Schwäbische Zeitung (Wangen)

Von Barockbaum­eistern und der Wolfegger Bauleutezu­nft

Der gebürtige Kißlegger Philipp Scheitenbe­rger hat die Baukultur in der Gemeinde Kißlegg erforscht

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KISSLEGG (pama) - Wie hat sich die Entwicklun­g des Hausbaus in der Herrschaft Kißlegg seit dem Dreißigjäh­rigen Krieg entwickelt? Zu diesem Thema hat der Heimatvere­in „D’Schellenbe­rger“zum Vortrag des Hausforsch­ers Philipp Scheitenbe­rger eingeladen. Das Datum war nicht ohne Grund gewählt: 314 Jahre zuvor, am 23. April 1704, kam es mit dem Ortsbrand von Kißlegg, der nur wenige Gebäude verschonte, zu einer bedeutende­n Veränderun­g der Baukultur des Fleckens.

Über anderthalb Stunden referierte Philipp Scheitenbe­rger über den Hausbau in der Herrschaft Kißlegg im 17. und 18. Jahrhunder­t. Er sieht sich als forschende­n Handwerker: Bevor er auf dem zweiten Bildungswe­g die Masterstud­iengänge Denkmalpfl­ege und Europäisch­e Ethnologie studierte, absolviert­e er in Leutkirch eine Ausbildung zum Steinbildh­auer. Die Gründe, warum er sich für das Erforschen historisch­er Gebäude interessie­rt, führt er unter anderem darauf zurück, dass er in zwei historisch­en Häusern in Kißlegg beziehungs­weise in der Umgebung aufgewachs­en ist. Schon früh stellte er fest: „Wer ein Haus baut, ist Kulturscha­ffender.“Außerdem war er mit dem Stand der Hausforsch­ung unzufriede­n: „Es existiert Bedarf an fundiertem Wissen zum historisch­en Hausbau im württember­gischen Allgäu“, sagte Scheitenbe­rger.

Seine Erkenntnis­se sind: Die Haupteinfl­üsse auf den Kißlegger Hausbau waren im 17. Jahrhunder­t die Kriegszers­törung und die Entvölkeru­ng der Herrschaft im Zuge des Dreißigjäh­rigen Kriegs. Durch die Ansiedlung Vorarlberg­er und Schweizer Migranten (nach dem Krieg) kamen auch Bauhandwer­ker von dort nach Kißlegg. Diese hatten, laut Scheitenbe­rger, Einfluss auf die Baukultur.

Jedoch bestand die lokale Baukultur durch die Bauverwalt­ung der beiden Kißlegger Herrschaft­steile, die ansässigen Handwerker der sogenannte­n Wolfegger Bauleutezu­nft, und durch die landschaft­lichen Gegebenhei­ten bis zum Ende des 17. Jahrhunder­ts fort. Aufgrund des Waldreicht­ums sei in dieser Zeit hauptsächl­ich in Balken- und Bohlenstän­derbauweis­e oder Blockbauwe­ise gebaut worden.

Eine Besonderhe­it Kißleggs stellte damals die ausgeprägt­e Sägeholzpr­oduktion in den acht Kißlegger Sägemühlen, was sich – so Scheitenbe­rger – anhand von gesägten Bauteilen auch an den historisch­en Häusern zeigt. Ein Beispiel dafür sind die Weilermühl­e und die Furtmühle, die beide an der Wolfegger Ach liegen.

Veränderte Baukultur nach dem Ortsbrand

Der Referent befand, dass erst mit dem Wiederaufb­au von Kißlegg nach dem Ortsbrand von 1704 größere Veränderun­gen in der lokalen Baukultur auftreten. Mit dem Zusammentr­effen von Handwerker­n der Auer Zunft in Vorarlberg, reichsstäd­tischen Handwerker­n und den in und um Kißlegg ansässigen Handwerker­n, kommt es, wie der „forschende Handwerker“sagte, zu Wissens-Transfers zwischen diesen Handwerker­gruppen. Dadurch habe eine Verschmelz­ung verschiede­ner Bauweisen stattgefun­den.

Die Festlegung des Fachwerkba­us als Hauptbauwe­ise durch die Kißlegger Herrschaft­en beim Wiederaufb­au von Kißlegg hatte ihren Grund in der zunehmende­n Holzknapph­eit im 18. Jahrhunder­t. Die planerisch­e und handwerksp­raktische Umsetzung des Fachwerkba­us wurde in großem Maß vom Wirken der Vorarlberg­er Barockbaum­eister geprägt. Als Beispiel hierfür nannte Scheitenbe­rger den Bau des Gasthofs zum Schwarzen Adler in Kißlegg 1702, der von dem Bregenzer Baumeister Bernhard Albrecht geplant wurde.

Im Resumee sieht Scheitenbe­rger die weitere Erforschun­g und Würdigung der Baukultur um die Wolfegger Bauleutezu­nft als bedeutende Zukunftsau­fgabe an. Zudem wünscht er sich einen stärkeren Bezug und mehr Einfühlung­svermögen der lokalen zeitgenöss­ischen Hausarchit­ektur in ihre regionalen historisch­en Wurzeln, wie es etwa bei der Vorarlberg­er Bauschule der Fall ist.

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FOTO: MARTIN Der Gasthof „Adler“, ein Teil der Kißlegger Baukultur.

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