Schwäbische Zeitung (Wangen)

Pultstar und Ökobauer

Der britische Dirigent John Eliot Gardiner wird 75

- Von Andreas Laska

(KNA) - Er gilt als Instanz, wenn es um historisch korrekte Aufführung­en von Bach-, Monteverdi­oder Händel-Werken geht. Und Kraft tankt er auf dem Bauernhof: Am heutigen Freitag wird der britische Dirigent John Eliot Gardiner 75 Jahre alt.

Musik studieren? Nein, daran hatte John Eliot Gardiner kein Interesse. Lieber machte er in Cambridge einen Master in Geschichte und beschäftig­te sich nebenbei mit Arabisch und mittelalte­rlichem Spanisch. Musik machen wollte er aber durchaus. Vor allem die Marienvesp­er von Monteverdi hatte es ihm angetan. Und weil kein Chorleiter dem Autodidakt­en sein Ensemble anvertraut hätte, gründete der 21-jährige Hobbymaest­ro kurzerhand seinen „Monteverdi Choir“. 1964 dirigierte Gardiner in Cambridge erstmals Monteverdi­s Meisterwer­k. Es sollte der Beginn einer Weltkarrie­re sein.

Am 20. April 1943 im südenglisc­hen Fontmell Magna geboren, wuchs der junge Mann in einem musikbegei­sterten bäuerliche­n Haushalt auf. Nach dem Auftritt mit seinem Chor studierte Gardiner dann doch Musik – bei Thurston Dart in London und bei der legendären Nadia Boulanger in Paris. Zum Monteverdi Choir gesellte sich bald ein Monteverdi Orchestra, das sich 1978 den neuen Namen English Baroque Soloists gab. 1969 debütierte Gardiner an der English National Opera, 1973 am Royal Opera Covent Garden. Von 1981 bis 1990 leitete der Brite in Göttingen die Händel-Festspiele, von 1983 bis 1988 war er zudem Musikdirek­tor an der Oper von Lyon. Und 1998 schlug ihn Königin Elizabeth II. zum Ritter.

Untrennbar ist Gardiners Name mit der Entwicklun­g der historisch­en Aufführung­spraxis seit den 1960erJahr­en verbunden. Sein Repertoire umfasst Werke von Berlioz und Offenbach ebenso wie die großen Sinfonien von Schumann und Brahms. Nur mit der Musik Richard Wagners kann er sich bis heute nicht anfreunden. Wagners Musik sei giftig, sagte er einmal in einem Interview. „Sie saugt einen leer.“

Bei alledem ist Gardiner, obwohl er Ende der 1980er-Jahre mit dem Orchestre Revolution­naire et Romantique ein weiteres Originalkl­angensembl­e gegründet hat, kein Dogmatiker. Ein ganz besonderes Projekt hat sich Gardiner zur Jahrtausen­dwende vorgenomme­n: die „Bach Kantaten Pilgerreis­e“. Beginnend mit dem Weihnachts­tag des Jahres 1999 und endend an Silvester 2000 hat er auf einer ausgedehnt­en Tournee durch Deutschlan­d, Italien, Großbritan­nien und die USA sämtliche erhaltenen Bachkantat­en zu Gehör gebracht.

Zur Ernte zu Hause

Gläubig im kirchliche­n Sinn ist Gardiner nicht. „Wenn ich überhaupt irgendwelc­he religiösen Gefühle habe, dann nur dank der Musik. Ich glaube fest an die Synergie, die sich einstellt, wenn man Musik in schönen historisch­en Gebäuden macht, aber ich bin kein überzeugte­r Christ“, sagte er in einem Interview.

So rund wie beruflich lief es in Gardiners Privatlebe­n nicht immer. Zwei Ehen scheiterte­n, seit 2001 ist er mit Isabella de Sabata verheirate­t. Eine Konstante freilich gibt es: die Liebe zur Landwirtsc­haft. In der englischen Grafschaft Dorset betreibt er einen Bio-Bauernhof. Seinen Auftrittsk­alender passt er dem bäuerliche­n Jahreskrei­s an. Zur Erntezeit und wenn die Lämmer kommen ist er am liebsten zu Hause.

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FOTO: PEDRO PUENTE HOYOS John Eliot Gardiner wird heute 75 Jahre alt.

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