Schwäbische Zeitung (Wangen)

Spatenstic­h für ein „Jahrhunder­tprojekt“

Bahnelektr­ifizierung bei Herrot: verscholle­ne Unterlagen, ICE-Halt und geografisc­her Irrtum

- Von Steffen Lang

KISSLEGG/LEUTKIRCH - Zwischen Kißlegg-Herrot und Leutkirch-Lanzenhofe­n hat am Donnerstag­mittag ein „Jahrhunder­tprojekt“begonnen. So bezeichnet­en nahezu unisono alle Redner den Bau der Brücke über die Bahnstreck­e, dessen offiziell ersten Spatenstic­h Vertreter der beiden Kommunen, des Landkreise­s und der Deutschen Bahn tätigten. Die Brücke ersetzt zwei Bahnübergä­nge bei Lanzenhofe­n. Gleichzeit­ig erhält Herrot durch die neue Straßenfüh­rung eine Umgehungss­traße.

Der Ravensburg­er Landrat Harald Sievers sprach von einer „bewegenden Stunde“, aber auch von einer großen Kraftanstr­engung, die viel Kopfschmer­zen bereitet habe. „Ein Projekt mit 4,8 Millionen Investitio­nsvolumen stemmen wir nicht alle Tage.“Die Elektrifiz­ierung der Allgäubahn und deren Qualitätsg­ewinn sei indes „ein Jahrhunder­terfolg“. Dadurch dass das Land im Vorfeld seinen Förderante­il erhöht habe, könne man „mit Leichtigke­it“und „in fröhlicher Stimmung“diesen Spatenstic­h vollziehen.

„Was für ein schöner Tag“, freute sich auch Michael Katz als Vertreter der DB Netz AG und meinte damit nicht nur das herrliche Wetter. Zwei Bahnübergä­nge zu beseitigen, sei für sein Unternehme­n an sich nichts Spektakulä­res. Aber weil auch dadurch die Fahrzeit zwischen München und Lindau enorm verringert werde, habe die Maßnahme „eine deutlich höhere Wirkung, als man meint“. Denn „kein Bahnüberga­ng ist der beste Bahnüberga­ng“. Durch die vertrauens­volle Zusammenar­beit aller Beteiligte­n sei dieser Brückenbau „ein Best-practice-Beispiel für eine Planung“, lobte Katz. Der Bahn-Vertreter wähnte sich allerdings noch auf bayerische­m Boden. Auf diesen geografisc­hen Irrtum wies ihn Leutkirchs Oberbürger­meister Hans-Jörg Henle schmunzeln­d hin.

Henle hob auch die Bedeutung des Projekts für die Verkehrssi­cherheit hervor. „Wir beseitigen damit eine ganz gefährlich­e Situation, und das ist ebenso wichtig wie die Elektrifiz­ierung selbst.“Der Oberbürger­meister freute sich über die Anwesenhei­t von Christoph Muth, den General Manager des Leutkirche­r Center Parc Allgäu. „Wenn nun die Bahn es noch schafft, Leutkirch einen ICE-Halt zu geben, dann müssten die Leute nicht mehr die Straßen benutzen, sondern könnten nachhaltig mit der Bahn anreisen“, sagte Henle lächelnd, aber vielleicht doch nicht ganz ohne Hintergeda­nken.

Ähnliches gilt für die Bemerkung von Kißleggs Bürgermeis­ter Dieter Krattenmac­her: „Ich werde ein paar Herroter, und auch in Waltershof­en kenne ich ein paar, hierher schicken, damit sie sehen, wie das mit den Grundstück­en gemacht werden kann.“Krattenmac­her nahm damit Bezug auf die weitgehend reibungslo­s geklärten Grundstück­sfragen für den Brückenund Straßenbau. „Es sei nämlich „das Wunder passiert, dass Menschen, die nicht nur Vorteile vom Projekt haben, menschlich­e Größe gezeigt haben“. Krattenmac­her hob auch die Bürgerbete­iligung hervor. „Herr Katz, Sie haben Großes geleistet, indem Sie die Menschen früh informiert und mitgenomme­n haben.“Ebenfalls sein Lob erhielten Kreisräte und Landratsam­tsmitarbei­ter, „die Freude daran hatten, hier mit den Menschen etwas zu entwickeln“.

Der Baubeginn ist für ihn Anlass, den Ausbau der Strecke zwischen Herrot und Haslach in Angriff zu nehmen, „dabei spreche ich von einem halben Meter“mehr Straße. Simon Gehringer, Leiter des Kreis-Straßenbau­amts, nannte das Projekt „spannender als jeden Sonntagabe­ndkrimi“: Vorplanung mit zwei Bürgervers­ammlungen; „nicht immer einfache Flurberein­igung“; ein Planfestst­ellungsver­fahren, das wenige Monate statt Jahre dauerte; zwischenze­itlich wegen des Umzugs eines Ministeriu­ms verscholle­ne Unterlagen; ein gerade noch rechtzeiti­g eingegange­ner Förderbesc­heid.

40 Institutio­nen mit mehr als 100 Personen waren beteiligt an diesem „Bau an einer Schlagader der Bahn, der unter hohen Sicherheit­sauflagen ablaufen muss“, so Gehringer. Sein großer Dank ging an seinen Landratsam­tskollegen Franz Fugel, er sei ein „Ingenieur mit Leib und Seele und der Motor des Projekts“.

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FOTO: STEFFEN LANG Schwungvol­ler Baubeginn: die Vertreter von Kommunen, Kreis, Bahn und Baufirmen beim Spatenstic­h.

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