„Wir wollen jetzt Projekte sehen“
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller informiert sich in Amtzell über die Lage im Libanon
AMTZELL - 6000 Einwohner – und 30 000 aufgenommene Flüchtlinge. Von dieser Zahl hat sich Bundesentwicklungsminister Gerd Müller bei seinem Besuch in Amtzell beeindruckt gezeigt. 18 Delegierte aus den libanesischen Partnergemeinden des Projekts „Kommunales Know-how für Nahost“sind eine Woche im Allgäu und suchen gemeinsam mit den Gemeinden Amtzell, Hergatz Gestratz, Heimenkirch und Opfenbach nach Lösungen für Probleme der Infrastruktur im Libanon. Entwicklungsminister Müller begrüßte die Delegation in Amtzell und kam mit den libanesischen Bürgermeistern und einer ehrenamtlichen Lehrerin ins Gespräch über die Lage vor Ort. Damit die Allgäuer Gemeinden ihr Projekt vorantreiben und in die konkrete Umsetzung einsteigen können, sicherte Müller ihnen weiterhin Unterstützung der Bundesregierung zu.
Nach seiner offiziellen Rede und Begrüßung musste Gerd Müller doch noch einmal nachhaken. Die Zeit drängt, die libanesischen Gäste kamen nach einem ungeplanten Aufenthalt in Frankfurt später an als gedacht, ein Besuch in Kißlegg steht am selben Tag noch auf der Agenda und auch der Minitser muss weiter zu Terminen. Aber trotzdem fragt Müller bei der libanesischen Delegation öfter nach, der Termin in Amtzell ist ihm spürbar eine Herzensangelegenheit. Wie funktioniert der Alltag in den Gemeinden, in denen seit Jahren mehr Flüchtlinge als Einwohner leben? Woran fehlt es konkret? Und welche Funktion haben Frauen bei der Flüchtlingshilfe vor Ort?
Knapp 2000 Zelte habe seine Gemeinde zum Beispiel aufgebaut, erklärt Muhamad Hussein Majzoub, Bürgermeister der Gemeinde Ghazzé: „Der Rest ist in Wohnungen untergebracht, meistens Dreizimmerwohnungen, die mit bis zu 15 Personen belegt sind.“Die Wasserver- sorgung und die Grundernährung über Essenskarten sei gesichert. Auch sein Amtskollege aus der Gemeinde Bar Elias berichtet von einer ähnlichen Lage: Bei 45 000 Einwohnern hat seine Kommune 90 000 Flüchtlinge aufgenommen. Man habe nicht erahnen können, welche Ausmaße die Syrienkrise annimmt, erklären die Bürgermeister. Trotzdem nehmen die Gemeinden die Flüchtlinge gerne auf und das Zusammenleben sei friedlich, ist von allen Delegierten zu hören.
Auf die Frage, welche Rolle die Frauen in der Flüchtlingshilfe spielen, kommt nach mehrmaligem Nachhaken Müllers die Ingenieurin Nour Ossman in die Gesprächsrunde. Sie unterrichtet ehrenamtlich Kinder in einem Flüchtlingscamp. „Die Kinder erleben viel Gewalt zu Hause und tragen das in die Schule“, erzählt Ossman. Außerdem fehle es an der grundlegenden Ausstattung wie Heizung, Stühle, Kleidung für die Kinder. Hier könne er sich ein Projekt vorstellen, erklärt Müller. Eine Schulpartnerschaft mit Allgäuer und libanesischen Schulen sei denkbar. „Was Sie im Alltag leisten, ist unermesslich“, wendet er sich an die libanesischen Gäste. Die Allgäuer Kommunen will er ihnen als „Alleskönner“von der Wasserversorgung über Müllrecycling bis zur Stromerzeugung als Partner zu Seite stellen.
Und damit die Hilfe wirklich ankommt, will Müller die Allgäuer Kommunen weiterhin stark unterstützen: „Wir wollen jetzt Projekte sehen.“Darum sollen sich die Allgäuer bei Fragen, Problemen mit der Bürokratie oder Anträgen für die Hilfsprojekte direkt an sein Büro wenden. Denn für die Bundesregierung und für die libanesischen Gemeinden sei ein Ziel klar: Die rund sieben Millionen Flüchtlinge aus Syrien, die momentan im Nachbarland Libanon leben, wollen eines Tages in Frieden zurückkehren.