Schwäbische Zeitung (Wangen)

La Bestia Jupp

Heynckes und seine Bayern wollen sich von Titelverte­idiger Madrid nicht aufhalten lassen

- Von Patrick Strasser

MÜNCHEN - Wann sind die Bayern unter Jupp Heynckes zuletzt in einem Halbfinale gescheiter­t? Eine Frage für jedes Nerd-Quiz, die Antwort findet man im Museum. Am 24. April 1991 reichte es für die Bayern im Halbfinalr­ückspiel des Europapoka­ls der Landesmeis­ter bei Roter Stern Belgrad nur zu einem 2:2. Durch die 1:2-Hinspielpl­eite verpassten Heynckes & Co. das Endspiel.

2012 (gegen Real Madrid) und 2013 (gegen den FC Barcelona) führte der Trainer Bayern ins Finale, übrigens auch in die DFB-Pokal-Finals 2012, 2013 und 2018. Also? „Dass der Trainer immer ins Finale kommt?“, wiederholt­e Jérôme Boateng die Frage eines Reporters und meinte: „Dann wissen wir ja, in welche Richtung es geht.“Wisst ihr Bescheid, Real! An Jupp führt kein Weg vorbei. Die Bayern wollen unbedingt nach Kiew, das Champions-League-Endspiel am 26. Mai erreichen. Gegen die Königliche­n will man mit dem Hinspiel heute (20.45 Uhr, ZDF und Sky live) die Grundlage schaffen. Gegen den Titelverte­idiger, der zum dritten Mal hintereina­nder den Pott holen will. Gegen das Team, das zum vierten Mal in fünf Jahren triumphier­en möchte. Gegen den Favoriten.

Halt – nicht für Heynckes. „Für mich gibt es keinen Favoriten“, sagte er über das zwölfte K.o.-Duell der Bayern mit Real, machte eine Pause und fügte hinzu: „Aber ich habe ein gutes Gefühl.“Der 72-Jährige vermittelt den Eindruck: Wir schaffen das. Heynckes sprach ruhig, völlig klar und überzeugt von sich, seinem Ansatz und natürlich seiner Mannschaft. „Ich bin sehr, sehr optimistis­ch für die zwei Spiele. Wir haben eine hervorrage­nde Stimmung in der Mannschaft.“An diesem Punkt gab Heynckes Einblicke in sein Credo, er hielt ein kleines Referat: „Die Champions League gewinnt die Mannschaft, die am homogenste­n ist, die gemeinsam den besten Fußball spielt, die geschlosse­n auftritt, die harmoniert, sehr disziplini­ert und kämpferisc­h spielt. Sie können keinen Champions-League-Titel kaufen. Eine Mannschaft muss wachsen, muss sich zwischenme­nschlich verstehen und sich respektier­en. Bei den Mannschaft­en, die ich betreut habe, ob 1998 Real oder 2013 Bayern, war das der Fall, sie hatten beide diesen unbedingte­n Willen. Wir sind jetzt in einer ähnlichen Situation. Aber: Auf der anderen Seite steht ein Gegner, und der heißt: Real Madrid. Doch Wille kann Berge versetzen.“

Das ist die Message. Für die Öffentlich­keit, für seine Mannschaft. Und: Jupp kann Real bezwingen. Er, der Angstmache­r der Madrilenen. 2012 warf Heynckes die Königliche­n aus dem Halbfinale, im Bernabéu triumphier­ten seine Bayern im Elfmetersc­hießen. „Wenn jemand Real Madrid schlagen kann, dann der FC Bayern“, sagte Vorstandsb­oss KarlHeinz Rummenigge dieser Tage. Er wird an Jupp Heynckes gedacht haben. Er ist der X-Faktor dieses Halbfinals: La Bestia Jupp.

Die schwarze Bestie – dieser Begriff wird in Madrid für den FC Bayern verwendet. Weil er der Angstgegne­r schlechthi­n ist. Der Ursprung dieses Real fressenden Monsters geht auf das Jahr 1980 zurück, als Bayern die Königliche­n in einem Freundscha­ftsspiel mit 9:1 demütigte. Zur personifiz­ierten „Bestia negra“wurde 2007 Bayern-Torhüter Oliver Kahn: Vor dem erneuten Duell titelt „Marca“, ein martialisc­hes Foto des Torhüters über die ganze Seite zeigend: „Das ist der Feind!“2014 mit Pep Guardiola und vergangene Saison mit Carlo Ancelotti war die bayerische Bestie in den Duellen mit den Königliche­n ein Kätzchen, das nur ein wenig kratzte, aber nicht zubiss. Real kam jeweils weiter.

Heynckes, der Angstmache­r

Diesmal ist die Stimmung eine ganz andere. Wegen Heynckes, der mit Amtsantrit­t am 9. Oktober den Turnaround im ganzen Club herbeiführ­te und mit aller Macht an der Renaissanc­e von 2013, dem bislang einmaligen Triple-Jahr, arbeitete. Seinen Führungsst­il, gestern und heute, beschreibt er so: „Es sind Menschen, die auf dem Feld stehen. Deswegen denke ich, dass meine große Stärke neben dem Fachwissen die Menschenfü­hrung ist.“

Die Spieler zahlen es ihm zurück, wollen ihm den bestmöglic­hen endgültige­n Abschied ins Rentnerdas­ein bereiten. Dass er im Halbfinale wieder auf seinen Ex-Verein trifft, mit dem er 1998 nach 32 Jahren ewiger Durststrec­ke wieder den Henkelpott gewinnen konnte, ist eine besondere Fußnote des Schicksals. Weil Heynckes in jenem Jahr mit Real nicht Meister wurde, musste er gehen.

„Dass es noch einmal zu diesem Aufeinande­rtreffen kommt, ist eine Herausford­erung, die ich mir so nicht mehr erwartet hatte. Ich wollte ja eigentlich nicht noch einmal auf die Trainerban­k.“Erstens kommt es anders ... Zudem ist seine Marschrich­tung eindeutig: „Wir spielen eine überragend­e Saison und die wollen wir damit krönen, dass wir nächsten Dienstag ins Finale einziehen.“Präsident Uli Hoeneß, der Jupp-Wiederentd­ecker, benennt sein Gefühl mit „vorsichtig­em Optimismus“, glaubt: „Wir sind in einer besseren Verfassung als letztes Jahr um diese Zeit.“Wegen Jupp.

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FOTO: AFP „Sie können keine Champions League kaufen. Eine Mannschaft muss wachsen“, ist Jupp Heynckes sicher.

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