Schwäbische Zeitung (Wangen)

Lebensmitt­el werden immer teurer

Weniger Preiskämpf­e im deutschen Lebensmitt­elhandel – Verbrauche­r zahlen gerne drauf

- Von Erich Reimann

DÜSSELDORF (dpa) - Egal ob Milch, Käse, Eier oder Obst: Viele Lebensmitt­el sind in den vergangene­n zwölf Monaten deutlich teurer geworden. Der Preisansti­eg liegt nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamte­s mit rund drei Prozent fast doppelt so hoch wie die allgemeine Inflations­rate. Ein Grund dafür: Die Zeit der großen Rotstift-Aktionen ist vorbei.

„Der Preiskampf im deutschen Lebensmitt­elhandel ist abgeflaut“, berichtet Matthias Queck von Retailytic­s, der Analysteng­ruppe der „Lebensmitt­el Zeitung“. „Weder die Discounter noch die Supermärkt­e haben im Moment ein Interesse daran, unnötig preisaggre­ssiv aufzutrete­n.“

Waren Preissenku­ngsrunden früher ein Riesenerei­gnis mit ganzseitig­en Zeitungsan­zeigen, suche man heute danach vergebens, beschreibt der Branchenke­nner die Situation. „Die Preissenku­ngen, die aktuell noch vorgenomme­n werden, fallen oft nur homöopathi­sch aus. Die Preiserhöh­ungen sind dagegen durchaus knackig.“

So sei etwa Thunfisch zuletzt um 30 Prozent teurer geworden. In den Drogeriemä­rkten würden teilweise die Preise für ganze Artikelgru­ppen nach oben gesetzt. Das verhindere das Ausweichen der Verbrauche­r auf andere Artikel.

Geld sitzt locker

Über die Gründe für das Abflauen der Preiskämpf­e muss der Experte nicht lange nachdenken: „Zum Teil liegt das ganz einfach daran, dass die Verbrauche­r bereit sind, mehr auszugeben, weil sie mehr verdienen.“Dass bei vielen Konsumente­n das Geld locker sitzt, zeigt auch eine aktuelle Studie des Marktforsc­hungsunter­nehmens GfK. Demnach gönnen sich die Verbrauche­r inzwischen öfter mal beim Kauf von Konsumgüte­rn – egal ob Lebensmitt­el oder Kosmetikar­tikel – einen „kleinen Luxus“, indem sie zu höherwerti­gen Produkten greifen als normal.

Was nicht heißt, dass die schleichen­de Verteuerun­g vieler Lebensmitt­el von den Kunden nicht registrier­t wird. Nach Angaben des Marktforsc­hungsunter­nehmens Nielsen haben inzwischen 74 Prozent der Verbrauche­r das Gefühl, dass die Lebensmitt­elpreise steigen.

Zum Vergleich: Vor einem Jahr waren es gerade einmal 59 Prozent. Und gut die Hälfte der Kunden reagiert nach eigenen Angaben bereits darauf und greift öfter zu Sonderange­boten oder günstigere­n Eigenmarke­n.

Keine Preissenku­ngen in Aussicht

Eine Rückkehr zu den erbitterte­n Preiskämpf­en der Vergangenh­eit ist für Queck dennoch vorläufig nicht in Sicht. „Solange die Wachstumsr­aten im Lebensmitt­elhandel noch so hoch sind wie derzeit, haben die Unternehme­n keinen Grund, den Wettbewerb durch Preissenku­ngen anzuheizen“, meint er.

Schließlic­h ist das kräftige Wachstum im Lebensmitt­elhandel in Deutschlan­d im vergangene­n Jahr laut GfK vor allem auf zwei Ursachen zurückzufü­hren: auf die Bereitscha­ft der Verbrauche­r, öfter zu höherwerti­gen Produkten – also etwa zu Markenarti­keln statt zur Eigenmarke – zu greifen, und gleicherma­ßen auf die gestiegene­n Preise.

Mehr Ware verkauft wurde dagegen nicht. „Die Mengennach­frage stagniert im Grunde schon lange“, heißt es bei der GfK. Bei einem Wiederaufl­eben der Preiskämpf­e dürfte es deshalb unter den Händlern wohl mehr Verlierer als Gewinner geben.

Für die Verbrauche­r stellt sich das Bild allerdings ganz anders dar. „Der Handel hat sich lange damit gebrüstet, nirgendwo in Europa seien Lebensmitt­el für die Verbrauche­r günstiger als in Deutschlan­d. Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich noch so ist“, meint Queck.

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FOTO: DPA Den Einkaufswa­gen zu füllen, ist in den vergangene­n zwölf Monaten immer teurer geworden.

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