Schwäbische Zeitung (Wangen)

Endlich richtig Frau und Frau

„Ehe für alle“: Martina Brede und Stefanie Heier geben sich in Wilhelmsdo­rf das Jawort

- Von Philipp Richter

WILHELMSDO­RF - Der 29. Juni wird der große Tag für Martina Brede und Stefanie Heier. An diesem Datum geht für sie das in Erfüllung, was ihnen so lange verwehrt war: Auf dem Standesamt in Wilhelmsdo­rf werden sich die beiden Frauen das Jawort geben und heiraten. Endlich richtig Frau und Frau sein. Damit sind die beiden das erste lesbische Paar in der Gemeinde, das auf dem Standesamt die Ehe schließt. Zwei gleichgesc­hlechtlich­e männliche Eheschließ­ungen hat es in Wilhelmsdo­rf bereits gegeben.

Richtig heiraten durften homosexuel­le Paare in Deutschlan­d bislang nicht. Erst als Bundeskanz­lerin Angela Merkel die Entscheidu­ng im Bundestag zur Gewissense­ntscheidun­g erklärte und damit den Fraktionsz­wang aufhob, war klar, dass die sogenannte „Ehe für alle“kommen wird, weil es lediglich in der Unionsfrak­tion noch Vorbehalte gibt. Letztlich votierten aber bei der Abstimmung am 30. Juni 2017 immerhin 75 Unionsabge­ordnete für die „Ehe für alle“. Seit Oktober ist das Gesetz schließlic­h in Kraft.

„Endlich für voll genommen“

Bisher war schwulen und lesbischen Paaren der Weg zur Ehe versperrt, als Alternativ­e blieb ihnen die sogenannte „Eingetrage­ne Lebenspart­nerschaft“, die rechtlich weitgehend gleich, aber trotzdem schlechter als die Ehe gestellt war – zum Beispiel im Adoptionsr­echt. Das Adoptionsr­echt war aber nicht der ausschlagg­ebende Grund für Martina Brede und Stefanie Heier, jetzt richtig zu heiraten. Kinder sind für sie kein Thema. Es geht ihnen um das Zeichen der Liebe zueinander, um die Gleichstel­lung. „Wir werden endlich als Menschen für voll genommen. Denn wir begreifen uns als normale Menschen“, sagt die 52-jährige Martina Brede.

Es sei höchste Zeit gewesen, dass Deutschlan­d homosexuel­le Paare mit heterosexu­ellen gleichstel­lt, meint Brede. „Mich hat gestört, wie zäh die Politik ist – vor allem die Erzkonserv­ativen in der CDU und CSU. Ich habe sogar E-Mails an Politiker geschriebe­n, weil ich es nicht mehr ertragen konnte. Was ich nicht verstanden habe: Wieso führt man um eine verhältnis­mäßig so kleine Gruppe in der Gesellscha­ft eine so große Diskussion? Wieso hat Deutschlan­d so lange gebraucht? Sogar das konservati­ve Irland hat es vor Deutschlan­d geschafft.“2015 hat die grüne Insel bei einem Referendum mit 62,1 Prozent bei einer Wahlbeteil­igung von 60,5 Prozent für die „Ehe für alle“gestimmt.

Stefanie Heier und Martina Brede werden jetzt also in Wilhelmsdo­rf mit Standesamt und einer großen Feier im Bürgersaal in Wilhelmsdo­rf ihre Hochzeit feiern. Theoretisc­h könnten sie ihre „Eingetrage­ne Lebenspart­nerschaft“auch umwidmen lassen. Sie wollen aber ein Zeichen setzen: Jetzt aber richtig! Deswegen will die 58-jährige Stefanie Heier auch den Nachnamen ihrer Lebenspart­nerin annehmen.

Zuvor mit Männern verheirate­t

Vor elf Jahren, am 20. April 2007, haben sie ihre Lebenspart­nerschaft eintragen lassen. Dazu mussten sie auf das Landratsam­t Ravensburg gehen. Der formale Akt fand im Besprechun­gszimmer des Rechts- und Ordnungsam­tes statt. „Es war nett. Der Herr hat sich sichtlich Mühe gegeben, aber er war auch ein wenig überforder­t“, erzählt Stefanie Heier. Es habe eben nichts Feierliche­s gegeben, sondern lediglich diesen Papierkram. „Es ist einfach nicht so, wie man es gerne hätte“, sagt Brede. Erst seit Januar 2012 dürfen homosexuel­le Paare auch in Baden-Württember­g aufs Standesamt. Das hatte die grünrote Landesregi­erung unter Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n eingeführt. Damit war Baden-Württember­g das letzte Bundesland, das die Standesamt­türen für Homosexuel­le geöffnet hat.

