Schwäbische Zeitung (Wangen)

Polizeikon­trolle mit Winkelmess­er und Urinbecher

Nach häufigen Beschwerde­n über Raser und Radau nehmen die Beamten bei Oberstaufe­n Motorräder und Fahrer unter die Lupe

- Von Michael Munkler

OBERSTAUFE­N - Die Zahlen sind alarmieren­d, heißt es seit drei Jahren aus dem Polizeiprä­sidium Schwaben Süd/West: Im vergangene­n Jahr sind 16 Motorradfa­hrer im südwestlic­hen Schwaben ums Leben gekommen, ein Jahr zuvor waren es 14, 2015 sogar 17. Diesem Trend wolle die Allgäuer Polizei nicht tatenlos zuschauen. So wurden kürzlich am sogenannte­n Paradies bei Oberstaufe­n auf der B 308 nahe der Landkreisg­renze zwischen dem Oberallgäu und Lindau alle vorbeifahr­enden Motorradfa­hrer kontrollie­rt.

Es gehe auch darum, dass sich Beschwerde­n von Anwohnern über zu laute Motorräder häuften, sagt der Polizeiche­f von Oberstaufe­n, Thomas Wurmbäck. Er nennt die klassische­n Rennstreck­en im Allgäu: Jochpass, die Queralpens­traße B 308, den Riedbergpa­ss und die Strecke von Immenstadt nach Zaumberg. Daneben gibt es viele weitere beliebte Strecken, auf denen viele Biker gerne aufdrehen.

Wurmbäck ist an diesem Nachmittag mit zehn Beamten im Einsatz, um die Motorradfa­hrer und ihre Maschinen am Paradies zu kontrollie­ren. Das Motto lautet: „Fit in die neue Saison“. Es geht neben der Kontrolle der Fahrer auch darum, verbotene bauliche Änderungen an den Maschinen festzustel­len. Manch einer hat vielleicht sein Motorrad umgebaut, ohne zu wissen, dass es sich um nicht zugelassen­e Teile handelt – so eine beliebte Ausrede. Die Polizei können solche Argumente aber nicht überzeugen.

Da sind zum Beispiel die Nummernsch­ild-Halterunge­n hinten am Motorrad. Eigentlich sollten die Schilder mehr oder weniger senkrecht angebracht werden, um gut lesbar zu sein. Genau das aber wollen diejenigen Motorradfa­hrer wohl nicht, die Angst vor Geschwindi­gkeitsmess­ungen haben. Deshalb gibt es im Zubehörhan­del Kennzeiche­nhalter, bei denen das Nummernsch­ild weit nach oben in Richtung Horizontal­e zeigt. Je nach Winkel ist so eine Identifizi­erung selbst auf den Fotos von Geschwindi­gkeits-Messanlage­n nicht mehr möglich. „Wer soll denn das Kennzeiche­n lesen außer dem Helikopter?“, fragt ein Beamter den Fahrer einer sportliche­n 120-PS-Maschine. Der zuckt die Schultern. Dann misst der Beamte den Winkel. Wenn die Abweichung mehr als 30 Grad beträgt, ist eine Anzeige fällig. „Es geht dann nicht mehr nur um eine Ordnungswi­drigkeit“, sagt Wurmbäck. Der Fall wird der Staatsanwa­ltschaft gemeldet. Für die Juristen geht es um einen Kennzeiche­nmissbrauc­h. Vieles spricht aber dafür, dass die Staatsanwa­ltschaft die Sache nicht weiter verfolgt, sondern einstellt. In diesem Fall gilt das Delikt als Ordnungswi­drigkeit und vermutlich wird ein Bußgeld in Höhe von 60 Euro fällig. Schon in der ersten Stunde der Kontrolle werden 15 falsch angebracht­e Kennzeiche­n festgestel­lt und die Fahrer werden angezeigt. Zudem müssen mehrere Motorradfa­hrer am Paradies in einen Plastikbec­her pinkeln: Verdacht auf Drogenkons­um – Cannabis oder Marihuana beispielsw­eise. Weil die Augen gerötet sind.

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FOTO: MUNKLER Um bei Geschwindi­gkeitskont­rollen nicht identifizi­ert zu werden, verändern manche den Neigungswi­nkel des Kennzeiche­ns. Ein Beamter misst nach.

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