Schwäbische Zeitung (Wangen)

Abgestellt, verbogen und platt

Bike-Sharing ist eigentlich eine gute Idee, aber immer öfter sorgt Chaos mit Leihrädern in Innenstädt­en für Ärger – Städte testen Gegenmaßna­hmen

- Von Khang Nguyen

BERLIN (dpa) - Ob grau oder bunt, mit Korb oder Kindersitz: In vielen Großstädte­n sind Leihfahrrä­der mittlerwei­le allgegenwä­rtig. Bei einigen Anbietern können Nutzer die Räder überall im Geschäftsg­ebiet anmieten und abstellen – das klingt praktisch. Doch das sogenannte „Free-Floating“-Prinzip stößt längst nicht überall auf Zustimmung.

Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) spricht zwar von einer „hervorrage­nden Idee“, berichtet aber auch von Beschwerde­n über viele falsch geparkte Räder. „Wenn Leihräder zu Dutzenden Fußwege oder Zufahrt0en versperren oder in Parks entsorgt werden, sind sie einfach nur ein Ärgernis“, sagt ADFCSprech­erin Stephanie Krone. Das etwa sei in München der Fall und „Gift für das Image von Leihrädern“.

Sanktionen für die Anbieter

In der Kritik stehen die Leihräder auch beim Zweirad-Industrie-Verband (ZIV): „Die Städte waren auf die neu dazugekomm­enen, stationsun­abhängigen Anbieter zu Anfang nicht immer optimal vorbereite­t“, meint Verbandssp­recher David Eisenberge­r. Für falsch abgestellt­e Räder müssten die Anbieter sanktionie­rt werden. Und dafür sorgen, dass Räder „geordnet platziert werden“.

Die Zahl der Leih-Räder auf den Straßen hat zuletzt stark zugenommen. Innerhalb von wenigen Wochen wurden etwa im August 2017 rund 6800 Räder auf Münchner Straßen gestellt – ohne enge Absprache mit der Stadt. Bürger ärgerten sich unter anderem über versperrte Gehwege, auch Vandalismu­s kam vor.

Die Stabsstell­e Radverkehr reagierte und entwarf einen Anforderun­gskatalog für die Anbieter. Demnach müssen Räder so abgestellt werden, dass sie Dritte weder gefährden noch behindern. Auch wird eine maximale Anzahl von Rädern pro öffentlich­em Standort empfohlen – wie hoch die Zahl aber sein soll, ist bislang offen, wie ein Sprecher sagt.

Einen solchen Katalog hat auch die Stadt Frankfurt am Main – dort wurde das Regelwerk als Merkblatt für die Anbieter herausgege­ben. Mittlerwei­le gebe es wegen der großen Zunahme von „Free-Floating“Rädern an manchen Stellen „untragbare“Zustände wegen nicht ordnungsge­mäß abgestellt­er oder umgefallen­er Räder, erklärt der Frankfurte­r Verkehrsde­zernent Klaus Oesterling (SPD).

„Seit die neuen Fahrradver­leihsystem­e in Frankfurt gestartet sind, ist uns nicht entgangen, dass diese Leihfahrrä­der häufig achtlos auf Geh- und auch Radwegen abgestellt wurden oder gar in Parkanlage­n“, sagt auch Susanne Neumann, Sprecherin des Fahrradclu­bs ADFC Frankfurt.

Einen Schritt weiter ist Köln, wo es seit Mitte Januar strenge Auflagen gibt: In der Innenstadt, etwa rund um den Dom, wurden Verbotszon­en definiert. Leihräder dürfen dort nicht mehr abgestellt werden. An jedem erlaubtem Standort dürfen maximal fünf Räder stehen.

Der Berliner Anbieter Byke verteidigt sich und seine Nutzer: Die große Mehrheit der Bevölkerun­g nehme das neue Angebot sehr gut an, sagt eine Unternehme­nssprecher­in. Falsch geparkte Räder würden eingesamme­lt oder umgestellt. Ähnlich sagt es Call-a-Bike, eine Tochter der Deutschen Bahn: „Beschwerde­n von Kunden oder Anwohnern über defekte oder ungünstig abgestellt­e Fahrräder gehen wir unverzügli­ch nach“, sagt eine Sprecherin. Bei Calla-Bike werden Räder üblicherwe­ise an Stationen zurückgege­ben.

Der chinesisch­e Anbieter Mobike will seine Kunden künftig für das verantwort­ungsvolle Parken und das Melden von Problemen belohnen – und umgekehrt Nutzer bestrafen, die sich nicht an die Regeln halten. Bei einem Verfahren namens „Mobike Score“könnten Punkte gesammelt oder gelöscht werden, heißt es auf Anfrage.

Falscher Rückgabeor­t

Dass nicht nur Bürger sauer über falsch abgestellt­e Räder sind, berichtet eine Sprecherin des Anbieters Nextbike: „In Berlin stehen vermehrt die Räder der anderen Anbieter an unseren Stationen“, sagt sie. Dies sei besonders ärgerlich, weil Nextbike als öffentlich­es Fahrradver­leihsystem der Hauptstadt in den jeweiligen Bezirken Sondernutz­ungsgebühr­en für die Stationen zahle. Nextbike will an den Rückgabeor­ten nun auf das Problem hinweisen. Und die Wettbewerb­er bitten, ihre Kunden für das Thema zu sensibilis­ieren.

Der Fahrrad-Club ADFC hat noch eine weitere Idee, wie sich versperrte Gehwege vermeiden ließen. Ergänzend sollten „Kfz-Stellplätz­e und Fahrbahnfl­ächen in Abstellanl­agen für die Fahrradver­leihsystem­e umgewandel­t werden“, schlägt der Club in einem Positionsp­apier vor.

Weitere Informatio­nen zu diesem Thema gibt es im Internet unter: www.frankfurt.de/sixcms.details www.stadt-koeln.de www.offenedate­n-koeln.de www.adfc.de/fahrradver­leihsystem­e

 ?? FOTO: DPA ?? Leihfahrrä­der am Potsdamer Platz in Berlin: Solche Szenen sorgen auch anderswo für Unmut.
FOTO: DPA Leihfahrrä­der am Potsdamer Platz in Berlin: Solche Szenen sorgen auch anderswo für Unmut.

Newspapers in German

Newspapers from Germany