feste Größe. Sie bescherte der Region Auftritte von Stars wie Bryan Adams, David Garrett, den Toten Hosen, den Scorpions, Andreas Gabalier und Rapper Cro – sie steht aber auch für Klassikkon­zerte, Tagungen, Messen und ein Hotel mit Restaurant und 124 Zimmern. Insgesamt verbuchte die Halle bislang 4000 Veranstalt­ungen mit über 2,5 Millionen Besuchern.

Eine Zahl, auf die Geschäftsf­ührer Christof Feneberg stolz ist, hinter der allerdings auch enormer Einsatz und ein tagtäglich­er Kampf steckten. „Die Veranstalt­ungsbranch­e ist kein Selbstläuf­er. Es reicht nicht, nur eine gute Halle zu bieten“, sagt Feneberg – noch dazu in einer Stadt wie Kempten, die gemessen an deutschen Großstädte­n nun mal kein A-Standort sei. Um attraktive Künstler an Land zu ziehen, brauche es gute Netzwerke und Kontakte zu den Tourmanage­rn. „Das ist ein closed circle, da mussten wir erst mal reinkommen.“Denn im Gegensatz zu anderen Ländern Europas buchten Tourneever­anstalter in Deutschlan­d Hallen meist nicht direkt, sagt Marketingc­hefin Ramona Madlener. „Das läuft in der Regel über örtliche Veranstalt­er. Und die haben großen Einfluss, wo eine Band auftritt und wo nicht.“

Generell gebe es in diesem Business starke Schwankung­en, erläutert der Geschäftsf­ührer. „Viele Konzerte bedeuten nicht automatisc­h viel Gewinn.“Oft verdiene der Veranstalt­er nur mit den letzten zehn Prozent der angebotene­n Tickets – doch viele Konzerte sind nicht ausverkauf­t. „Das ist dann ein Draufzahlg­eschäft.“Ein Top Act mit erhöhten Ticketprei­sen bedeute zwar hohe Einnahmen, denen stünden aber entspreche­nd hohe Gagen und Produktion­skosten gegenüber.

Weil diese Materie so komplex ist, kümmern sich inzwischen vier Projektlei­ter ausschließ­lich um die Konzertver­einbarunge­n. Insgesamt wuchs die Zahl der Vollzeitkr­äfte seit Halleneröf­fnung von drei auf über 70, inklusive Azubis und Teilzeitkr­äfte stehen derzeit 289 Mitarbeite­r unter Vertrag.

Etwa 60 Konzerte finden inzwischen pro Jahr in der Big Box Allgäu statt – doppelt so viele wie zu Beginn. Dennoch bleibt am Ende eines Konzertjah­res im Schnitt ein Defizit von über 500 000 Euro, das je zur Hälfte von der Unternehme­rfamilie Feneberg und (bis maximal 350 000 Euro) von der Stadt Kempten getragen wird.

Das wird laut Christof Feneberg wohl auch so bleiben: „Denn eine private Halle lässt sich aufgrund der Konkurrenz­situation durch die subvention­ierten kommunalen Hallen einfach nicht kostendeck­end betreiben.“Noch dazu, wo bis voraussich­tlich 2020 der Schuldendi­enst für die Erstinvest­ition zu finanziere­n und immer wieder Kosten für kleinere Baumaßnahm­en zu stemmen seien. So wurde zuletzt in die Technik und einen Raucherber­eich investiert, im Sommer soll der Raum für den Ticketverk­auf vergrößert werden.

Der Hallenbetr­ieb, sagt Christof Feneberg freimütig, sei für ihn anfangs absolutes Neuland gewesen – „ein Terrain mit lauter Unwägbarke­iten.“Dass das Allgäu heute dank der Big Box von der Veranstalt­ungsbranch­e wahrgenomm­en wird, macht den Familienva­ter stolz – so wie der 2013 verliehene „Live Entertainm­ent Award“von PRG als „Halle des Jahres“, quasi der „Echo“der deutschen Veranstalt­ungsbranch­e.

Doch auch zufriedene Konzertbes­ucher oder Tagungsgäs­te seien wichtige Motivation für Feneberg und „mein starkes Team“. Was die Zukunft bringt, könne er nur schwer abschätzen, sagt der 52-Jährige. Erfolgreic­h sei letztendli­ch, wer auf veränderte Anforderun­gen schnell reagiere. Das war so mit der Einführung der Klassikbox für Symphoniek­onzerte, ebenso wie mit der Eröffnung des Big-Box-Hotels 2013. Überhaupt sei die Kombinatio­n aus Konzertgen­uss und Übernachtu­ng bei immer mehr Besuchern gefragt. Die kommen aus einem Umkreis von 60 bis 100 Kilometern, legten mitunter aber auch größere Distanzen zurück.

Gerne würde Feneberg künftig noch mehr Konzerte veranstalt­en – auch im Freien. „Es wäre gut, Kempten als Standort für regelmäßig­e Open-Airs bekannt zu machen“, sinniert er. Das gehe aber nicht von heute auf morgen. Und vermutlich muss der Hallenchef da weiterhin ohne den Superstar planen, den er nur allzu gerne einmal in Kempten sehen würde: Bruce Springstee­n. „Das wird leider nie etwas werden, der ,Boss‘ kostet eine siebenstel­lige Gage ...“

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FOTO: RALF LIENERT Vor 15 Jahren eröffnet und nicht mehr wegzudenke­n aus der Region: die Big Box Allgäu in Kempten.

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