Der Giftgas-Angriff in Duma wird wohl nie aufgeklärt
Kontrolleure der OPCW haben weiter keine Chance, in die syrische Stadt zu gelangen – Wahrheitssuche immer schwieriger
BEIRUT – Mit versteinerter Mine führt Nasser Amer Hanem einen Reporter des schwedischen Fernsehens in den Keller. Er liegt in Duma, der Großstadt wenige Kilometer nordöstlich von Damaskus, auf die am 7. April mutmaßlich ein Giftgasangriff verübt wurde. In diesem Keller ist am Abend des 7. April Nasser Amer Hanems Familie erstickt. „Sie sind alle tot“, sagt Nasser, er sei der einzige Überlebende. In den Räumen liegen schmutzige Steppdecken und Teppiche. Spuren des Angriffes, wie Löcher in der Decke oder den Wänden, sind nicht zu sehen.
Das Chlor- oder Nervengas, das schwerer ist als Luft, könnte über Nebenräume eingedrungen sein. Robert Fisk von der britischen Zeitung „Independent“berichtet dagegen von Rauchvergiftungen, welche zum Erstickungstod der Familie geführt hätten. Doch auch seine Untersuchung lässt viele Frage offen.
Wirklich sicher ist nur eines: dass die syrische Regierung nämlich ausländischen Journalisten am Dienstag und Mittwoch gestattet hat, nach Duma zu fahren – und das offenbar ohne Aufpasser. Die Inspektoren der „Organisation für das Verbot chemischer Waffen“(OPCW) können die Stadt dagegen noch immer nicht besuchen. Zuerst hatte sich ihre Abreise wegen angeblicher Sicherheitsbedenken der syrischen und russischen Regierung verzögert. Als die Inspektoren am Mittwoch das grüne Licht aus Moskau erhielten, wurden sie von Heckenschützen – bei denen es sich um Regimesoldaten oder Rebellen handeln könnte – zur Umkehr gezwungen. Verletzt wurde niemand. Das OPCW-Team, berichtete der britische Botschafter bei der OPCW, Peter Wilson, sei von einer „großen Gruppe von Demonstranten feindselig empfangen worden“.
Die OPCW-Spezialisten sollen nicht herausfinden, wer für den Einsatz verantwortlich ist, sondern ob chemische Waffen verwendet wurden. Es geht um die Sicherstellung von Bodenproben sowie die Entnahme von Blut der Überlebenden. Auch Gespräche gehören zur Beweissicherung, die mit jeden Tag, der ohne einen OPCW-Besuch in Duma vergeht, natürlich schwieriger wird, da sich die Rückstände des Giftgases natürlich verflüchtigen.
Tatsächlich war es die syrische Regierung, die nur einen Tag nach den mutmaßlichen Giftgasangriffen in Duma auf eine OPCW-Untersuchung drängte und die Visa der Inspektoren binnen weniger Tage ausstellte. Dieses Vorgehen könnte Taktik gewesen sein. In Wirklichkeit sabotierten Damaskus und Moskau die Untersuchung nach Kräften, behaupten westliche Diplomaten in Beirut. Für sie bestehen „keinerlei Zweifel an der Schuld des Assad-Regimes“. Die Beweislage, betonen sie, sei „eindeutig“.
Übermittelt wurden die meisten Beweise anscheinend von der Hilfsorganisation „Weißhelme“, die im Westen als seriös gilt und sogar für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen wurde. Für Moskau und Damaskus sind die „Weißhelme“dagegen ein „Instrument des Westens“. Die Giftgasangriffe am 7. April seien von ihnen inszeniert worden, heißt es dort. Doch diese These scheint inzwischen sogar ein Journalist wie Robert Fisk, dem Sympathien für das Assad-Regime unterstellt werden, zu bezweifeln. Nach Berichten aus Damaskus sollen die Weißhelme der OPCW am Mittwoch zusätzliche Informationen über den mutmaßlichen Giftgasangriff übergeben habe.