Was Bergsteiger und Ärzte verbindet
30 Jahre Thoraxchirurgie an den Fachkliniken – Extremkletterer Nuber und medizinische Fachleute diskutieren
WANGEN (sz) - Was haben Bergsteiger und Chirurgen gemeinsam? Dieser Frage gingen der Mediziner Robert Scheubel und Extremkletterer Alexander Huber kürzlich in den Fachkliniken Wangen nach. Die Veranstaltung zum 30. Geburtstag der Klinik für Thoraxchirurgie stellte den Auftakt des diesjährigen Jubiläumsreigens am Vogelherd 14 dar. Denn es stehen in den nächsten Monaten nicht nur das 60-jährige Bestehen des Trägers Waldburg-Zeil Kliniken, sondern auch der 25. Jahrestag der Gründung der Klinik für Neurologie und der 90. Geburtstag der Fachkliniken Wangen an.
In seinem Impulsvortrag spannte Alexander Huber – ausgebildeter Rettungssanitäter – den Bogen vom Extremklettern zur Welt der Chirurgie. Bei großen komplexen Projekten könne man gerade, wenn Neuland beschritten wird, nicht mit Sicherheit sagen, ob der eingeschlagene Weg zum Ziel führt. Das gelte für einen Kilometer vertikalen Granit genauso wie für Operationen am Brustkorb. Ständiges Training sei notwendig, um ausreichende Routine zu erlangen. Denn Sicherheit komme am Berg wie am Patienten vom eigenen Können und aus der eigenen Kraft heraus.
Diese Gedanken griff im zweiten Teil der Veranstaltung auch die Expertenrunde, moderiert von Barbara Waldvogel, auf. Jan-Ove Faust, Direktor Medizin und Pflege an der Oberschwabenklinik, Christian Kugler, Past-Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thoraxchirurgie und Leiter der Zertifizierungskommission Thoraxchirurgischer Zentren, sowie Patient Ralf Weiss sprachen mit Alexander Huber und Gastgeber Robert Scheubel, Chefarzt der Klinik für Thoraxchirurgie, über Risiko, Qualität und Erfahrung in der Chirurgie.
Wie bei den Bergsteigern haben die Spezialisten die Allrounder abgelöst, betonten Kugler und Scheubel. Sind es bei jenen Lead, Bouldern oder Speedklettern, hätten sich in der Chirurgie zum Beispiel Gefäß- und Thoraxchirurgen auf unterschiedlichen Gebieten vervollkommnet. Zum Wohle der Patienten, die damit immer länger und besser leben können. Trotzdem würden immer noch zu viele thoraxchirurgische Operationen in Kliniken vollzogen, die zu wenig solcher Eingriffe im Jahr vornähmen, um die nötige Routine und das notwendige Können zu erreichen, mahnte Kugler.
Bereits 80 Prozent der Frauen mit Brustkrebs ließen sich in spezialisierten Zentren operieren. Nur ein Drittel der Männer mit Darm- oder Lungenkrebs findet dagegen den Weg in ein geeignetes OP-Zentrum. Diese Patienten seien über die Gefahren von „Gelegenheitschirurgie“offensichtlich nicht ausreichend informiert. Das habe ähnliche Konsequenzen für die Überlebenschancen wie eine ungenügend vorbereitete Expedition.
Das Team ist wichtig
Jan-Ove Faust unterstrich, dass es in seinem Metier wie beim Klettern auf die Wahl des richtigen Teams und eine sinnvolle Arbeitsteilung ankäme. Man habe in der Oberschwabenklinik abgewogen, ob man sich selbst um Thoraxchirurgie kümmern wolle – oder mit Waldburg-Zeil in der Region kooperiere. Patienten profitierten, weil man schon lange vertrauensvoll zusammenarbeite. Alle Anwesenden waren sich einig, dass zu einer erfolgreichen „Seilschaft“in der Medizin nicht nur das Team im OP gehöre, sondern auch die Pflegekräfte, die Patienten nach Operationen betreuen. Hier müsse jetzt unbedingt die Politik die Rahmenbedingungen so gestalten, dass junge Menschen gerne die Ausbildung wählen, Mitarbeiter lange in dieser Profession arbeiten können und Aussteiger vielleicht in ihren einstigen Beruf zurückkehren wollen.