Schwäbische Zeitung (Wangen)

Rauchende Köpfe

Frank Schätzings neuer Roman „Die Tyrannei des Schmetterl­ings“erschienen

- Von Steffen Trumpf

KÖLN (dpa) - Im Zentrum des neuen Schätzing-Thrillers „Die Tyrannei des Schmetterl­ings“steht ein genialer Supercompu­ter namens Ares. Ares steht für „Artificial Research and Exploring System“und eine „an sich gutartige Kreatur“, wie es sein Schöpfer nennt. Über das „an sich“kann man allerdings streiten, handelt es sich doch um eine künstliche Intelligen­z, die nach Informatio­nen lechzt, die klugen Köpfe seiner Erschaffer schon bald abhängt und vor allem eines nicht sein möchte: künstlich. Und da fangen die Probleme an.

Wo passt solch eine Supermasch­ine am wenigsten hin? Richtig: In die Provinz der USA in Zeiten eines Präsidente­n Donald Trump. Schätzing hat den Schauplatz natürlich mit Bedacht gewählt: Hier haben die Leute so viel Ahnung von künstliche­r Intelligen­z wie die meisten anderen auf diesem Planeten – nämlich gar keine. Genau das richtige Milieu also, damit Schätzing seinen Lesern dieses hochkomple­xe Thema näherbring­en kann, ohne Wissenscha­ftler im Fachjargon sprechen lassen zu müssen.

Nun ist Schätzing (60) nicht der Erste, der derzeit die Frage aufwirft, was die künstliche Intelligen­z eines Tages mit uns anstellen könnte: Dan Brown hat sich kürzlich in „Origin“damit befasst, selbst der „Tatort“hat dem Thema vor nicht allzu langer Zeit mehrmals Beachtung geschenkt.

Die Ausgangsla­ge klingt simpel: In einer Schlucht im verschlafe­nen Sierra County hängt eine Frau engelsglei­ch tot vom Baum. Sheriff Luther Opoku und seine Kollegin Ruth Underwood sind ratlos.

Wie passt da nun die „bedeutends­te Forschungs­anlage der Vereinigte­n Staaten“hinein, ein „im Akkord kackender Goldesel“der benachbart­en Silicon-Valley-Elite, der 100 Meter unter der Erde Informatio­nen frisst und weltweit seinesglei­chen sucht? Das fragt sich Opoku nach kurzer Zeit auch – und muss kurzerhand miterleben, wie sein Leben so weit umgekrempe­lt wird, dass er irgendwann froh über die Erkenntnis ist: „Ich bin wirklich. Ich existiere.“

Schwierige­s Thema leichtgema­cht

Tauschen möchte man mit dem zweifelnde­n Opoku nicht. Fragen über Fragen: Was ist Zukunft, wenn sie in der Gegenwart stattfinde­t? Beziehungs­weise sich gerade in der Vergangenh­eit abgespielt hat? Und wie wirklich ist da noch die Wirklichke­it, wenn Tote auf einmal leben und Lebende einen Blick auf ihre eigene Leiche ertragen müssen? Das Chaos im Kopf ist perfekt.

Wie schon in seinen vorherigen Werken schafft es Schätzing, seine Leser für ein schwierige­s Thema zu begeistern. Er zeigt die immensen Möglichkei­ten der künstliche­n Intelligen­z auf, aber auch ihre immensen Gefahren.

Mittlerwei­le sind knapp 14 Jahre vergangen, seit Schätzing einem mit dem legendären „Schwarm“eines dieser massigen, seitenstar­ken Epen ins Bücherrega­l gestellt hat, zu denen er so gerne tendiert. Fünf Jahre später legte er mit dem 1300-SeitenWelt­raumspekta­kel „Limit“einen weiteren Wälzer nach, 2014 folgte mit „Breaking News“ein Thriller, der mit seinen fast 1000 Seiten wieder „Schwarm“-Länge hatte. „Die Tyrannei des Schmetterl­ings“klingt da mit ihren 730 Seiten für Schätzing-Verhältnis­se fast nach Kurzroman. Doch die „Kürze“tut der Handlung durchaus gut: Überrasche­nd schnell nimmt sie Fahrt auf, ohne dabei Tiefgang einzubüßen.

Frank Schätzing: Die Tyrannei des Schmetterl­ings. Kiepenheue­r & Witsch, Köln, 736 Seiten, 26 Euro.

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FOTO: OLIVER BERG Frank Schätzing

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