Polizeikontrolle mit Winkelmesser und Urinbecher
Nach häufigen Beschwerden über Raser und Radau nehmen die Beamten bei Oberstaufen Motorräder und Fahrer unter die Lupe
OBERSTAUFEN - Die Zahlen sind alarmierend, heißt es seit drei Jahren aus dem Polizeipräsidium Schwaben Süd/West: Im vergangenen Jahr sind 16 Motorradfahrer im südwestlichen Schwaben ums Leben gekommen, ein Jahr zuvor waren es 14, 2015 sogar 17. Diesem Trend wolle die Allgäuer Polizei nicht tatenlos zuschauen. So wurden kürzlich am sogenannten Paradies bei Oberstaufen auf der B 308 nahe der Landkreisgrenze zwischen dem Oberallgäu und Lindau alle vorbeifahrenden Motorradfahrer kontrolliert.
Es gehe auch darum, dass sich Beschwerden von Anwohnern über zu laute Motorräder häuften, sagt der Polizeichef von Oberstaufen, Thomas Wurmbäck. Er nennt die klassischen Rennstrecken im Allgäu: Jochpass, die Queralpenstraße B 308, den Riedbergpass und die Strecke von Immenstadt nach Zaumberg. Daneben gibt es viele weitere beliebte Strecken, auf denen viele Biker gerne aufdrehen.
Wurmbäck ist an diesem Nachmittag mit zehn Beamten im Einsatz, um die Motorradfahrer und ihre Maschinen am Paradies zu kontrollieren. Das Motto lautet: „Fit in die neue Saison“. Es geht neben der Kontrolle der Fahrer auch darum, verbotene bauliche Änderungen an den Maschinen festzustellen. Manch einer hat vielleicht sein Motorrad umgebaut, ohne zu wissen, dass es sich um nicht zugelassene Teile handelt – so eine beliebte Ausrede. Die Polizei können solche Argumente aber nicht überzeugen.
Da sind zum Beispiel die Nummernschild-Halterungen hinten am Motorrad. Eigentlich sollten die Schilder mehr oder weniger senkrecht angebracht werden, um gut lesbar zu sein. Genau das aber wollen diejenigen Motorradfahrer wohl nicht, die Angst vor Geschwindigkeitsmessungen haben. Deshalb gibt es im Zubehörhandel Kennzeichenhalter, bei denen das Nummernschild weit nach oben in Richtung Horizontale zeigt. Je nach Winkel ist so eine Identifizierung selbst auf den Fotos von Geschwindigkeits-Messanlagen nicht mehr möglich. „Wer soll denn das Kennzeichen lesen außer dem Helikopter?“, fragt ein Beamter den Fahrer einer sportlichen 120-PS-Maschine. Der zuckt die Schultern. Dann misst der Beamte den Winkel. Wenn die Abweichung mehr als 30 Grad beträgt, ist eine Anzeige fällig. „Es geht dann nicht mehr nur um eine Ordnungswidrigkeit“, sagt Wurmbäck. Der Fall wird der Staatsanwaltschaft gemeldet. Für die Juristen geht es um einen Kennzeichenmissbrauch. Vieles spricht aber dafür, dass die Staatsanwaltschaft die Sache nicht weiter verfolgt, sondern einstellt. In diesem Fall gilt das Delikt als Ordnungswidrigkeit und vermutlich wird ein Bußgeld in Höhe von 60 Euro fällig. Schon in der ersten Stunde der Kontrolle werden 15 falsch angebrachte Kennzeichen festgestellt und die Fahrer werden angezeigt. Zudem müssen mehrere Motorradfahrer am Paradies in einen Plastikbecher pinkeln: Verdacht auf Drogenkonsum – Cannabis oder Marihuana beispielsweise. Weil die Augen gerötet sind.