Schwäbische Zeitung (Wangen)

Verurteilt­e stehen vor Scherbenha­ufen

Ehepaar wird zu einer Bewährungs­strafe und zu einer Arbeitsauf­lage verurteilt

- Von Vera Stiller

Amtsgerich­t Wangen verurteilt Ehepaar wegen Insolvenzv­erschleppu­ng.

WANGEN - Wegen Insolvenzv­erschleppu­ng, Vorenthalt­en von Arbeitgebe­ranteilen zur Sozialvers­icherung und sechs Taten des Betrugs wurde jetzt ein Ehepaar aus dem Raum Wangen zu einer Haftstrafe von jeweils neun Monaten mit Bewährung verurteilt. Außerdem müssen beide Teile 60 Stunden gemeinnütz­ige Arbeit leisten.

Die Frage, die die beiden Verhandlun­gstage wie ein roter Faden durchzog, kam immer wieder zur Sprache: Ab spätestens wann hätten die Angeklagte­n merken müssen, dass ihr Unternehme­n nicht mehr weiterzufü­hren war, ab wann war Handlungsu­nfähigkeit gegeben? „Die Umstände, die dazu führten, konnten nicht ausreichen­d geklärt werden“, sagte der Richter in seiner Urteilsbeg­ründung. Weil die Angeklagte­n den Zeitpunkt April 2016 für das endgültige Aus selbst eingeräumt hatten, folgte das Gericht dieser Bewertung.

Im Jahr 2011 hatten die Angeklagte­n die Chance gesehen, sich mit der Übernahme einer Firma, die im Bereich des Textilanba­us, der Verarbeitu­ngs-Organisati­on in den Herkunftsl­ändern und der Vermarktun­g dieser Produkte tätig war, selbststän­dig zu machen. Das Ehepaar wurde 2012 jeweils einzelvert­retungsber­echtigt zu Geschäftsf­ührern bestellt.

2014 gab es schon Probleme

Schon 2014 tauchten mit einem Fehlbetrag von mehr als 300 000 Euro massive Schwierigk­eiten auf. Während der Vertreter der Staatsanwa­ltschaft von Überschuld­ung und das Fehlen von Liquidität sprach, warf der Angeklagte seinem damaligen Steuerbera­ter völlige Fehlleistu­ng vor und sagte: „Wir mussten uns wegen massiver Buchungsfe­hler von ihm trennen.“Dazu wandte der Richter ein: „So falsch können die Buchungen nicht gewesen sein, wenn der Berater bei dem richterlic­hen Vergleich von seiner 15 000-Euro-Forderung noch 10 000 Euro zugesproch­en bekommt.“

Das Minus wurde ausgeglich­en, nicht zuletzt durch ein Darlehen. Auch 2015 mussten auf diesem Wege „noch einmal über 210 000 Euro“in die Firma gesteckt werden. Schließlic­h konnte die einzige Mitarbeite­rin nicht mehr bezahlt werden. Später dann auch nicht mehr die Miete für die Räume in einem Gewerbepar­k. Fazit: Die Schlösser des Büros wurden ausgetausc­ht und damit war dann laut Verteidigu­ng „kein Zugriff mehr auf die Unterlagen möglich“.

Während die Staatsanwa­ltschaft davon überzeugt war, dass die türkischen Lieferante­n der Garne, Stoffe, Gardinen und Vorhänge nicht mehr bezahlt werden konnten und deshalb die Auslieferu­ng der Waren ausblieb, schilderte der Angeklagte diese Angelegenh­eit so: „Ich nehme an, dass die bestellten und auch bezahlten Stoffe wegen der sich verschärfe­nden politische­n Lage zwischen der Türkei und Deutschlan­d nicht angekommen sind.“

Vom beteiligte­n Ermittler des Polizeiprä­sidium Konstanz war zu hören: „Zum Ende 2015 stand eine erhebliche Überschuld­ung und Zahlungsun­fähigkeit fest. Der vorläufige Jahresabsc­hluss wies 30 000 Euro offene Rechnungen aus.“Dass im Juni 2016 bereits ein unterschri­ebener Geschäftsa­bschluss vorgelegen haben soll, war dem Zeugen unbekannt.

Schwachste­llenanalys­e der IHK

Für den zweiten Verhandlun­gstag, der drei Wochen später stattfand, war ein Mann geladen, der als selbststän­diger Berater über die IHK zur Firma gekommen war. „Ich habe mir alles angesehen und im Dezember 2014 eine Schwachste­llenanalys­e gemacht, um zu wissen, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen“, sagte der Zeuge. Um mit „Umzug in ein günstigere­s Büro“eine zu benennen. Die Verlegung der Produktion­sstätten von der Türkei nach Griechenla­nd sei allerdings wegen des Baumwolle-Anbaus abgelehnt worden. Da für den Zeugen „Aufträge nachweisli­ch vorhanden waren“, sah er auch die „Chance zum Weitermach­en“gegeben.

Dies trotz der Absagen der Bank, einen Kredit zu gewähren. „Das waren vorläufige Absagen“, glaubte der Zeuge und antwortete auf den Hinweis des Oberstaats­anwaltes, dass es immer wieder zu Rückbuchun­gen gekommen sei und das Nichtbezah­len von Rechnungen vielleicht der Grund für die Ablehnunge­n gewesen sein könnte: „Die türkischen Händler wollten oder konnten nicht mehr liefern beziehungs­weise sollten teilweise mangelhaft­e Ware zurücknehm­en.“

Nach einer kurzen Unterbrech­ung ließ einer der beiden Rechtsbeis­tände vernehmen: „Die Insolvenzv­erschleppu­ng und das versäumte Abführen von Arbeitgebe­ranteilen wie Betrugsdel­ikte in sechs Fällen wird eingeräumt.“Um etwas später vor Augen zu führen: „Man hat 400 000 Euro reingestec­kt, hat getan und gemacht – und steht doch vor einem Scherbenha­ufen!“

Dass hier keine Absicht oder gar eine Bereicheru­ng vorlag, das war auch die Meinung des Richters, „aber man hat es in Kauf genommen“. Die Tatsache, dass er beiden Angeklagte­n das Ableisten von gemeinnütz­iger Arbeit zusätzlich zur Bewährungs­strafe auferlegte, begründete der Richter so: „Etwas weh tun sollte es schon!“

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FOTO: SCHARPENBE­RG

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