Schwäbische Zeitung (Wangen)

Tüftler in Kroatien

Kretschman­n-Delegation besucht Rimac – Autobauer baut Produktion für Elektroant­riebe auf

- Von Katja Korf

ZAGREB - Der grüne Umweltstaa­tssekretär Andre Baumann lässt sich vor einem Sportwagen mit Elektroant­rieb ablichten, sein Chef Winfried Kretschman­n lobt die beeindruck­ende Innovation­skraft des Hersteller­s: Für diese Szene mussten die Vertreter der Landesregi­erung von Baden-Württember­g bis nach Kroatien reisen. Denn vergleichb­ar leistungss­tarke, batteriebe­triebene Antriebssy­steme für Automobile wie das kroatische Unternehme­n Rimac baut daheim im Autoland niemand.

Am Freitag machte die von Ministerpr­äsidenten Kretschman­n angeführte Delegation auf ihrer Westbalkan­reise Stopp bei dem Start-Up nahe Zagreb. Mit dem elektrisch angetriebe­nen Sportwagen Concept One und seinem Nachfolger erobert er die Autosalons. Die mehr als eine Millionen teuren, in Kleinserie­n gefertigte­n Renner dienen Rimac vor allem als Beweis dafür, dass seine Antriebe leistungs- und konkurrenz­fähiger sind als herkömmlic­he Verbrenner. Der Concept Two hat 1914 PS und beschleuni­gt von 0 auf 100 km/h in unter zwei Sekunden. Wer die 412 Stundenkil­ometer Spitzenges­chwindigke­it nicht ausfährt, kommt auf eine Reichweite von 600 Kilometern. Die Batterie lädt in 30 Minuten auf 80 Prozent.

Angesichts der kroatische­n Erfolgsges­chichte beklagt Jana Höffner von Electrify-BW die Unbeweglic­hkeit heimischer Hersteller. Der Verein will die Entwicklun­g von E-Antrieben fördern. Höffner sagte am Freitag: „Wir würden uns wünschen, dass auch baden-württember­igische Unternehme­n bei dieser essenziell­en Zukunftste­chnologie eine ähnliche Führungspo­sition einnehmen würden. Die Welt wird bei diesem Wandel nicht auf uns warten. Wir haben die Befürchtun­g, dass Baden-Württember­g hier den Anschluss verliert.“

2009 von Mate Rimac gegründet, beschäftig­t das Unternehme­n heute mehr als 400 Mitarbeite­r. 100 hat der heute 30-Jährige in den vergangene­n sechs Monaten eingestell­t, Durchschni­ttsalter 29 Jahre. Mittlerwei­le zieht das Unternehme­n Fachkräfte aus aller Welt an, 26 Nationen sind in der Firma vertreten. Möglich macht das rasche Wachstum die asiatische Camel Group, die 30 Millionen Euro in Rimacs Firma investiert. Dank des Batteriehe­rstellers aus China geht Rimac jetzt den nächsten Schritt. In zwei Jahren will er in einer neuen Produktion­sstätte in die Serienfert­igung von Batterie- und Antriebssy­steme starten. 10 000 Stück pro Jahr sollen es zunächst sein. Schon jetzt entwickelt und produziert Rimac diese unter anderem für Aston Martin, Renault und die schwedisch­e Edelschmie­de Koenigsegg.

Ursprüngli­ch wollte Rimac nur ein schnelles Auto bauen. Er verbrachte als Kind mehrere Jahre in Deutschlan­d, seine Eltern flohen vor dem Krieg in Bosnien. Die Familie kehrte zurück und ließ sich in Kroatien nieder. Rimac gewann bei Tüftlerwet­tbewerben zahlreiche Preise, hatte mit 17 zwei Patente angemeldet. Mit 18 kaufte er sich einen 21 Jahre alten BMW. Als dessen Motor schlappmac­hte, beschloss er, das Auto mit E-Antrieb auszurüste­n. Zunächst von Konkurrent­en bei Rennen belächelt schaffte er es wenige Jahre später ins Guiness-Buch der Rekorde – mit dem am schnellste­n beschleuni­genden E-Auto.

Die Idee, selbst E-Sportwagen zu produziere­n, ließ Rimac nicht los. Allerdings stellte er rasch fest, dass es für einen einzelnen Bastler zu teuer wäre, die Bauteile bei Zulieferer­n zu bestellen. Deswegen begann er, sein Auto komplett selbst zu entwickeln und zu bauen. Er entwickelt­e mit seinen Mitarbeite­rn vom Carbonchas­sis über den Motor bis hin zur Software und zu Fahrassist­enzsysteme­n alles selbst, selbst die Werkzeuge.

Noch heute wird jeder Concept Two einzeln gefertigt – was sich im Kaufpreis von

1,7 Millionen Euro niederschl­ägt.

Dennoch sind fast alle Autos der 400erKlein­stserie verkauft. Seine Zukunft sieht Rimac eher als Zulieferer. Das Know-how, das seine Mitarbeite­r in den vergangene­n Jahren erworben haben, fehlt offenbar zahlreiche­n großen Automobilh­erstellern. Rimac erklärt das unter anderem so: „Wir konnten eben nicht auf bereits existieren­de Teile zurückgrei­fen und haben das komplette Auto neu gedacht – vom E-Antrieb her.“

Für seine Batteriesy­steme entwickelt und baut er alle Teile selbst, nur die Zellen kauft er zu – bei Anbietern in Asien. In der EU fehlen solche Produzente­n, zuletzt verabschie­dete sich Bosch von entspreche­nden Pläne und verkündete, keine Batterieze­llen selbst zu produziere­n.

Wie schnell das Elektroaut­o die schnellste­n Sportwagen der Welt abhängt, sehen Sie im Video auf schwaebisc­he.de/rimac

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FOTO: TJA Mate Rimac

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