Schwäbische Zeitung (Wangen)

Die Tigers sind zahnlos geworden

Die Tübinger Basketball­er müssen sich nach 14 Jahren aus der ersten Liga verabschie­den

- Von Michael Panzram

TÜBINGEN - In einer langen Reihe von sportliche­n Tiefschläg­en ist die 72:125-Heimnieder­lage gegen Alba Berlin für die Walter Tigers Tübingen in dieser Saison zumindest vom Ergebnis her ein echter Tiefpunkt gewesen. Emotional mitgenomme­n hat das in der Studentens­tadt eigentlich niemanden mehr. Denn der Abstieg aus der Basketball-Bundesliga stand schon vorher fest. Nach 14 Jahren muss Tübingen so etwas wie einen Neuanfang in der zweiten Liga starten. Wie dieser aussehen soll, ist allerdings noch ziemlich offen.

Nahezu halbleer präsentier­te sich die Paul-Horn-Arena in Tübingen am Freitagabe­nd, obwohl die Walter Tigers den renommiert­en Tabellenzw­eiten Alba Berlin zu Gast hatten. Die Daheimgebl­iebenen ahnten wohl, dass es wenig zu feiern geben würde. So schwer vorauszusa­gen war das aber auch nicht. Denn in dieser desaströse­n Saison in der ersten Basketball-Bundesliga haben die Tübinger gerade einmal ein Heimspiel gewonnen – im Dezember, auswärts setzte es sogar ausschließ­lich Niederlage­n. Das Debakel gegen Berlin zeigte: Die Tigers sind ganz schön zahnlos geworden, nachdem sie sich weit länger als ein Jahrzehnt als äußerst bissig erwiesen. „Alba hat uns gezeigt, wie man Basketball spielt“, sagte Tigers-Trainer Mathias Fischer, der das Amt Ende November übernahm, den Abstieg aber auch nicht verhindern konnte.

14 Jahre lang gehörten die Tübinger Basketball­er zum Inventar der ersten Liga. Nach dem Aufstieg 2004 wurden aus dem SV 03 Tübingen die Walter Tigers – neben dem neuen, namensgebe­nden Hauptspons­or änderte sich auch die Spielstätt­e. Aus der viel zu kleinen Uhlandhall­e siedelte die Mannschaft in die neue Paul-Horn-Arena am Stadtrand um. Auch das Budget wurde erhöht, auch wenn es zu den kleinsten in der ersten Liga gehörte.

In den kommenden Jahren kämpfte Tübingen mehr oder weder andauernd gegen den Abstieg, hielt aber immer wieder die Klasse und brachte sogar die eine oder andere spielerisc­he Perle hervor, etwa den heute für den Ligaprimus FC Bayern München spielenden Reggie Redding. „Um in dieser Liga zu bestehen, muss bei uns alles optimal laufen“, sagt Tigers-Pressespre­cher Tobias Fischer. Lange ging das gut, was auch an der Kontinuitä­t auf der Geschäftsf­ührerPosit­ion lag, die Robert Wintermant­el seit 2007 innehat.

Ein einziger Sieg gegen Göttingen

In dieser Saison nun hat es die Walter Tigers Tübingen erwischt. Und zwar so richtig. Nach zehn, oft knappen Niederlage­n in Folge zu Beginn wurde Trainer Tyron McCoy im November entlassen. Es übernahm Mathias Fischer, der in Bamberg zwei Jahre zuvor gute Erstligaer­fahrung gesammelt hatte, mit Tübingen zwar bald den ersten Sieg gegen Göttingen vorweisen konnte – die Mannschaft aber auch nicht mehr entscheide­nd in die Spur brachte.

Und das, obwohl ihm ein Team zur Verfügung stand, das das teuerste in der gesamten Erstligaze­it war. So wurde etwa der stark eingeschät­zte US-Amerikaner Ryan Brooks für den Flügel geholt. Doch die Konkurrenz schlief nicht, legte ebenfalls ordentlich zu – und enteilte den Tigers so letztendli­ch Jahr für Jahr ein weiteres Stück. „Es gibt inzwischen so viele große Mannschaft­en“, sagt Tobias Fischer. Und dann komme auch noch dazu, dass sich nach all den Nackenschl­ägen in den Köpfen der Tübinger Spieler unweigerli­ch eine gewisse Resignatio­n festgesetz­t habe. So sei auch erklärbar, dass den Zuschauern einzelne Viertel zugemutet wurden wie das dritte gegen Alba, das am Freitagabe­nd 4:36 aus Tübinger Sicht ausging. Dass es in den verbleiben­den Spielen gegen München, Würzburg und Ludwigsbur­g besser laufen wird, glaubt Tobias Fischer nicht: „Die Spieler wissen gar nicht mehr, wie gewinnen geht.“

Und dann wird diese Katastroph­ensaison endlich vorbei sein. Vorher wollen sich die Tübinger noch nicht zu den ganz großen Fragen äußern. Etwa der, wer Trainer in der zweiten Liga sein wird. Ob also Mathias Fischer bleibt, oder ein anderer übernimmt. Ganz entscheide­nd wird auch sein, ob Hauptspons­or Walter sein Engagement in dieser Form aufrecht erhält. Bis Anfang Mai hat sich das Tübinger Unternehme­n Bedenkzeit erbeten.

Wie die Mannschaft aussehen wird, ist auch noch unklar. Der enttäusche­nde Ryan Brooks wird jedenfalls nicht mehr dazu gehören, er hat den Verein schon im März auf eigenen Wunsch den Rücken gekehrt. Tigers-Pressespre­cher Tobias Fischer ist sich sicher: Viele Spieler, die im Moment auf dem Parkett stehen, werden Tübingen verlassen. Unverbrauc­hte Gesichter sollen her. Am besten solche, die den Tigers zu altem Biss verhelfen. Damit am Neckar bald wieder Erstliga-Basketball zu sehen sein wird.

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FOTO: IMAGO Gegen Alba Berlin war die Basketball-Arena in Tübingen alles andere als ausverkauf­t. Beim desolaten 72:125 stach Barry Stewart (ganz links) aus einer schwachen Heimmannsc­haft positiv hervor.
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FOTO: IMAGO Auch er konnte den Abstieg der Tübinger nicht verhindern: Trainer Mathias Fischer.

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