Mario Gomez Anti-Star
Der Nationalstürmer führt den VfB zum 2:0 über Hoffenheim und bleibt auf dem Teppich
STUTTGART - Der Höhepunkt des Derbys zwischen dem VfB Stuttgart und der TSG Hoffenheim ereignete sich weit nach Spielende gegen 19 Uhr in den Katakomben der MercedesBenz-Arena. Während die Medienwelt auf Mario Gomez wartete, mit zwei Toren wieder mal der Matchwinner der Stuttgarter (außerdem überzeugter Genussduscher und Überall-Interviewgeber), bauten sich plötzlich die Ginczeks vor den Journalisten auf, als da wären: Daniel, Gomez’ Angreiferkollege, und Lou Carlotta Ginczek, vier Jahre klein, die Vaters Pranke hielt und 45 Minuten zuvor noch fleißig mitgehüpft war beim Siegestänzchen vor der Cannstatter Kurve.
Was der tattoomäßig mehr und mehr an einen Maori erinnernde Ginczek sagte, ging überraschend ein wenig unter (Sinngemäß lautete es: „Mario ist ein Superstürmer, aber dahinter steht auch eine Supermannschaft.“). Die eigentliche Botschaft nämlich hatte Lou Carlotta im Gepäck: „Papi, ich muss mal Pipi“, sagte sie, und dann kurz darauf: „Papi ich kann es doch noch aufheben.“Jedenfalls tat Ginczek gut daran, schnell seine Sachen zu packen, denn jeder Vater weiß: Bei so einem Kleinkind ist nichts sicher, und die Mixed Zone überfluten, das wollte er dann doch nicht.
Fünf Minuten später kam dann Mario Gomez, er sah rechtschaffen erschöpft aus. Auch der 32-Jährige wird bald Vater, wohl noch im Mai, sein Vatertagsgeschenk hatte er sich bereits gemacht. Mit zwei Toren – eines glänzend vorbereitet von Kapitän Christian Gentner, das andere nach einem Konter initiiert durch Erik Thommy – hatte der gebürtige Riedlinger Hoffenheim und seinen jungen, etwas naiven Gegenspieler Kevin Akpoguma quasi alleine vernascht (25./74.). Es waren Gomez erste Treffer im heimischen Stadion seit neun Jahren, eben seit seiner Rückkehr an den Wasen im Winter (nachdem er zuvor sechsmal auswärts getroffen hatte). Ehre und Lorbeeren aber gab Gomez gekonnt weiter. Natürlich freue er sich über die Treffer, sagte er – nach dem ersten war er völlig entrückt über das Spielfeld gesegelt. Dann relativierte er die Eigenleistung: „Ich bin ein Stürmer, der wie kaum ein anderer von seinen Kollegen abhängig ist, davon, dass die anderen Wege für mich machen. Als ich kam, haben alle nur über mich geschrieben, diese Stories passten mir gar nicht, denn wir haben von hinten bis vorne charakterlich eine Wahnsinnstruppe. Dass wir mit dieser Mannschaft das zweitbeste Team der Rückrunde stellen, ist brutal, einfach verrückt. Als ich in die Augen unserer Verteidiger geschaut hab, wusste ich: Da brennt heute nichts an, die sind tiefenentspannt, die glauben an sich, egal, wie oft Hoffenheim aufs Tor schießt.“
Hoffenheim bleibt guter Dinge
Mario Gomez Anti-Star, aber tatsächlich: Trotz 25-minütiger Unterzahl – Santiago Ascacibar hatte Gelb-Rot gesehen – stand schon wieder die Null beim VfB, der unter Trainer Tayfun Korkut zu Hause zur Macht wurde und die zweitbeste Defensive der Liga stellt. Nur neun Gegentore kassierte Stuttgart in den 17 Heimspielen, nur 0,68 im Schnitt unter Korkut. Wie viel Glück dabei ist – jüngst beim 1:0-Sieg in Leverkusen hatte der VfB 4:24 Torschüsse gegen sich, gegen Hoffenheim waren es 6:25 –, bleibt die Frage. Hätte es nach zwölf Minuten 0:3 geheißen, Stuttgart hätte sich am Samstag nicht beschweren dürfen. Am Ende aber retteten der erneut formidable Torhüter Ron-Robert Zieler und die „18 bis 20 Beine“, die sich den TSG-Schüssen entgegenwarfen (so formulierte es deren Trainer Julian Nagelsmann) den dritten Sieg in Folge. Und natürlich Mario Gomez, „der einfach sehr effizient ist und kaum Chancen braucht“, wie Korkut festhielt. „Das ist eben Fußball, das macht den Reiz dieses Sports aus“, sagte Stuttgarts neuer Wundertrainer nur. Allerdings weiß der VfB, dass man sich nicht wundern braucht, wenn das Wunder, mit 32 Törchen 48 Zähler zu holen und womöglich noch Siebter zu werden, bald ein Ende findet: „Lasst uns nicht zu sehr durchdrehen, sonst könnte es am Samstag in München bitter werden“, riet Gomez, an dem Bundestrainer Joachim Löw bei der WM-Nominierung nicht vorbeikommen wird.
Fröhlich könnte es am Samstag trotz der Niederlage in Hoffenheim werden. Ein Sieg gegen Dortmund, und die TSG wäre als Dritter oder Vierter erneut Mitglied einer Elite namens Champions League. Die Pleite beim Nachbarn war zu verschmerzen: „Wir wollten ein Endspiel gegen Dortmund. Et voilà. Wir stehen weiter vor Leverkusen und haben es selbst in der Hand. Die Chance ist nicht so gering, wenn man bedenkt, was wir trotz unserer Abgänge und Verletzten erreicht haben“, sagte Nagelsmann, auch so ein Wundertrainer. Der aber eine Hiobsbotschaft zu verkraften hatte: Lukas Rupp zog sich ohne Fremdeinwirkung einen Kreuzbandriss zu und wird den Kraichgauern bis November fehlen.