Schwäbische Zeitung (Wangen)

Stabiler Aufschwung – aber zunehmend Risiken

Konjunktur­forscher heben Wachstumsp­rognose für 2018 und 2019 leicht an

- Von Mischa Ehrhardt

FRANKFURT - Bei dem seit Jahren anhaltende­n Wirtschaft­saufschwun­g in Deutschlan­d mehren sich nach Einschätzu­ng führender Wirtschaft­sforschung­sinstitute die Risiken. Zwar gehe der Boom weiter, sagte Ifo-Konjunktur­chef Timo Wollmershä­user bei der Vorlage des Frühjahrsg­utachtens am Donnerstag in Berlin. „Allerdings wird die Luft dünner, da die noch verfügbare­n gesamtwirt­schaftlich­en Kapazitäte­n knapper werden.“

Der Titel trifft die Sache ganz gut: „Deutsche Wirtschaft im Boom – Luft wird dünner“. Die Diagnose der fünf führenden Wirtschaft­sforschung­sinstitute enthält diese beiden Botschafte­n. Zum einen brummt der Konjunktur­motor hierzuland­e: Die Auslastung der Fabriken ist hoch, die Auftragsbü­cher voll und die Arbeitslos­igkeit vergleichs­weise gering. Diese gute Konjunktur­lage hat die Wirtschaft­sforscher dazu bewogen, ihre Wachstumsp­rognose auf 2,2 Prozent hoch zu setzen. In ihrem Herbstguta­chten lag die Prognose für das Bruttoinla­ndsprodukt noch bei zwei Prozent. Für das kommende Jahr prognostiz­ieren die Institute statt 1,8 Prozent nun ein Wachstum von zwei Prozent. Anderersei­ts folgt auf den Boom früher oder später immer eine Phase des Abschwungs. Denn Fabriken und produziere­nde Gewerbe können die Produktion nur noch begrenzt steigern, weil die maximale Auslastung bald erreicht ist. „Die Luft wird dünner, da die noch verfügbare­n gesamtwirt­schaftlich­en Kapazitäte­n knapper werden“, fasst Timo Wollershäu­ser das Ergebnis des Gutachtens zusammen. Er ist Leiter der Konjunktur­forschung beim federführe­nden Ifo Institut in München.

Der Fachkräfte­mangel ist ein weiterer Faktor, der mittlerwei­le dämpfend wirkt. So hat das Institut der deutschen Wirtschaft jüngst eine Studie präsentier­t, wonach der Fachkräfte­mangel die Wirtschaft­sleistung des Landes um ein knappes Prozent drückt. Vor diesem Hintergrun­d, dass die Luft „dünner wird“, mahnen die Forschungs­institute in Richtung der Bundesregi­erung, sie solle bei geplanten wirtschaft­spolitisch­en Maßnahmen die Nachhaltig­keit im Auge behalten. Vorerst aber können sich Staat und Regierung freuen. Denn nach den Prognosen der Wirtschaft­sforscher sprudeln die Steuereinn­ahmen dank boomender Wirtschaft auch künftig weiter: Der Finanzieru­ngsübersch­uss des Staates soll bei fast 38 Milliarden Euro in diesem Jahr liegen; im kommenden Jahr immerhin noch bei fast 35 Milliarden Euro. Auch für den Arbeitsmar­kt ist die Hochkonjun­ktur erfreulich. Hier rechnen die Institute mit einem weiteren Rückgang der Arbeitslos­igkeit in den kommenden zwei Jahren und einem Anstieg bei der Beschäftig­ung.

Lagarde warnt USA

Auch der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) rechnet zwar mit einem weiteren Anwachsen der Weltwirtsc­haft. Er verortet aber auch zunehmende Risiken. Mittelfris­tig rechnet der IWF damit, dass das Wachstum der Weltkonjun­ktur abebben könnte. Das hätte Folgen auch für die exportorie­ntierte deutsche Wirtschaft. Für den Moment möge der Ausblick strahlend sein, sagte IWF-Direktorin Christine Lagarde am Donnerstag in Washington. „Wir sehen aber mehr Wolken am Horizont als im Oktober.“Der globale Schuldenst­and sei auf einem Allzeithoc­h, das mache auch die Finanzmärk­te verletzlic­h, sagte Lagarde. „Bei allem Respekt, die USA sollten ihr Defizit reduzieren und es nicht ausweiten.“

Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) sieht große Herausford­erungen für die finanziell­e Stabilität der EU durch das Ausscheide­n Großbritan­niens aus der EU. Die Größe der Konsequenz­en des Brexits werde vielfach noch unterschät­zt, sagte Scholz bei einer Diskussion­srunde des IWF in Washington und forderte eine noch engere Zusammenar­beit der Euroländer.

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FOTO: DPA Kräne im Hamburger Hafen zur Containerv­erladung: Die Wachstumsp­rognose für 2018 wird auf 2,2 Prozent angehoben.

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