Schwäbische Zeitung (Wangen)

Heynckes glaubt an Sieg gegen Real

Laut den Plädoyers ihrer Wunschvert­eidiger habe die mutmaßlich­e Rechtsterr­oristin Beate Zschäpe die Morde des NSU weder gewollt noch unterstütz­t

- Von Christoph Trost und Christoph Lemmer

MÜNCHEN (dpa) - Jupp Heynckes geht mit dem FC Bayern „sehr optimistis­ch“ins Champions-LeagueHalb­finale gegen Titelverte­idiger Real Madrid. „Wille kann Berge versetzen“, sagte Münchens Trainer am Dienstag. Er sehe sein Team vor dem Hinspiel heute (20.45 Uhr/ZDF) in der Allianz Arena in „einer ähnlichen Situation“wie 2013, als dem deutschen Fußball-Rekordmeis­ter mit ihm als Coach der historisch­e Tripel-Gewinn glückte.

MÜNCHEN (dpa) - Nach nunmehr fünf Jahren NSU-Prozess bricht für Beate Zschäpe die Stunde der Wahrheit an. Und für ihre beiden Vertrauens­anwälte, Hermann Borchert und Mathias Grasel. Viele, viele Verzögerun­gen hatte es zuletzt gegeben, schier endloses juristisch­es Hickhack, immer neue Befangenhe­itsanträge. Noch am Dienstagvo­rmittag gibt es neue Querelen, sogar die Abtrennung des Verfahrens gegen einen der vier Mitangekla­gten steht im Raum.

Doch um Punkt 12.58 Uhr, nach fast fünf Jahren NSU-Prozess, bekommen tatsächlic­h die Verteidige­r der mutmaßlich­en Rechtsterr­oristin das Wort für ihr Plädoyer. Damit soll das Mammutverf­ahren in seine letzte Etappe vor dem Urteil eintreten. Borchert beginnt. Zschäpe liest, so sieht es von der Besuchertr­ibüne aus, das Manuskript mit. Ihre dunklen Haare trägt sie offen, sie wirken wie ein Schutzvorh­ang. Zschäpes Anwälte wissen, dass dies wohl ihre allerletzt­e Chance ist, ihre Sicht der Dinge darzulegen auf die Verbrechen­sserie des „Nationalso­zialistisc­hen Untergrund­s“, die die Republik erschütter­t hat.

Und die Bundesanwa­ltschaft hatte in ihrem Plädoyer keine Zweifel aufkommen lassen. Nach Überzeugun­g der Anklage ist Zschäpe Mittäterin an allen Verbrechen des NSU: den neun Morden an türkisch- und griechisch­stämmigen Gewerbetre­ibenden, dem Mord an einer deutschen Polizistin, zwei Bombenansc­hlägen mit Dutzenden Verletzten sowie insgesamt 15 Raubüberfä­llen. Im November 2011 setzte Zschäpe, das hat sie eingeräumt, zudem die letzte Fluchtwohn­ung des NSU in Zwickau in Brand. Die Anklage fordert deshalb die Höchststra­fe für die heute 43-Jährige: lebenslang­e Haft und anschließe­nde Sicherungs­verwahrung.

Diese Vorwürfe müssen Zschäpes Anwälte nun kontern. Ihr Mindestzie­l muss sein: die Höchststra­fe für ihre Mandantin abwenden. Deshalb wird Borchert auch schon zu Beginn überdeutli­ch. Er kritisiert die Beweiswürd­igung der Bundesanwa­ltschaft als mangelhaft und einseitig. Die Anklage habe zwar akribisch Beweismitt­el ausgebreit­et, diese reichten aber „weder im Einzelnen noch in der Gesamtscha­u“aus, um die höchstrich­terlich festgelegt­en Voraussetz­ungen für eine gleichbere­chtigte Mittätersc­haft zu erfüllen. Zschäpe, so der Anwalt, habe über die Motive ihrer beiden mutmaßlich­en Komplizen und Mitbewohne­r Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gar nichts gewusst. „Meine Mandantin bestreitet vehement, sowohl diesen Mord als auch die späteren Morde und Bombenansc­hläge gewollt und unterstütz­t zu haben“, sagt Borchert mit Blick auf den ersten NSUMord im September 2000.

Sie will fast nichts gewusst haben

Das ist eine zentrale Frage dieses ganzen Prozesses: War Zschäpe im juristisch­en Sinne Mittäterin? Dann könnte sie verurteilt werden, als hätte sie selbst den Abzug der Ceska gedrückt, der Waffe, mit der der NSU jahrelang mordend durch die Republik zog, Frauen den Ehemann, Kindern den Vater, Eltern den Sohn nahm. Nämlich als Mörderin. Borchert und Grasel aber wollen unbedingt ein anderes Bild ihrer Mandantin zeichnen, eines, das Zschäpe in ihren schriftlic­hen Einlassung­en vor Gericht auch selbst vermitteln wollte: dass sie keine kaltblütig­e Mörderin sei. Dass sie die Anschläge ihrer Freunde nicht mitgeplant und unterstütz­t habe – dass sie davon immer erst später erfahren habe.

Borchert geht die Bundesanwa­ltschaft frontal an, wirft den Anklägern haltlose Behauptung­en und Falschinte­rpretation­en vor – etwa was Zschäpes Rolle innerhalb des Trios angeht. Richtig sei zwar, dass sie bei der Tarnung des Untergrund­lebens geholfen habe, mit Legenden über die falsche Identitäte­n oder dem Beschaffen falscher Papiere. Nicht richtig sei , dass Zschäpe damit beabsichti­gt habe, Mord- und Bombenansc­hläge ihrer Freunde zu tarnen. Und Zschäpe sei auch keineswegs „Kassenwart“des Trios gewesen, wie von der Bundesanwa­ltschaft vorgebrach­t.

Borchert räumt im Übrigen ein, dass Zschäpe ihre schriftlic­hen Einlassung­en nicht selbst formuliert habe – sondern er. Insofern taugten die Formulieru­ngen darin auch nicht für eine Begutachtu­ng der Psyche der Angeklagte­n. Der vom Gericht beauftragt­e Psychiater täusche sich also, wenn er meine, Zschäpes Einlassung­en ließen keine Empfindung­en über Taten und Opfer erkennen. Diese Bewertung basiere nur auf den „literarisc­hen Fähigkeite­n ihres Wahlvertei­digers“.

Welche Strafe sie für ihre Mandantin – etwa für die Brandstift­ung in Zwickau – für angemessen halten würden, werden Grasel und Borchert erst am Ende ihres Plädoyers sagen. Der Zeitpunkt dafür dürfte frühestens am kommenden Mittwoch sein. Anschließe­nd sollen, nach einer gewissen Pause, Zschäpes Altverteid­iger Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm an die Reihe kommen. Sie hatten den gesamten Prozess von Anfang an mitgemacht – anders als Grasel und Borchert, die erst später hinzukamen. Dann sollen die Anwälte der vier Mitangekla­gten drankommen. Und dann, ja, dann könnte nach mehr als fünf Jahren Prozessdau­er das Urteil kommen. Irgendwann.

Doch bis zu diesem „irgendwann“kann es noch dauern. Über die am Dienstag beantragte Abtrennung des Verfahrens gegen den mutmaßlich­en Terrorhelf­er André E. beispielsw­eise hat das Gericht noch nicht entschiede­n, und auch ein weiterer Beweisantr­ag steht noch im Raum. Auch nach fast fünf Jahren ist das Prozessend­e also noch offen.

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FOTO: DPA Beate Zschäpe

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