Der Wert der dualen Ausbildung
Bundespräsident will Debatte über mehr Wertschätzung in Gang bringen
BIETIGHEIM-BISSINGEN - Viele Ausbildungsplätze in deutschen Betrieben bleiben unbesetzt, Lehrlinge brechen ihre Ausbildung ab. So darf es nicht weitergehen, meint Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier – und macht das Thema in dieser Woche auch im Südwesten zur präsidialen Angelegenheit.
Der Bundespräsident und seine Frau Elke Büdenbender haben deshalb bei einem Besuch in BadenWürttemberg für die berufliche Ausbildung geworben. „Wir hoffen, eine Debatte darüber in Gang zu bekommen, die zu dem Ergebnis führt, dass wir den beruflich Ausgebildeten mehr Wertschätzung entgegenbringen als das bisher der Fall ist“, sagte Steinmeier am Donnerstag in der Ludwigsburger Oscar-WalckerSchule, einer gewerblichen Berufsschule.
Lehrermangel an Berufsschulen
Am Beruflichen Schulzentrum in Bietigheim-Bissingen sagte Steinmeier, eine berufliche Ausbildung sei nicht das Ende einer Karriere. „Das Gegenteil ist der Fall.“Jeder, der eine berufliche Ausbildung beginne, könne sich später noch entscheiden, ob er in den akademischen Bereich wechsele oder etwa eine Meisterausbildung mache.
Büdenbender ermunterte insbesondere die Abschlussklassen im Endspurt: „Ich habe selbst eine Ausbildung gemacht. Ich weiß, wie aufregend Zwischenprüfungen und Prüfungen sind.“Büdenbender hat vor ihrem Jurastudium eine Lehre als Industriekauffrau absolviert. Sie warb in Bietigheim-Bissingen aber auch für den Beruf des Berufsschullehrers. „Das ist eine ganz tolle Herausforderung und ein schöner Beruf. Man hat so viele junge Menschen, die man begleiten darf.“Im Südwesten gibt es insbesondere an Berufsschulen einen Lehrermangel. In Begleitung von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) besuchte das Paar drei berufliche Schulen in Ludwigsburg und Bietigheim-Bissingen nahe Stuttgart. Zunächst sprachen die beiden mit Lehrern und jungen Menschen, die im Berufsvorbereitungsjahr sind oder Orgelbauer werden wollen. Die duale Ausbildung für Orgelbau in Ludwigsburg ist europaweit einzigartig. Büdenbender informierte sich bei den Auszubildenden in der schuleigenen Werkstatt über den Beruf.
An der Mathilde-Planck-Schule machten sie sich ein Bild von der Altenpflegeausbildung. Sie beobachteten ein Rollenspiel von angehenden Altenpflegehelfern zur Lagerung von Patienten. Die acht jungen Menschen aus acht Nationen durchlaufen eine zweijährige Ausbildung samt Sprachförderung in dem sehr nachgefragten Beruf. Die Schule bildet auch in Gastronomie, Landwirtschaft und Sozialpädagogik aus. Die Kochklasse bereitete dem Präsidentenpaar ein mehrgängiges Menü zu.
Keine Angst vor Digitalisierung
In Bietigheim-Bissingen besichtigte das Paar die Lernfabrik 4.0 des Beruflichen Schulzentrums. Dort lernen künftige Mechatroniker, wie verkettete Maschinensysteme funktionieren. Eine maschinelle Fertigungsstraße, die kleine Autos produziert, ist dort modellhaft aufgebaut. Steinmeier rief dazu auf, vor der Digitalisierung in der Arbeitswelt keine Angst zu haben. „Wenn wir dem mit Angst begegnen, werden wir die Zukunft nicht gestalten können.“
Steinmeier und seine Frau haben die Schirmherrschaft für die Woche der beruflichen Bildung vom 16. bis zum 20. April übernommen. In dieser Woche besuchen sie Einrichtungen in sechs Bundesländern. Die Aktion ist eine gemeinsame Initiative von Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften.