Schwäbische Zeitung (Wangen)

Darum schreiben Franzosen gute Bücher

Kritikerin Iris Radisch liest im Rahmen des Allgäuer Literaturf­estivals

- Von Tine Steinhause­r

WANGEN - „Fest auf die Neugier der Besucher vertrauend.“In diesem Sinne ist das Programm des dritten Allgäuer Literaturf­estivals, initiiert durch die Schwabenak­ademie Irsee, zusammenge­stellt worden. Mittlerwei­le 22 Gemeinden aus dem Allgäu beteiligen sich an diesem Höhepunkt für die Freunde des guten Buches. Wangen ist bereits zum zweiten Mal dabei. Die Stadt konnte in Zusammenar­beit mit der Bücherei in diesem Jahr die Literaturk­ritikerin und Leiterin des Feuilleton­s der „Zeit“, Iris Radisch, für den Literatura­bend in Wangen gewinnen.

Über 80 Neugierige waren der Einladung am Mittwochab­end in die Kornhausbü­cherei gefolgt. Die Hamburger Redakteuri­n hatte ihr neues Buch „Warum die Franzosen so gute Bücher schreiben“im Gepäck und Judith Heitkamp vom Bayrischen Rundfunk als Moderatori­n an ihrer Seite. Radisch hat Germanisti­k, Romanistik und Philosophi­e in Frankfurt und Tübingen studiert und ist bekannt als Mitglied der ZDF-Sendung „Das Literarisc­he Quartett“.

„Ihr neuestes Buch basiert auf unzähligen, persönlich­en Begegnunge­n mit vielen französisc­hen Schriftste­llern“, führte Heitkamp ein. „An meinem Arbeitspla­tz lagen manchmal bis zu 80 Bücher gleichzeit­ig aufgeschla­gen herum, in denen ich stöberte“, ergänzte Radisch.

Herausgeko­mmen sei ein erzählende­s Sachbuch, fügte sie hinzu. „Ich unternehme im Buch einen Spaziergan­g durch die französisc­he Nachkriegs­literatur, beginnend mit Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir über Albert Camus, Marguerite Duras bis hin zu Michel Houellebec­q.“‚Erzählende­s Sachbuch‘ klinkt etwas trocken angesichts des ersten Ausschnitt­es über die SartreBeau­voir-Epoche zu Zeiten des nahenden Kriegsende­s 1944, den Radisch vorträgt.

Liebevoll, lebendig, einfühlsam, aber auch eine Spur ironisch und atmosphäri­sch verdichtet hat die Literaturk­ritikerin Details über die Stimmung, die Menschen, ihre Gewohnheit­en, ihre Philosophi­en, die kleinen und die großen, im Paris der 1940er-Jahre, insbesonde­re im Künstlervi­ertel Quartier Latin, zusammenge­tragen und daraus eine szenische Erzählung gestrickt. Und das kommt dann wie Literatur daher, zumal Radisch leidenscha­ftliche Begeisteru­ng im Vortrag deutlich zu spüren ist.

„Ist denn die Frage, warum die Franzosen so gute Bücher schreiben, überhaupt zu beantworte­n“, wirft Heitkamp auf. „Ohne das Paris in der Mitte des letzten Jahrhunder­ts hätte es diese Literatur nicht gegeben, diese Verdichtun­g von Künstlern in einer Stadt, der gemeinsame Mythos, die offenen Liebschaft­en, alle waren miteinande­r verstrickt.“„Das war so familiär, dass man in seinem Viertel in Hausschuhe­n auf die Straße gehen durfte“, heißt es in dem Buch. Über die vereinsamt­en Schriftste­ller der späten 1960er-Jahre bis hin zu den Immigrante­n der heutigen Zeit, darunter Assia Djebar, die in Algerien geboren ist, begibt sich Radisch weiter gemeinsam mit den offensicht­lich neugierige­n und mitgerisse­nen Zuhörern auf den Streifzug durch die französisc­he Literatur.

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FOTO: STEINHAUSE­R Die Stadt Wangen hatte die Literaturk­ritikerin Iris Radisch (rechts) in die Kornhausbü­cherei eingeladen. Judith Heitkamp moderierte den Abend über „Warum die Franzosen so gute Bücher schreiben“.

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