Wenn Schwanzlurche den Straßenbau bremsen
Die Rücksichtnahme auf seltene Tiere und Pflanzen spielt bei Projekten im Oberallgäu und in Kempten eine Rolle
OBERALLGÄU - Eigentlich laufen die Arbeiten für die neue Oberstdorfer Westumgehung auf Hochtouren. Rechtzeitig zum Beginn der Sommerferien soll die Verbindungsstraße zur Fellhornbahn fertig sein. Doch in dieser Woche schweigen die Baumaschinen. Der Grund ist ein kleines Tier: der Alpensalamander. Die geschützten Schwanzlurche müssen abgesammelt werden, bevor die Arbeiten weitergehen. Weil die Tiere sich aber noch nicht herauswagen, hat die Umweltschutzbehörde angeordnet, eine Woche abzuwarten, bevor die Arbeiten mit der Wurzelstockfräse beginnen können.
Bei größeren Bauprojekten, die Eingriffe in die Natur und Landschaft erfordern, gehört es dazu, dass man auch auf die Lebensräume von Tieren und Pflanzen Rücksicht nimmt, erklärt Markus Kreitmeier, Bereichsleiter Straßenbau beim Staatlichen Bauamt Kempten. „Das ist aufwändig, schreibt das Naturschutzgesetz aber so vor.“Für bedrohte Arten gelte ein Tötungsverbot. „Da können wir nicht einfach ohne Rücksicht auf Verluste bauen“, so Kreitmeier. Deshalb beschäftigt die Behörde inzwischen vier Mitarbeiter im Sachgebiet Natur und Landschaft. Alle Maßnahmen zur Kompensation oder Minimierung der Eingriffe durch ein Bauwerk werden in einem sogenannten „landschaftspflegerischen Begleitplan“festgelegt. So könne man in der Regel Probleme vermeiden, sagt Kreitmeier. „Aber alles ist nicht planbar.“
Denn auch in Oberstdorf gibt es so einen Begleitplan. Doch die Arbeiter waren zu schnell. Sie waren zwei Wochen früher fertig als geplant – und müssen jetzt warten. „Das ist extrem ärgerlich, weil wir versuchen, schnell fertig zu werden“, sagt Armin Stöckle, Technischer Leiter der Kommunalen Dienste über die Verzögerung in Oberstdorf. Weil aber die Unternehmen beauftragt sind und die Arbeiter mit ihren Maschinen bereitstehen ohne loslegen zu können, kostet das die Gemeinde Geld: 24 000 Euro fallen für die vier Tage an. Das Gesamtprojekt soll dennoch wie geplant fertiggestellt werden.
Eine Herausforderung
Aber auch andere Tiere sorgen bei Bauprojekten für Herausforderungen. Zum Beispiel Fledermäuse. Im Vorfeld der derzeit laufenden Sanierung der Illerbrücke in ImmenstadtStein wurden Nistkästen für Fledermäuse und Wasseramseln aufgehängt, erklärt Kreitmeier. Um zudem zu vermeiden, dass sich in der Hohlkastenbrücke erneut Fledermäuse ansiedeln, wurden Löcher verschlossen und die Tiere „ausgesperrt“. Auch beim Abbruch des Bauwerks musste auf eine bedrohte Tierart Rücksicht genommen werden: 100 Quadratmeter Boden wurden umzäunt und überdacht, um Zauneidechsen vor herabstürzenden Brückenteilen zu schützen.
Ein anderes Tier kommt meist dann ins Spiel, wenn es um Windkraftanlagen geht: der seltene Schwarzstorch. Auf den verwiesen beispielsweise 2016 Kritiker der geplanten Anlagen in Kimratshofen.
Auch bei Projekten des Landkreises Oberallgäu seien häufig schützenswerte Tier- und Pflanzenarten betroffen, erklärt Landratsamtssprecherin Brigitte Klöpf. Beispielsweise erforderten die Waldbirkenmaus und die Schwarze Waldameise im Zuge des Neubaus der Renkertobelbrücke am Riedbergpass eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung. Grundsätzlich helfe bei Bauprojekten nur eine rechtzeitige Planung und Abstimmung mit der Naturschutzbehörde, rät Klöpf. „In der Regel wissen die Planer, welche Arten in welchen Gebieten betroffen sein könnten.“Dann könnten Eingriffe zeitlich verträglich geplant werden. So werden beispielsweise Rodungen zum Schutz der Vogelbrut häufig auf den Winter vorgezogen.
Ein eher kleines Exemplar hat vor Jahren die Planer der Nordspange in Kempten beschäftigt: Selbst wenn der dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling seine Flügel aufgespannt hat, ist der Schmetterling nicht einmal daumengroß. Er liebt die Illerhangleite beim ehemaligen Hundesportplatz. Dort hat er im Zuge des Bauprojekts ein geschütztes Biotop erhalten.