Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Die Kosten stehen in einem krassen Missverhäl­tnis“

Ravensburg­s Oberbürger­meister Daniel Rapp zum Wiederaufb­au des Eschersteg­s

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RAVENSBURG - Seit Jahren herrscht in Ravensburg ein erbitterte­r Streit über den Eschersteg. Einige sind der Meinung, dass der frühere Fußgängerü­berweg über die Gleise am Ravensburg­er Bahnhof unbedingt an Ort und Stelle wieder aufgebaut werden muss. Die Stadtverwa­ltung würde darauf lieber verzichten, weil die Sanierung und der Wiederaufb­au des Industried­enkmals mit hohen Kosten verbunden ist. Mit Oberbürger­meister Daniel Rapp sprach Annette Vincenz über das Thema.

Was bedeutet der Eschersteg aus Ihrer Sicht für die Stadt Ravensburg?

Der Eschersteg ist schon seit vielen Jahren ein kommunalpo­litischer Klassiker, aber auch ein Ärgernis. Es steht völlig außer Frage, dass der Eschersteg ein Zeuge der Industrial­isierung in Ravensburg ist. Tatsache ist aber auch, dass der Wiederaufb­au dieses Steges mit hohen Kosten verbunden wäre. Und dann wäre er dennoch nicht einmal voll funktionst­üchtig.

Warum eigentlich nicht?

Wegen der fehlenden Barrierefr­eiheit und der fehlenden Erschließu­ng des Mittelglei­ses.

Rechtlich ist die Barrierefr­eiheit aber doch gar nicht erforderli­ch.

Rechtlich nicht, faktisch für Menschen mit Handicap, für Bahnreisen­de vor allem mit Gepäck und für Leute mit Kinderwage­n und Fahrrädern schon. Und ohne Abgang auf Gleis 2 würde der Überweg ja gar keinen Sinn aus Sicht der Erschließu­ng machen.

Stimmt es denn, dass das Regierungs­präsidium Tübingen verlangt, dass der Steg wieder in situ, also mehr oder weniger am alten Platz, aufgestell­t wird?

Nachdem erste Signale vom Regierungs­präsidium vor einigen Monaten in die Richtung deuteten, dass der Eschersteg nur aus wissenscha­ftlichen Gründen wegen seiner besonderen Nietenkons­truktion unter Denkmalsch­utz stehe und daher nicht unbedingt am alten Standort aufgebaut werden müsse, sondern die Nietenkons­truktion auch in einer anderen angemessen­en Art und Weise sichtbar gemacht werden könne, stellte sich die Situation im letzten Gespräch mit dem Regierungs­präsidium und der Landesdenk­malpflege nun so dar, dass der Eschersteg nach der Elektrifiz­ierung der Südbahn wieder am historisch­en Standort aufgebaut werden müsse. Nur zehn Meter hin oder her wären kein Problem.

Das klingt aber gar nicht gut für die Stadt.

Das Gespräch verlief dennoch in einer konstrukti­ven Atmosphäre, und es ging dann vor allem um die Fragen der möglichen Finanzieru­ng und der Funktional­ität. Mit anderen Worten: Sollte der Eschersteg tatsächlic­h wieder aufgebaut werden müssen, ist es uns natürlich wichtig, dass uns finanziell durch den Staat und die Deutsche Bahn geholfen wird. Denn fest steht, dass nicht die Stadt Ravensburg in erster Linie verantwort­lich für den Zustand des Stegs ist, vielmehr ging der Eschersteg damals bereits in absolut marodem baulichen Zustand ins Eigentum der Stadt über.

Hätte sich die Stadt gegen dieses großzügige Geschenk der Deutschen Bahn nicht wehren können?

Der Steg ging per Gesetz an uns über, der marode Zustand ist aber zum Glück aktenkundi­g, denn er wurde vom Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n festgestel­lt.

Also gibt es Hoffnung, dass die Deutsche Bahn sich nicht nur für die durch die Elektrifiz­ierung der Südbahn notwendige Höherlegun­g und den Anprallsch­utz beteiligt, sondern auch an der Sanierung selbst?

Ja, so sollte es jedenfalls sein. Außerdem war mir bei dem Gespräch mit dem Regierungs­präsidium wichtig, dass das Land nun Bereitscha­ft signalisie­rt hat, dass der Eschersteg barrierefr­ei mit Aufzugstür­men und auch einem Mittelabga­ng zu Gleis 2 aufgebaut werden kann.

Das würde bedeuten: mit drei Aufzügen. An beiden Enden und in der Mitte. Ganz schön teuer. Ist das nicht unnötig angesichts der nahen Aufzüge bei der Unterführu­ng südlich des Bahnhofs?

Unbedingt notwendig ist ein Steg an dieser Stelle natürlich nicht. Zwischen den Gleisen und der Schussen würde aber ein barrierefr­eier Übergang perspektiv­isch schon Sinn machen, da sich das Gewerbegeb­iet dort weiterentw­ickelt: Es entstehen dort zum Beispiel zwischen Gleisen und Schussen neue Bürogebäud­e und es soll auch eine Grünanlage am Ufer kommen. Auch verkehrste­chnisch macht ein Steg da schon Sinn, da man schneller vom Gleis zwei zum Bus käme. Die Unterführu­ng ist circa 150 Meter entfernt. Zuschüsse aus dem Städtesani­erungsprog­ramm gibt es außerdem nur, wenn der Steg barrierefr­ei wird. Aber damit wir uns nicht falsch verstehen: Der Wunsch des Gemeindera­tes und der Verwaltung war, den Steg nicht wieder aufbauen zu müssen.

Wie jetzt?

Wie gesagt, hätte der Steg an dieser Stelle schon einen Sinn. Aber die Kosten stehen dazu meines Erachtens in einem krassen Missverhäl­tnis. Zumal die Sanierung des Eschersteg­s aufwendig und teuer wäre. Mit dem Regierungs­präsidium sind wir jetzt erst mal so verblieben: Wir lassen das Gerichtsve­rfahren ruhen. Gleichzeit­ig rechnen wir zwei Varianten durch: Was würde die Sanierung des Stegs mit Aufzügen und Mittelabga­ng kosten, und was würde als Vergleichs­größe ein neuer Steg mit der gleichen Funktional­ität kosten? Dann sehen wir weiter.

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ARCHIVFOTO: PRIVAT Der Eschersteg führte früher über den Ravensburg­er Bahnhof, heute stehen nur noch Teile davon.
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FOTO: WYNRICH ZLOMKE Daniel Rapp hofft, dass sich das Land finanziell am Eschersteg beteiligt, falls er wieder aufgebaut werden muss.

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