Schwäbische Zeitung (Wangen)

Juden im Land sorgen sich um Sicherheit

Allein 2017 fast einhundert antisemiti­sche Straftaten gemeldet – Verunsiche­rung unter Gemeindemi­tgliedern

- Von Bettina Grachtrup

STUTTGART (lsw) - Viele Juden in Baden-Württember­g sorgen sich nach Angaben des Antisemiti­smusbeauft­ragten Michael Blume um ihre Sicherheit. Er beobachte eine große Verunsiche­rung, gerade auch unter jüdischen Schülern, sagte er am Freitag der Deutschen Presse-Agentur.

Die Vorstandss­precherin der Israelitis­chen Religionsg­emeinschaf­t (IRG) Württember­gs, Barbara Traub, hatte am Donnerstag­abend in Stuttgart gesagt: „Wir wissen von Schülern, die Angst haben, den jüdischen Religionsu­nterricht zu besuchen.“Sie hätten Angst, sich als Juden zu erkennen zu geben.

Es habe in den vergangene­n Jahren einige Vorfälle gegeben, die die Gemeindemi­tglieder verunsiche­rt hätten, sagte Traub. Der Vorsitzend­e der IRG Baden, Rami Suliman, berichtete von Mitglieder­n, die keine Post mehr von der Gemeinde bekommen wollten mit einem Davidstern auf dem Kuvert. „Das Sicherheit­sgefühl der Mitglieder ist nicht so gut.“

Der Beauftragt­e Blume sagte, die Verunsiche­rung habe auch etwas mit den digitalen Medien zu tun. Schüler befürchtet­en, dass sie in den OnlineNetz­werken für ihren Glauben angefeinde­t werden könnten. Im engen Freundeskr­eis und in der eigenen Klasse gebe es hingegen oft gar keine Probleme. Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) hatte die öffentlich­en Schulen jüngst aufgerufen, diskrimini­erende Vorfälle an die Schulverwa­ltung weiterzume­lden, um sich ein Bild von der Lage zu verschaffe­n.

Das Gemeindeze­ntrum der IRG Württember­gs in Stuttgart wird nach den Worten von Vorstandsm­itglied Michael Kashi gerade umgebaut – auch unter Sicherheit­saspekten. Er finde es sehr traurig, dass jüdische Gemeindemi­tglieder so viele Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg immer noch Angst hätten vor Rechtsradi­kalen. Zudem seien in den vergangene­n Jahren viele Muslime nach Deutschlan­d gekommen, die keinen Unterschie­d machten zwischen Juden und Israelis. Daher müsse die IRGW in Sicherheit investiere­n. „Wir hätten das Geld lieber gespart oder für andere Sachen ausgegeben. Aber wir müssen es machen.“

Chanukka-Leuchter zerstört

Im Jahr 2016 gab es in Baden-Württember­g 95 antisemiti­sche Straftaten – im vergangene­n Jahr waren es nach Angaben des Innenminis­teriums 99 Taten. Im Dezember hatten Unbekannte in Heilbronn einen öffentlich aufgestell­ten Chanukka-Leuchter zerstört. In Ulm war die neue Synagoge im Spätsommer mit Füßen und Metallpfos­ten traktiert und beschädigt worden. Das sind aber nur die Vorfälle, die strafrecht­lich relevant sind und angezeigt wurden.

Die Israelitis­chen Religionsg­emeinschaf­ten in Württember­g und Baden haben zusammen rund 8000 Mitglieder. Nach Schätzunge­n der IGRW gibt es in Baden-Württember­g aber etwa doppelt so viele Juden, denn nicht alle haben sich jüdischen Gemeinden angeschlos­sen.

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FOTO: DPA In Sicherheit­svorkehrun­gen investiert: die Stuttgarte­r Synagoge.

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