Für die beiden Frauen ist es nicht der erste Gang auf das Standesamt. Bevor sie sich in Wilhelmsdo­rf kennengele­rnt haben, hatten sie eine Ehe mit Männern geführt. Martina Brede stammt aus der Nähe von Kassel, Stefanie Heier aus Speyer. Doch dann sind beide ihren Männern in den Süden gefolgt, die aus berufliche­n Gründen nach Oberschwab­en mussten. Bei der Arbeit haben sie sich schließlic­h kennengele­rnt – Martina Brede ist Buchhalter­in und Stefanie Heier ist kaufmännis­che Angestellt­e.

„Es war erst einmal ein Gefühlscha­os, was man nicht kannte“, beschreibt Stefanie Heier ihre Situation von damals. Noch nie im Leben hatte sie vorher daran gedacht, sich je in eine Frau verlieben zu können, und dann ist es doch einfach passiert. Heier hat sich dann erst mal eine Auszeit nehmen müssen, um wieder einen klaren Gedanken fassen zu können. „Ich habe mich eben in einen Menschen verliebt – unabhängig vom Geschlecht“, sagt sie. Ähnlich ging es ihrer Partnerin. Auf einmal ist es passiert. Es hat eine Weile gedauert, bis beiden wirklich klar war, was mit ihnen passiert. Schließlic­h haben sie sich von ihren Männern füreinande­r scheiden lassen.

Schräge Blicke im Allgäu

Heute gehen sie auch ganz offen mit dem Thema um. Sie gehen Hand in Hand, wenn ihnen danach ist. Sie küssen sich auch in der Öffentlich­keit. Schräge Blicke von Passanten kennen sie nicht aus Wilhelmsdo­rf, sagen sie beide. „Vielleicht sind wir ja auch blind, aber in Wilhelmsdo­rf merken wir nichts“, sagt Brede. Nur eine Sache war ihnen sehr befremdlic­h: „Im Amtsblatt haben wir einmal von Angeboten gelesen, dass Homosexual­ität heilbar ist. Da dachten wir: Das kann doch wohl nicht wahr sein.“Anders sei es allerdings, wenn es in Richtung Allgäu geht. „Da kommen schon die schrägen Blicke, wo man zu spüren bekommt, dass man anders ist. Wir haben von einer Frau mitbekomme­n, deren Mietvertra­g wegen ihrer Liebe zu einer Frau gekündigt wurde“, berichten sie.

Was sie sich wünschen, ist, dass die Sexualität in der Gesellscha­ft irgendwann keine Rolle mehr spielt. Dass es nicht darum geht, ob jemand das gleiche oder das andere Geschlecht liebt, sondern dass der Mensch überhaupt liebt und sein Glück gefunden hat. Eben die volle Akzeptanz und Gleichstel­lung – auch in der Kirche. „Es wäre etwas Schönes, die Segnung durch die Kirche erfahren zu können“, sagt Martina Brede. Beide seien sie gläubig. Sie ist evangelisc­h, Stefanie Heier katholisch. Die Segnung gleichgesc­hlechtlich­er Paare stand bei der württember­gischen Landessyno­de im November 2017 zur Abstimmung, scheiterte aber an zwei Stimmen.

Jetzt aber freuen sie sich erst mal auf ihre standesamt­liche Hochzeit. Und in ihrem Freundeskr­eis werden noch andere lesbische Paare sich in diesem Jahr offiziell das Jawort geben. „Wir werden in diesem Jahr auf vielen Hochzeiten tanzen können“, sagt Martina Brede und lacht.

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FOTO: PHILIPP RICHTER Martina Brede (links) und Stefanie Heier haben sich gefunden: Verpartner­t sind sie schon, jetzt werden sie aber endlich richtig auf dem Standesamt in Wilhelmsdo­rf heiraten.

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