Verwaiste Wiesen
Umweltschützer beklagen, dass viele Streuobstwiesen in Ravensburg schlecht oder gar nicht gepflegt werden
RAVENSBURG (vin) - Streuobstwiesen sind nicht nur schön anzusehen. Sie bieten Insekten, Vögeln und Fledermäusen auch Lebensräume. Als ökologische Ausgleichsmaßnahme für Neubaugebiete sind sie beliebt. Die Pflege lässt nach Ansicht der Ravensburger Grünen und der CDU aber oft zu wünschen übrig. Schon 2016 verlangten sie in einem gemeinsamen Antrag an die Stadtverwaltung ein Kataster und Pflegekonzept. Jetzt haben die Grünen den Antrag erneuert und erweitert.
Ulfried Miller ist Geschäftsführer des BUND. Er wohnt in Bavendorf in einem alten Bauernhof – inmitten von Streuobstwiesen. „Diese hat mein Großvater vor etwa 70, 80 Jahren angelegt“, führt er rund ums Haus und zeigt auf eine idyllische Wiese mit altem Baumbestand verschiedener Sorten. „Diese ist jünger. Wir haben sie selbst angelegt“, weist er auf seinen riesigen Vorgarten hin . Und dann gebe es noch die städtischen Streuobstwiesen.
Ein besonders schlimmes Beispiel befindet sich hinter Millers Grundstück. Ursprünglich mal als Ausgleichsfläche für das Baugebiet Bavendorf-Nord angelegt, ragen jetzt nur noch Baumstümpfe in die Luft. Die Apfelbäume sind schon im Januar 2017 so radikal beschnitten worden, dass sie sich von der Verstümmelung nicht mehr erholt haben und aussehen wie Holzskulpturen eines durchgeknallten Künstlers. Ausgeführt wurde der extravagante Baumschnitt von einer Fremdfirma im Auftrag der Stadt. „Baubürgermeister Dirk Bastin tut das furchtbar leid“, sagt Miller. Die Fläche sei nicht ökologisch aufgewertet worden, sondern „eher degradiert durch falsche Pflege“. Aber sie ist laut Miller kein Einzelfall. Manche städtische Wiesen seien verpachtet worden mit der Auflage, sie zu pflegen. Was nicht immer geschieht. „Es gibt verwilderte Wiesen, da sind die Bäume seit Jahren nicht beschnitten worden.“Obstbäume, die nie beschnitten werden, tragen aber nach einer gewissen Zeit keine Früchte mehr, vergreisen und sterben früher.
Schon vor knapp zwei Jahren haben CDU und Grüne in Ravensburg die Zustände bei den städtischen Streuobstwiesen beklagt. Die Streuobstbestände seien in „unterschiedlichem, teilweise schlechtem bis sehr schlechtem Pflegezustand“, schrieben damals August Schuler und Manfred Büchele (CDU) sowie Manne Lucha und Maria Weithmann (Grün) in ihrem gemeinsamen Antrag, dass die Stadt gegensteuern möge. „Damit verbunden ist ein schleichender Verlust an Lebensräumen für Tierarten, Biodiversität sowie Arten- und Sortenvielfalt, aber auch verringerte Erholungsqualität und ein unbefriedigendes Erscheinungsbild der Modell- und Biodiversitätsstadt Ravensburg.“Verändert habe sich seitdem laut Kritikern nichts, weshalb die Grünen den Antrag jetzt erneuert und erweitert haben. Sie beantragen ein Maßnahmenpaket zum Schutz der Wiesen, zum Beispiel finanzielle Mittel für ein Pflegekonzept bereitzustellen und den Pflegeauftrag in bestehenden Pachtverträgen zu konkretisieren. Zudem sollen die Pächter in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden. „Gerade in der heutigen Zeit, wo wir mit einem besorgniserregenden Insektensterben konfrontiert sind, müssen wir diese Kleinode besonders schützen.“