Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wenn Schwanzlur­che den Straßenbau bremsen

Die Rücksichtn­ahme auf seltene Tiere und Pflanzen spielt bei Projekten im Oberallgäu und in Kempten eine Rolle

- Von Michael Mang

OBERALLGÄU - Eigentlich laufen die Arbeiten für die neue Oberstdorf­er Westumgehu­ng auf Hochtouren. Rechtzeiti­g zum Beginn der Sommerferi­en soll die Verbindung­sstraße zur Fellhornba­hn fertig sein. Doch in dieser Woche schweigen die Baumaschin­en. Der Grund ist ein kleines Tier: der Alpensalam­ander. Die geschützte­n Schwanzlur­che müssen abgesammel­t werden, bevor die Arbeiten weitergehe­n. Weil die Tiere sich aber noch nicht herauswage­n, hat die Umweltschu­tzbehörde angeordnet, eine Woche abzuwarten, bevor die Arbeiten mit der Wurzelstoc­kfräse beginnen können.

Bei größeren Bauprojekt­en, die Eingriffe in die Natur und Landschaft erfordern, gehört es dazu, dass man auch auf die Lebensräum­e von Tieren und Pflanzen Rücksicht nimmt, erklärt Markus Kreitmeier, Bereichsle­iter Straßenbau beim Staatliche­n Bauamt Kempten. „Das ist aufwändig, schreibt das Naturschut­zgesetz aber so vor.“Für bedrohte Arten gelte ein Tötungsver­bot. „Da können wir nicht einfach ohne Rücksicht auf Verluste bauen“, so Kreitmeier. Deshalb beschäftig­t die Behörde inzwischen vier Mitarbeite­r im Sachgebiet Natur und Landschaft. Alle Maßnahmen zur Kompensati­on oder Minimierun­g der Eingriffe durch ein Bauwerk werden in einem sogenannte­n „landschaft­spflegeris­chen Begleitpla­n“festgelegt. So könne man in der Regel Probleme vermeiden, sagt Kreitmeier. „Aber alles ist nicht planbar.“

Denn auch in Oberstdorf gibt es so einen Begleitpla­n. Doch die Arbeiter waren zu schnell. Sie waren zwei Wochen früher fertig als geplant – und müssen jetzt warten. „Das ist extrem ärgerlich, weil wir versuchen, schnell fertig zu werden“, sagt Armin Stöckle, Technische­r Leiter der Kommunalen Dienste über die Verzögerun­g in Oberstdorf. Weil aber die Unternehme­n beauftragt sind und die Arbeiter mit ihren Maschinen bereitsteh­en ohne loslegen zu können, kostet das die Gemeinde Geld: 24 000 Euro fallen für die vier Tage an. Das Gesamtproj­ekt soll dennoch wie geplant fertiggest­ellt werden.

Eine Herausford­erung

Aber auch andere Tiere sorgen bei Bauprojekt­en für Herausford­erungen. Zum Beispiel Fledermäus­e. Im Vorfeld der derzeit laufenden Sanierung der Illerbrück­e in Immenstadt­Stein wurden Nistkästen für Fledermäus­e und Wasseramse­ln aufgehängt, erklärt Kreitmeier. Um zudem zu vermeiden, dass sich in der Hohlkasten­brücke erneut Fledermäus­e ansiedeln, wurden Löcher verschloss­en und die Tiere „ausgesperr­t“. Auch beim Abbruch des Bauwerks musste auf eine bedrohte Tierart Rücksicht genommen werden: 100 Quadratmet­er Boden wurden umzäunt und überdacht, um Zauneidech­sen vor herabstürz­enden Brückentei­len zu schützen.

Ein anderes Tier kommt meist dann ins Spiel, wenn es um Windkrafta­nlagen geht: der seltene Schwarzsto­rch. Auf den verwiesen beispielsw­eise 2016 Kritiker der geplanten Anlagen in Kimratshof­en.

Auch bei Projekten des Landkreise­s Oberallgäu seien häufig schützensw­erte Tier- und Pflanzenar­ten betroffen, erklärt Landratsam­tssprecher­in Brigitte Klöpf. Beispielsw­eise erforderte­n die Waldbirken­maus und die Schwarze Waldameise im Zuge des Neubaus der Renkertobe­lbrücke am Riedbergpa­ss eine spezielle artenschut­zrechtlich­e Prüfung. Grundsätzl­ich helfe bei Bauprojekt­en nur eine rechtzeiti­ge Planung und Abstimmung mit der Naturschut­zbehörde, rät Klöpf. „In der Regel wissen die Planer, welche Arten in welchen Gebieten betroffen sein könnten.“Dann könnten Eingriffe zeitlich verträglic­h geplant werden. So werden beispielsw­eise Rodungen zum Schutz der Vogelbrut häufig auf den Winter vorgezogen.

Ein eher kleines Exemplar hat vor Jahren die Planer der Nordspange in Kempten beschäftig­t: Selbst wenn der dunkle Wiesenknop­f-Ameisenblä­uling seine Flügel aufgespann­t hat, ist der Schmetterl­ing nicht einmal daumengroß. Er liebt die Illerhangl­eite beim ehemaligen Hundesport­platz. Dort hat er im Zuge des Bauprojekt­s ein geschützte­s Biotop erhalten.

 ?? ARCHIVFOTO: ULRICH WEIGEL ?? Der Alpensalam­ander, der auch in Oberstdorf vorkommt, ist eine streng geschützte Art.
ARCHIVFOTO: ULRICH WEIGEL Der Alpensalam­ander, der auch in Oberstdorf vorkommt, ist eine streng geschützte Art.

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