Mit den Samstagspilgern unterwegs
SZ-Serie „Draußen unterwegs“: Samstagspilger auf den alten Kulturwegen von Kißlegg nach Wolfegg
In der SZ-Serie „Draußen unterwegs“von Kißlegg bis nach Wolfegg.
KISSLEGG - „Aufbruch in den Frühling.“Dieser Einladung zum Samstagspilgern sind an einem strahlend-sonnigen Samstag 20 Martinuspilger gefolgt, um miteinander auf alten Kulturwegen unterwegs zu sein. Die 16 Kilometer lange Tour führt von Kißlegg durch prachtvolle Endmoränen-Landschaft über Wiggenreute bis nach Eintürnenberg, und von dort weiter bis zum Ziel in Wolfegg. Auf Schritt und Tritt begegnen die Pilger alten christlichen Glaubenszeugnissen, lernen Wissenswertes über die geologischen und historischen Hintergründe von Landschaft und Kultur und werden unterwegs immer wieder überrascht von beeindruckenden Begegnungen und wundervollen Ausblicken in die weite Seenlandschaft rund um Kißlegg.
Die Uhr am Kißlegger Bahnhof zeigt 12 Uhr. Die 20 Samstagspilger sind startklar zum Aufbruch in den Frühling: Eine bunt gemischte Wandergruppe, die sich erst auf dem Weg näher kennenlernt, denn die Wanderer kommen aus verschiedensten Orten der Umgebung – Bad Waldsee, Bad Saulgau, Lindenberg, Scheidegg, Wangen, Gebrazhofen, Leutkirch, Isny, Itzlings. Pilgerführer Stephan Wiltsche heißt die Pilger willkommen und führt sie zunächst in die nahe gelegene evangelische Kirche.
Hier werden die Wanderer bereits erwartet von Pfarrer Jörg Scheerer. Mit feierlichem Glockengeläut begrüßt er seine Gäste, um ihnen in der Kirche einen alten, jüdischen Pilgersegen mit auf den Weg zu geben. Das gemeinsam gesungene Lied von Paul Gerhardt stimmt ein auf einen Pilgertag, wie er schöner kaum sein könnte: „Geh aus mein Herz und suche Freud, in dieser schönen Sommerszeit…“ Das Miteinander-Unterwegs-Sein ist gleichzeitig ein schönes Zeichen gelebter Ökumene.
Nach dieser ersten „Station“geht es weiter in Richtung Bahnübergang. Die geschlossene Schranke gibt Pilgerführer Heinrich Wiltsche die Gelegenheit, die Pilger zu informieren über die anstehenden Projekte der Bahn. Da würden viele Millionen Euros und Schweizer Franken in die Hand genommen, um die Elektrifizierung der Bahn voranzutreiben, aber auch für eine geplante neue Bahnunterführung. Wie notwendig diese ist, zeigt sich an dem vielen Verkehr, der sich an diesem Mittag vor der geschlossenen Schranke staut.
Die Kißlegger Seenplatte
Rund um Kißlegg befinden sich zahlreiche Seen und Weiher, die der „Kißlegger Seenplatte“ihren Namen verleihen: Zellersee, Schlingsee, Lautersee, Obersee, Argensee, Holzmühleweiher, Bruner Weiher, Hasenweiher, Metzisweiler Weiher. All’ diese Seen sind entstanden nach der letzten Eiszeit, der „Würmeiszeit“, entweder als Toteisbildung oder indem sich einfach Wasser in den von den Gletschern geschaffenen Mulden und Senken sammelte. Beide Gewässertypen sind in der Kißlegger Seenplatte vertreten.
Unser Weg führt uns an diesem Tag – mit Blick auf den nahegelegenen Obersee – durch ein Wald- und Weidegebiet, das historisch und geologisch bedeutsam ist. „Hier stand in früheren Zeiten der Galgen“, erklärt Heinrich Witsche lächelnd. Und Stephan Wiltsche ergänzt, dass diese Region bereits zur Zeit der Kelten stark besiedelt war: „Hier sind wir an der niedrigsten Durchgangsstelle von Norden nach Süden. Unsere Vorfahren haben das gewusst. Noch heute findet man immer wieder Speerspitzen aus dieser Zeit. Dies deutet auf eine reiche Besiedelung hin.“Wir wandern weiter in Richtung Wiggenreute, wo wir in der neugotischen Kapelle eine Station einlegen. Die für diese Zeit typische Herz-Jesu-Frömmigkeit zeigt sich in der Herz-JesuStatue am Altar.
Achtsamkeitsübung am Waldrand
Wir setzen unseren Weg fort in Richtung Holdenreute, werden begrüßt von einer Schar neugierig gewordener Rindviecher („Hägele“), und bestaunen immer wieder diesen sattgelben Blütenteppich von Löwenzahn. Die Achtsamkeitsübung bei einer Rast am Waldrand öffnet uns den Blick in die Weite: Vor uns die Nagelfluhkette, dazu der warme Frühlingswind, Fliederdüfte, und das Rufen eines Kuckucks.
In Holdenreute erwartet uns eine weitere Kapelle: „Zu Ehren Mariens unserer Lieben Frau.“Bemerkenswert sind der Drehaltar und ein Marienbild „Maria vom Blut“. Es ist eine Kopie des Gnadenbilds der Wallfahrtskirche in Bergatreute. Ihr Vorhandensein erklärt sich wohl dadurch, dass der alte Wallfahrtsweg nach Bergatreute durch Holdenreute führte.
Höhepunkt Eintürnenberg
Schweigend geht es nun durch ein Waldgebiet und durch die größte Riedlandschaft Europas. Mit Blick auf den Metzisweiler marschieren wir dem Gipfelerlebnis unserer Tour entgegen: Die St. Martinskirche in Eintürnenberg. Vorher überqueren wir noch die „Europäische Wasserscheide“.
In der St. Martinskirche werden wir empfangen mit feierlichem Glockengeläut. Messner und Ortsvorsteher Berthold Leupolz hat extra für unsere Pilgergruppe die wertvolle Martinus-Reliquie auf den Altar gestellt, die nur zu besonderen Anlässen gezeigt wird. Der schiefe Turm der Pfarrkirche grüßt weit ins Land, markiert uraltes christliches Land, weil Martinus-Patrozinium stets Fingerzeig für frühe Christianisierung ist.
Gestärkt durch einen geistlichen Impuls, Pilgersegen und das gemeinsam gesungene „Martinuslied“geht es jetzt im raschen Tempo in Richtung Wolfegg. Noch einmal grüßt uns der Metzisweiler, und für die, die ein menschliches Bedürfnis verspüren, gibt es sogar mitten im Wald einen WC-Wagen, mit folgendem Nummernschild: DA – WC 7 („Damen-WCNr.7“).
Viel zu lachen und zum Erzählen gibt es unterwegs zur Genüge. Beim Eintreffen am Wolfegger Bahnhof können die Pilgerführer viele schöne Komplimente der Teilnehmer einsammeln: Die Tour sei sehr „bereichernd“, „beeindruckend schön“und „wohltuend-lehrreich“gewesen. Für die allermeisten ein Grund mehr, auch zukünftig noch weitere Angebote beim Samstagpilgern zu nutzen.
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