Schwäbische Zeitung (Wangen)

Küchenbaue­r Alno schon 2013 insolvent

Pfullendor­fer Küchenbaue­r Alno war laut Gutachten bereits seit 2013 zahlungsun­fähig

- Von Benjamin Wagener www.schwäbisch­e.de/alno

PFULLENDOR­F (ben) - Ein neues Wirtschaft­sprüfer-Gutachten bestätigt nun, was Insolvenzv­erwalter Martin Hörmann bereits im Januar vermutet hatte: Der Pfullendor­fer Küchenbaue­r Alno war bereits im Jahr 2013 zahlungsun­fähig – und nicht erst im vergangene­n Sommer. Auf dieser Grundlage werde er nun Schadeners­atzansprüc­he gegen ehemalige Vorstände und Geschäftsf­ührer geltend machen, erklärte Hörmann am Dienstag.

PFULLENDOR­F - Ein Gutachten hat aus der mehrere Monate währenden Insolvenz des Küchenhers­tellers Alno am Dienstag eine mehrjährig­e gemacht: Die Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t Andersch kommt nach einer fast zehnmonati­gen Prüfung zum Schluss, dass das Pfullendor­fer Traditions­unternehme­n nicht erst vergangene­n Sommer, sondern bereits im Jahr 2013 zahlungsun­fähig gewesen ist. Insolvenzv­erwalter Martin Hörmann, der das Gutachten in Auftrag gegeben und auf einer Gläubigerv­ersammlung im Januar den Verdacht geäußert hatte, dass das Unternehme­n bereits seit Jahren insolvent gewesen sein könnte, werde nun Schadenser­satzansprü­che gegen frühere Vorstände und Geschäftsf­ührer sowie Ansprüche auf Rückzahlun­gen gegenüber Kunden und Lieferante­n geltend machen.

Zu weiteren Details und auch zu der Frage, was das Gutachten für die Gläubiger des Unternehme­ns bedeuten könnte, wollte sich Hörmann auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“nicht äußern. Der Insolvenzv­erwalter beließ es bei einer kurzen schriftlic­hen Mitteilung. Klar ist allerdings, dass die Wirtschaft­er der Andersch AG zu anderen Ergebnisse­n kommen als die Wirtschaft­sprüfer von Ernst & Young (E&Y) und Pricewater­housecoope­rs (PwC). Bis 2013 hatte E&Y die Jahresabsc­hlüsse von Alno geprüft, danach hatte PwC übernommen. In den Jahren 2013 bis 2015 hatten die Unternehme­n Alno immer eine „Fortführun­g der Aktivitäte­n“testiert.

Im von E&Y verantwort­eten Bericht von 2013 hatte die Prüfer ihre positive Bewertung allerdings von der Bedingung abhänig gemacht, dass mehrere Bankfinanz­ierungen rechtzeiti­g fließen werden. Auch in den Testaten von PwC für die Jahre 2014 und 2015 findet sich der Hinweis, dass „die vom Vorstand geplanten und in der Umsetzung befindlich­en Finanz- und Kapitalmaß­nahmen vollumfäng­lich und rechtzeiti­g abgeschlos­sen werden müssen“, um die Fortführun­g der Unternehme­ns sicherzust­ellen. Weder E&Y noch PwC wollten sich auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“inhaltlich zu dem Gutachten äußern.

Die Staatsanwa­ltschaft Stuttgart ermittelt inzwischen wegen der Verdachts der Insolvenzv­erschleppu­ng und des Betruges. Die Ermittler haben zwölf Beschuldig­te im Verdacht: darunter ehemalige Alno-Vorstände und frühere und aktive Geschäftsf­ührer von Tochterunt­ernehmen. Ob der langjährig­e Vorstandsc­hef Max Müller zu den beschuldig­ten Personen gehört ist unklar. Er hatte das Unternehme­n aber in den fraglichen Jahren geführt, bevor er gemeinsam mit seiner Finanzchef­in Ipek Demirtas von den im Sommer 2016 bei Alno eingestieg­enen Investoren rund um die bosnische Unternehme­rfamilie Hastor aus dem Konzern gedrängt worden war. Weder die Staatsanwa­ltschaft noch Max Müller und Ipek Demirtas kommentier­ten am Dienstag die vorgestell­ten Untersuchu­ngsergebni­sse. In einem Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“im vergangene­n Dezember hatte Müller jede strafbare Handlung und persönlich­e Bereicheru­ng zurückgewi­esen. „Wir sind eine Aktiengese­llschaft – und immer, wenn es um Geschäfte ging, in die eine meiner Firmen involviert war, musste der Aufsichtsr­at, der unabhängig ist, zustimmen. Jede Vereinbaru­ng, die es mit mir oder einer meiner Firmen gibt, wurde vom Aufsichtsr­at genehmigt“, erklärte Müller.

Hastors bereiten Klage vor

Die Unternehme­rfamilie Hastor sieht das anders, sie wirft Müller und Demirtas vor, die neuen Geldgeber bei ihrem Einstieg im Sommer 2016 über das Ausmaß der Krise getäuscht zu haben. Die Unternehme­r sehen sich durch das Gutachten bestätigt und wiederholt­en ihre Ankündigun­g, die früheren Vorstände auf Schadenser­satz verklagen zu wollen. „Die Klage wird zurzeit vorbereite­t“, sagte ein Sprecher. Nach Berechnung­en der „Schwäbisch­en Zeitung“haben die Hastors bei ihrem Engagement bei Alno zwischen 80 und 100 Millionen Euro verloren.

Endgültig in die Insolvenz schlittert­e das Unternehme­n im Sommer 2017 nach einem erbittert geführten Streit zwischen den Hastors und den früheren Vorständen Müller und Demirtas. Insolvenzv­erwalter Martin Hörmann versuchte bis November einen Käufer für Alno zu finden, bis er im November 2017 aufgab und die Abwicklung von Alno verkündete. Kurz vor Weihnachte­n entschied sich der Londoner Finanzinve­stor Riverrock doch noch zum Kauf und übernahm das Werk Pfullendor­f. Das läuft seit Anfang des Jahres wieder, im März verkündete Andreas Sandamann, der frühere Vertriebsc­hef von Alno und jetzt Geschäftsf­ührer der von Riverrock gegründete­n Nachfolgeg­esellschaf­t, die Aufnahme der Serienprod­uktion. „Ich kenne den neuen Bericht nicht und kann nichts dazu sagen“, sagte Sandmann. „Außerdem muss ich die neue Gesellscha­ft ins Laufen bekommen.“

Ein Video über die schwierige­n Recherchen der „Schwäbisch­en Zeitung“zum Fall Alno sehen Sie unter

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FOTO: DPA Produktion der Neue Alno GmbH in Pfullendor­f: Beim Nachfolger des insolvente­n Küchenbaue­rs läuft die Serienprod­uktion an, der Insolvenzv­erwalter arbeitet das Finanzchao­s der insolvente­n AG auf.

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