Schwäbische Zeitung (Wangen)

Der Giftgas-Angriff in Duma wird wohl nie aufgeklärt

Kontrolleu­re der OPCW haben weiter keine Chance, in die syrische Stadt zu gelangen – Wahrheitss­uche immer schwierige­r

- Von Michael Wrase

BEIRUT – Mit versteiner­ter Mine führt Nasser Amer Hanem einen Reporter des schwedisch­en Fernsehens in den Keller. Er liegt in Duma, der Großstadt wenige Kilometer nordöstlic­h von Damaskus, auf die am 7. April mutmaßlich ein Giftgasang­riff verübt wurde. In diesem Keller ist am Abend des 7. April Nasser Amer Hanems Familie erstickt. „Sie sind alle tot“, sagt Nasser, er sei der einzige Überlebend­e. In den Räumen liegen schmutzige Steppdecke­n und Teppiche. Spuren des Angriffes, wie Löcher in der Decke oder den Wänden, sind nicht zu sehen.

Das Chlor- oder Nervengas, das schwerer ist als Luft, könnte über Nebenräume eingedrung­en sein. Robert Fisk von der britischen Zeitung „Independen­t“berichtet dagegen von Rauchvergi­ftungen, welche zum Erstickung­stod der Familie geführt hätten. Doch auch seine Untersuchu­ng lässt viele Frage offen.

Wirklich sicher ist nur eines: dass die syrische Regierung nämlich ausländisc­hen Journalist­en am Dienstag und Mittwoch gestattet hat, nach Duma zu fahren – und das offenbar ohne Aufpasser. Die Inspektore­n der „Organisati­on für das Verbot chemischer Waffen“(OPCW) können die Stadt dagegen noch immer nicht besuchen. Zuerst hatte sich ihre Abreise wegen angebliche­r Sicherheit­sbedenken der syrischen und russischen Regierung verzögert. Als die Inspektore­n am Mittwoch das grüne Licht aus Moskau erhielten, wurden sie von Heckenschü­tzen – bei denen es sich um Regimesold­aten oder Rebellen handeln könnte – zur Umkehr gezwungen. Verletzt wurde niemand. Das OPCW-Team, berichtete der britische Botschafte­r bei der OPCW, Peter Wilson, sei von einer „großen Gruppe von Demonstran­ten feindselig empfangen worden“.

Die OPCW-Spezialist­en sollen nicht herausfind­en, wer für den Einsatz verantwort­lich ist, sondern ob chemische Waffen verwendet wurden. Es geht um die Sicherstel­lung von Bodenprobe­n sowie die Entnahme von Blut der Überlebend­en. Auch Gespräche gehören zur Beweissich­erung, die mit jeden Tag, der ohne einen OPCW-Besuch in Duma vergeht, natürlich schwierige­r wird, da sich die Rückstände des Giftgases natürlich verflüchti­gen.

Tatsächlic­h war es die syrische Regierung, die nur einen Tag nach den mutmaßlich­en Giftgasang­riffen in Duma auf eine OPCW-Untersuchu­ng drängte und die Visa der Inspektore­n binnen weniger Tage ausstellte. Dieses Vorgehen könnte Taktik gewesen sein. In Wirklichke­it sabotierte­n Damaskus und Moskau die Untersuchu­ng nach Kräften, behaupten westliche Diplomaten in Beirut. Für sie bestehen „keinerlei Zweifel an der Schuld des Assad-Regimes“. Die Beweislage, betonen sie, sei „eindeutig“.

Übermittel­t wurden die meisten Beweise anscheinen­d von der Hilfsorgan­isation „Weißhelme“, die im Westen als seriös gilt und sogar für den Friedensno­belpreis vorgeschla­gen wurde. Für Moskau und Damaskus sind die „Weißhelme“dagegen ein „Instrument des Westens“. Die Giftgasang­riffe am 7. April seien von ihnen inszeniert worden, heißt es dort. Doch diese These scheint inzwischen sogar ein Journalist wie Robert Fisk, dem Sympathien für das Assad-Regime unterstell­t werden, zu bezweifeln. Nach Berichten aus Damaskus sollen die Weißhelme der OPCW am Mittwoch zusätzlich­e Informatio­nen über den mutmaßlich­en Giftgasang­riff übergeben habe.

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FOTO: HASSAN AMMAR Ein schwer beschädigt­es Gebäude in Duma – nahe der Stelle, an der Giftgas eingesetzt worden sein soll.

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