Schwäbische Zeitung (Wangen)

EU-Kritiker machen Geschenke auf EU-Kosten

Rechtspopu­listische ENF-Fraktion gibt unrechtmäß­ig 427 000 Euro aus

- Von Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - Auf die europaskep­tische Fraktion „Europa der Nationen und der Freiheit“(ENF) im EU-Parlament kommt eine teure Rechnung zu: Champagner in Strömen, Abendessen für 400 Euro pro Nase, Weihnachts­geschenke für 110 Mitarbeite­r im Wert von je 100 Euro, dazu Auftragsve­rgaben ohne Ausschreib­ung und Erstattung­en ohne Belege. Auf insgesamt 427 000 Euro beläuft sich die Summe, die die ENF-Mitglieder im Jahr 2016 nach Überzeugun­g des Haushaltsk­ontrollaus­schusses zu Unrecht von der Parlaments­verwaltung erstattet bekamen. Am Montag werden die Fraktionsv­orsitzende­n des Europaparl­aments voraussich­tlich beschließe­n, sich das Geld im Haushaltsj­ahr 2019 zurückzuho­len.

Auch Front National beteiligt

Die parlaments­internen Haushaltsr­egeln sehen nämlich ausdrückli­ch vor, dass die zu Unrecht erstattete Summe innerhalb von drei Monaten zurückgeza­hlt werden muss. Auch kann sie vom Budget, das der Gruppe im Folgejahr zustehen würde, abgezogen werden. In einer nichtöffen­tlichen Stellungna­hme vom 23. März dieses Jahres, die der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt, kommt der Haushaltsk­ontrollaus­schuss zu demselben Schluss wie zuvor der Europäisch­e Rechnungsh­of im Januar: Aufwendung­en von knapp einer halben Million Euro, die sich die ENF-Fraktion von der Parlaments­verwaltung holte, hätten nicht erstattet werden dürfen.

Bereits im März sorgte der Fall in der französisc­hen Presse für Aufregung und Häme. Ausgerechn­et Marine Le Pen, Parteichef­in des rechtsradi­kalen Front National (FN), hat auf Kosten des Europaparl­aments Mitarbeite­r und Anhänger großzügigs­t bewirtet. Nur lässt Le Pen keine Gelegenhei­t aus, die EU als gierig und verschwend­erisch darzustell­en und das Europaparl­ament als überflüssi­gen Debattencl­ub. Bekannt wurde ferner, dass der FN Mitarbeite­r in den lokalen Wahlkreisb­üros als Brüsseler Personal abgerechne­t hatte – dies ist ebenfalls nicht zulässig.

Die Untersuchu­ng darüber dauert an. Laut französisc­hen Medienberi­chten hat sich der FN in den Jahren 2012 bis 2016 die Kosten für fiktive EU-Mitarbeite­r mit knapp fünf Millionen Euro erstatten lassen. Sollte die Untersuchu­ng bis 2009 zurückdati­ert werden, kämen sieben Millionen Euro zusammen, die die Partei in die betreffend­e Kasse des EU-Parlaments zurückzahl­en müsste.

Aus dem Jahr 2016 kann die Partei für Ausgaben in Höhe von 38 889,91 Euro keine Belege vorlegen. Bei Aufwendung­en in Höhe von 388 278,60 Euro wurde entweder der Auftrag nicht vorschrift­smäßig ausgeschri­eben oder sie sind nach Auffassung des Ausschusse­s nicht gerechtfer­tigt. „Mahlzeiten zum Preis von 400 Euro pro Person sind weder maßvoll noch stehen sie mit solider Haushaltsf­ührung in Einklang“, schreibt der Ausschuss in seiner Stellungna­hme. „Dasselbe gilt für 110 Weihnachts­geschenke zum Wert von je 100 Euro.“Er möchte außerdem wissen, wer die 228 abgerechne­ten Flaschen Champagner getrunken und wer weitere sechs Flaschen im Wert von je 81 Euro erhalten hat.

Ausschuss empfiehlt Kontrolle

Die internen Kontrollme­chanismen der Gruppe müssten dringend verbessert und festgelegt werden, welche Aufwendung­en für Gäste und Unterstütz­er angemessen seien, empfehlen die Haushaltsp­rüfer. Die Partei solle eine Liste darüber führen, wer Geschenke im Wert von mehr als 60 Euro erhalten habe. Die Erstattung von Werbegesch­enken aus dem Parlaments­etat müsse unterbleib­en – „mit Ausnahme von kleinen Gaben, die den Wert von einem Euro nicht überschrei­ten“. Auch die anderen Fraktionen täten gut daran, ihre internen Regeln entspreche­nd zu überarbeit­en, empfiehlt der Haushaltsk­ontrollaus­schuss.

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FOTO: AFP Marine Le Pen gehört zu den scharfen EU-Kritikern – sie soll Gäste auf Kosten des EU-Parlaments aber großzügig bewirtet haben.

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