Geld vom Konto der Mutter veruntreut
Sohn hebt als bestellter Betreuer der demenzkranken Frau 12 000 Euro ab
MEMMINGEN - Davon träumt so mancher Beschuldigter vor einer Gerichtsverhandlung: Einfach eine E-Mail an die Anklagebehörde zu schreiben und darin die Angelegenheit als erledigt abzuhaken. „Doch so geht das nicht!“, macht Richterin Barbara Roßdeutscher dem 56-Jährigen deutlich, der sich an diesem Vormittag vor dem Memminger Amtsgericht zu verantworten hat. Und zwar wegen Untreue in vier Fällen im Jahr 2015. Die Geschädigte, von deren Konto er insgesamt 12 000 Euro abgehoben beziehungsweise überwiesen hat, war seine stark demente Mutter.
Diese ist mittlerweile verstorben. Deswegen dachte sich ihr Sohn – wie in der Hauptverhandlung öffentlich dargelegt wird – er könne mittels einer E-Mail an die Behörde signalisieren, dass sich die Angelegenheit dadurch für ihn erledigt habe. Dass dies in einem Rechtsstaat nicht ganz so einfach läuft, dass strafbare Handlungen konsequent verfolgt werden, wird bei der Urteilsverkündung deutlich: Der gebürtige Münchner, der zur Tatzeit im Unterallgäu lebte und bestellter Betreuer seiner Mutter war, muss 120 Tagessätze zu je 15 Euro als Strafe zahlen und unter anderem auch die Kosten des Verfahrens tragen.
Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft hat zuvor eine Freiheitsstrafe von einem Jahr gefordert, die für drei Jahre auf Bewährung ausgesetzt wird. Außerdem plädiert sie dafür, dass der Beschuldigte 3000 Euro an eine gemeinnützige Organisation zahlen solle. Dem folgt die Amtsrichterin nicht. Unter anderem, weil der nicht vorbestrafte Mann alle Vorwürfe eingeräumt und sein Bedauern bekundet hat. Dazu kommt, dass der ehemalige Pharma-Manager angibt, nicht mehr arbeiten zu können. Seit Kurzem lebe er in Luxemburg bei seiner Freundin, von der er monatlich 400 Euro Taschengeld bekomme.
Warum das so ist, schildert der 56-Jährige – erkennbar aufgewühlt – mit folgenden Worten: Er habe bis 2015 in leitender Position für ein pharmazeutisches Unternehmen gearbeitet. Sein Psychotherapeut sage stets: Die mangelnde Wertschätzung dort habe ihn aus der Bahn geworfen. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei er depressiv geworden.
So stark, dass er nicht einmal mehr in der Lage gewesen sei, Briefe zu öffnen oder Mitteilungen auf dem Smartphone zu beantworten. Aus diesem Grund habe er es auch nicht geschafft, Kontaktversuche des zuständigen Betreuungsgerichtes zu erwidern und angeforderte Unterlagen einzureichen. Das alles tue ihm heute außerordentlich leid. Denn er sei immer für seine Mutter da gewesen, die zuletzt in einem Pflegeheim bei München lebte.
Nichts Böses gedacht
Er habe sich nichts Böses dabei gedacht, als er das Geld vom Konto seiner Mutter abgehoben habe. Denn er habe große Ausgaben gehabt, etwa bei der Auflösung ihres Hausstandes. Der Beschuldigte sagt: „Ich wollte einfach das Geld, das ich ausgegeben habe, wieder zurückholen. Denn durch die nicht unerheblichen Kosten drohte mein Konto ins Minus zu rutschen.“Verteidiger Christian Vad sieht in seinem Plädoyer eine Reihe von strafmildernden Gesichtspunkten. Auch die Richterin zeigt ein gewisses Verständnis für die reumütigen Schilderungen des Angeklagten. Dennoch betont sie: Ein Betreuer, der von einem Gericht eingesetzt werde, trage eine hohe Verantwortung. Wer sich nicht mehr in der Lage sehe, diese zu tragen, müsse sich von seinen Pflichten entbinden lassen. „Außerdem führt ein ordentlicher Betreuer auch ordentlich Buch.“Das habe der Angeklagte versäumt. Nicht zuletzt deswegen sei ihm die Betreuung entzogen worden. Seine Nachfolgerin war es schließlich, die ihn anzeigte.
Richterin Roßdeutscher fasst zusammen: „Sie haben sich als bestellter Betreuer Ihrer Mutter strafbar gemacht. Dafür müssen Sie sich verantworten.“Doch nicht nur das. Der bald 57-Jährige lernt auch etwas dazu: Zum Beispiel, dass man als Beschuldigter nicht einfach ein Verfahren beenden kann, indem man eine E-Mail an die Strafverfolgungsbehörde schickt.